geschrieben von Anna Aumüller

Es weihnachtet bald. Dann ist es in den Familien wieder wuselig. Es wird Teig ausgestochen und gebacken, geputzt und dekoriert, Tesa abgerollt und Schleifen gebunden. Eine Mischung aus Lebkuchengewürz, Kerzenrauch und Vorfreude liegt in der Luft.

Weihnachten lässt Kinderaugen leuchten und Kindermünder fragen: „Wie sieht das Christkind aus? Wo wohnt der Weihnachtsmann? Wer bringt die Geschenke? Warum liegt überall dieses Baby im Stall und wer ist überhaupt Gott?“

Diese letzte Frage „Wer ist überhaupt Gott?“ haben wir Josephine Teske gestellt. Sie ist evangelische Pastorin in Hamburg und beschreibt sich selbst als Lebensliebhaberin, Feministin und Single Mom. Als seligkeitsdinge_ zeigt sie auf Instagram, dass Glaube, ein modernes Leben und Weltoffenheit vereinbar sind und dass man auch als Geistliche das Patriarchat in die Schranken weisen darf.

Die Arbeit mit Kindern liegt Josephine in ihrer Kirche besonders am Herzen, weshalb ich sie gefragt habe: „Wie kann ich meinen Kindern Gott erklären?“ Außerdem haben wir die Frage geklärt, wer in einem Pastorinnenhaushalt an Weihnachten die Geschenke bringt.

Liebe Josephine, ich habe dich bereits kurz vorgestellt. Möchtest du selbst noch etwas zu dir sagen oder ergänzen?

Ich bin eine, die gern alles unter Kontrolle hat und jeden Tag lernen muss, dass das nicht funktioniert. Ich bin eine, die alles für ihre Kinder geben würde und immer wieder lernt, eigene Grenzen zu setzen. Ich bin eine, die voll berufstätig ist, alleinerziehend und die sich jetzt schon jeden Tag sagen muss, dass unser Advent nicht wie bei anderen auf Instagram aussehen muss, damit ich nicht vom schlechten Gewissen aufgefressen werde. Ich bin eine, die ganz unbedingt die Botschaft von Weihnachten braucht.

Du bist auch eine, die selbst Mama ist und kennst die vielen kleinen Kinderfragen, auf die man nicht immer eine passende Antwort hat… Gerade das Thema Glaube und Gott ist für viele Erwachsene nicht greifbar, weshalb sie sich bei einer Antwort auf die Frage „Wer ist Gott?“ schwertun. Was antwortest du deinen Kindern?

Ich sage dann, dass ich das auch nicht so genau weiß, aber, was ich glaube. Ich glaube, Gott ist wie eine Freundin, der ich einfach alles sagen darf. Zu der ich beten und sprechen kann, auch wenn ich mich ganz lange nicht gemeldet habe. Die bei mir ist, wenn es mir gut geht, aber auch wenn ich traurig bin oder etwas Schlimmes passiert. Dann ist Gott für mich da. Das fühlt sich dann ein bisschen an, als wäre ich nie allein und jemand hätte mich immer lieb, egal was ich gerade mache.

Brauchen Kinder überhaupt rationale Antworten?

Auf viele Fragen meiner Kinder brauche ich rationale Antworten, sonst fragen sie mir Löcher in den Bauch. In Bezug auf Gott und unseren Glauben? Nein, ich glaube, da muss das nicht sein. Wir Erwachsenen suchen rationale Antworten, weil wir ganz anders Gott (hinter)fragen, zweifeln oder auch enttäuscht sind. Der Glaube von Kindern ist ein anderer. Von Fünfjährigen nochmal anders als von Neunjährigen. Trotz aller Wissbegierigkeit können Kinder gut damit leben, wenn ich von „Gott ist wie“ erzähle. Das können Gefühle sein, Bilder oder Vergleiche. Sie machen sich dann schon ihr Bild von Gott, wie sie es vielleicht auch gerade brauchen.

Du hast beruflich viel mit Kindern in Kindergärten, Schulen oder in der Kinderkirche zu tun. Wie gehen Kinder deiner Erfahrung nach mit dem unsichtbaren Gott um? Fällt dir vielleicht sogar eine konkrete Situation bzw. eine Geschichte dazu sein?

Kinder können damit ziemlich gut umgehen, finde ich. Häufig ist Gott für Kinder auch der alte weiße Mann mit dem langen Bart, der auf einer Wolke im Himmel sitzt. Das reicht ihnen erstmal. Wenn wir Gottesdienste feiern, beteilige ich gern die Kinder. Ich finde es klasse, wenn sie erzählen, was sie glauben oder sich vorstellen, und die Erwachsenen zuhören. Zum Glück gibt es ja viele schöne Bilder in der Bibel von Gott. Zum Bespiel Gott als Hirte, der auf uns aufpasst und sicherstellt, dass wir nicht verlorengehen. Davon erzählte ich gerade, als ein Kind reinrief: „Hä? Das ist ja klar. Gott hat sich auch ausgedacht, dass es mich gibt und hat mich dann so gemacht, da muss er ja auch auf mich aufpassen.“

Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass meine Kinder oft gar nicht die eine allgemeingültige Antwort brauchen. Oft können mehrere Möglichkeiten oder Varianten nebeneinander existieren, ohne dass es sie stört. Können wir Erwachsene uns davon etwas abschauen – gerade hinsichtlich des Glaubens und seiner verschiedenen Formen?

Auf jeden Fall. Die Welt ist so hart, so ungerecht, so voller Hass. Wie sollen wir denn an einen Gott glauben, der es gut mit uns meint und allmächtig ist? Ich muss nur einmal meinen Feed runterscrollen und verliere den Glauben daran. Aber was, wenn Gott wie ein Hirte ist, der echