Was ist eigentlich „alternatives Wohnen“? „Normales Wohnen“ entspricht jedenfalls dem, was sich die meisten unter einer eigenen gemieteten oder gekauften Wohnung oder einem Haus vorstellen. „Alternatives Wohnen“ bezeichnet die Wohnformen, die sich von dieser in unserer Gesellschaft normierten Vorstellung von Wohnen unterscheiden. Und davon gibt es viele – von Hausbooten bis zum Nomadenleben im Auto.

Es gibt verschiedenste Wohnmodelle, die sich von unserer „westlichen Norm“ abheben. Unterschiedliche Kulturen, Klimaverhältnisse, Standortfaktoren sowie Armut oder Reichtum beeinflussen diese stark. Von imposanten Yachten an der Côte d’Azur, modernisierten Schlössern in Großbritannien bis hin zum Besitz einer eigenen Insel. Von japanischen Mini-Apartments, koreanischen Kellerwohnungen und US-amerikanischen Wohnwagensiedlungen, sogenannten Trailer Parks.

In diesem Artikel geht es um Wohnmodelle, die aus verschiedenen Gründen hierzulande an Beliebtheit gewinnen.

Die Miniversion – das Tiny House

In den letzten Jahren wird die Bedrohung durch die Klimakrise immer präsenter und ist nicht mehr zu verleugnen (auch wenn manche Aluhüte scheinbar sehr fest sitzen). Außerdem wächst das Bewusstsein über Themen wie Nachhaltigkeit und Achtsamkeit, und Lebensstile rund um Minimalismus und Konsumverweigerung gewinnen an Popularität. 

Inmitten dieser Entwicklung ist auch der Trend vom Tiny House aufgekommen. Es handelt sich um eine kleine Form von Wohngebäuden, in denen auf meist 15 bis 40 Quadratmetern gewohnt wird. Mit ausgeklügeltem Stauraum und einer vielfältig nutzbaren Fläche verfügen sie trotz ihrer kleinen Größe über die wesentlichen Notwendigkeiten.

Tiny Houses können meist auf Anhängern transportiert werden, doch viele suchen sich einen dauerhaften Stellplatz. Aber die Möglichkeit, einfach sein Haus einzupacken und woanders damit hinzufahren – diese Freiheit lockt. Menschen, die in Tiny Houses wohnen, leben diese Reduzierung auf das Wesentliche aus und genießen finanzielle Freiheit und persönliche Unabhängigkeit. 

Nicht zu unterschätzen:

Es gibt jedoch einige Schwierigkeiten, die Tiny Houses mit sich bringen. Besonders in unserem Land der Bürokratie sind rechtliche Vorgaben nicht außer Acht zu lassen. Ohne Sonderzulassung sind in Deutschland nur Anhänger bis 4 Meter Höhe und 2,55 Meter Breite gestattet. Baurechte, Flächennutzungspläne und die Straßenverkehrsordnung müssen mitgedacht werden. Alleine einen Stellplatz zu bekommen, kann viel Zeit und Nerven kosten. Und auch wenn ein Tiny House als günstigere Alternative zum standardisiertem Haus gilt, sind die Kosten nicht ohne. 

Die reduzierte Lebensweise funktioniert außerdem natürlich nicht für jeden oder dauerhaft, denn besonders wenn Kinder im Spiel sind, kann der Platzmangel doch sehr an den Nerven und der Lebensqualität zehren.

On the Road – das Van Life

Einfach alles ins Auto und los! Klingt schon nicht schlecht, oder? Road Trips sind eine andauernde beliebte Art zu Reisen. Manche Menschen widmen sich diesem Prinzip sogar als Wohnform. Das Van Life steht für Freiheit und Unabhängigkeit. Menschen tauschen Wohnung oder Haus und Karriere für diesen Traum auf vier Rädern ein. Für viele bedeutet es auch eine Abkehr von der Leistungsgesellschaft und von Überkonsum. Hier wird der Wunsch, unterzutauchen und zu endschleunigen, ausgelebt. 

In Deutschland gibt es schon lange viele Befürworter*innen für Wohnmobile und Wohnwagen. Campingplätze gibt es weit und breit. Doch in den letzten Jahren, besonders durch Social Media, ist diese Lebensweise auf eine aufgehübschte Weise in den Mainstream gerückt. Ob ein klassischer Volkswagen T1, ein Sprinter/Kleintransporter oder irgendwas dazwischen – solange es Räder hat, ist alles dabei. Und da Wohnwagen nicht ganz so schick klingt, wird daraus das “Van Life”.

Die Frage ist, wie so oft, das Geld. Wie finanziert man sich diesen Lebensstil? Manche arbeiten im Voraus, sodass sie monatelang davon auf Reisen leben können. Andere suchen sich Arbeit unterwegs als Saisonkräfte und Gastarbeiter*innen. Wieder andere arbeiten einfach aus dem Auto oder einem nahegelegenen Café remote – solange es WLAN und eine Steckdose gibt, ist alles möglich. Und ein paar verdienen ihren Lebensunterhalt durch das Promoting dieses Lebensstils als Influencer*innen selbst.

Und wenn wir schon bei den finanziellen Mitteln sind: Es ist wichtig, zu bemerken, wie unterschiedlich die Menschen wahrgenommen werden, die sich freiwillig dazu entscheiden, in einem Auto zu leben, und denjenigen, die aus Mittellosigkeit dazu gezwungen sind. Während dieses Leben einerseits romantisiert wird, wird es andererseits stigmatisiert. Menschen, die in ihrem Auto wohnen, sind zwar nicht obdachlos, aber wohnungslos. Doch so würden sich die wenigsten bezeichnen. Außerdem suchen viele für die kalten Wintermonate eine andere Art der Unterkunft, was andere sich nicht leisten können. Damit soll niemand kritisiert werden. Es ist einfach ein auffälliger Unterschied in der Wahrnehmung derselben Lebensform von armen und zumindest relativ wohlhabenden Menschen.

Nicht zu unterschätzen:

Der Stellplatz ist auch so eine Sache. In einigen nordischen Ländern gibt es das sogenannte Jedermannsrecht. Damit haben alle Menschen grundlegende Rechte bei der Nutzung der Natur und Wildnis. Demnach darf man auch überall parken und übernachten – ein Traum für Camper*innen. In anderen Ländern müssen Campingplätze angefahren werden oder sie parken auf gut Glück frei, in der Hoffnung, unbemerkt zu bleiben. Denn die Verbindung zur Natur, die viele mit ihrem Leben im Camper suchen, ist nicht ganz so sehr vorhanden auf einem Campingplatz und ist oft nur durch eigentlich unerlaubtes Parken in der Natur erreichbar.

Vom Stellplatz zum Platz. Es ist natürlich auch so, dass ein Leben im Camper eng ist. Für einen romantischen Sommer können sich das viele vorstellen, aber auf Dauer als Paar mit so wenig Platz aufeinanderzuhocken, kann jede Beziehung belasten. Wenn Kinder dazukommen, muss die optimalste aller Raumplanungen her! Viele ziehen auch gerne alleine los, doch das bringt wieder andere Probleme mit sich…

Denn dieser Lebensstil kann gefährlich sein – besonders für allein reisende Frauen, LGBTQ+-Personen oder People of Color. Abgetrennt in der Natur in einem Auto können nur bedingt Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Und selbst dann und auch mit Partner*in ist man nicht immer sicher. Das tragische Schicksal von Gabby Petito, einer Van-Life-Influencerin, ging erst vor Kurzem um die Welt. Die Risiken sollten nicht unterschätzt werden.

Auf dem Wasser – das Hausboot

Viele denken bei diesem Wort sicherlich an Urlaub. Mit einem klassischen Boot oder z.B. einem BunBo (Bungalow Boot), einem rechteckigen Hauskasten, der an ein Tiny House auf dem Wasser erinnert, für einen Sommer über Flüsse und Seen die Welt erkunden. Das hat schon was.

Doch manche Menschen möchten diese Erfahrung nicht nur für einen abenteuerlichen Urlaub, sondern als dauerhaftes Zuhause. Sie erfüllen sich einen Traum mit dem Leben auf dem Wasser. Spannend an den neuen Trends der Hausboote ist ihre gleichzeitige Nähe zur Natur und Stadt. Außerdem benötigt man für das moderne Hausboot auch nicht unbedingt einen Bootsführerschein. Denn viele suchen einen festen Liegeplatz. Und selbst wenn sie umziehen, dann werden sie meist geschleppt, nicht selbst gefahren. Ebenfalls wie beim Tiny House ist hier auch alleine die Möglichkeit, einfach loszuziehen, sehr verlockend.

Wer schon mal durch Amsterdam geschlendert ist, der weiß Bescheid. Die circa 2500 farbenfrohen Hausboote auf den Grachten prägen den Charme der Stadt. Angefangen hatte das nach dem Zweiten Weltkrieg als innovative Lösung für den Wohnraummangel. Und heute gelten Hausboote auch in anderen Ländern als Wohnraum der Zukunft. In Dänemark gibt es Prototypen von studentischen Wohnungen aus aufeinandergestapelten Schiffscontainern, die über Stege miteinander verbunden sind und circa 27 Quadratmeter Wohnfläche pro Person bieten.

Auch Deutschland öffnet sich dem Konzept zunehmend. An Gewässern in einigen Städten sind Hausbootkolonien entstanden. Doch auch da sind wir wieder beim Problem mit den Genehmigungen. Die ersten grauen Haare kommen spätestens beim Versuch, insbesondere das Nutzungsrecht und die Baugenehmigung einzuholen. Es bedarf Hartnäckigkeit, denn es gibt ständige Interessenskonflikte mit Anwohner*innen, dem Umweltschutz oder Gewerbetreibenden. Wasserflächen gehören der Allgemeinheit und mancherorts soll dies auch so bleiben ohne Bevorzugung einzelner Personen. Außerdem ist das Ufer bereits oft im Privatbesitz.

Nicht zu unterschätzen:

Wie auch das Tiny House und das Van Life, ist ein Leben auf dem Hausboot nichts für jeden. Besonders Kinder sind gefährdet, da sie leicht ins Wasser fallen können. Außerdem gibt es immer wieder neugierige Fremde, die so etwas wie Privatsphäre nicht kennen. Und doch: Die Idee von Freiheit und Ungebundenheit sowie die Nähe zur Natur fasziniert viele. 

Wichtig: Die Finanzen. Wer ein Hausboot besitzt, besitzt kein Grundstück, sondern nur eine Sondernutzungsgenehmigung. Gerade das ist auch die Krux bei der Finanzierung: Banken geben meist keinen Kredit, wenn es kein Grundstück gibt, auf das eine Grundschuld eingetragen werden kann. So wird das Hausboot nur zu einem potentiellen Wohnmodell für Wohlhabende, die es aus eigener Tasche bezahlen können. Es muss sich dabei nicht um so ein finanzielles Fass ohne Boden wie das Hausboot von Fynn Kliemann und Olli Schulz handeln, aber auch so sind die Kosten nicht ohne. Falls kein weiteres Hausboot in der Nähe ist, hat es bereits die Verlegung von Internet-, Wasser- und Stromleitungen ganz schön in sich. Außerdem muss der Stahl- oder Beton-Ponton vom Hausboot alle zehn Jahre vom Schiff-TÜV überprüft werden.

Alternatives Wohnen – nur ein Trend oder die Zukunft?

Lange Zeit wurde alternatives Wohnen als Abgrenzung aus der restlichen Gesellschaft angesehen, als eine Art Protest. Doch die meisten Menschen, die in alternativen Wohnräumen leben, wollen damit gar kein individualistisches, gesellschaftspolitisches Statement abgeben. Viele unterschiedliche Gründe, wie zum Beispiel die steigende Wohnungsnot, explodierende Mietpreise sowie soziale Vereinsamung in Großstädten, der Wunsch nach Unabhängigkeit, als auch die Klimakrise bringen immer mehr Menschen dazu, über sinnvolle, andere Wohnformen nachzudenken. Und die sind dann irgendwann vielleicht das neue “Normal”.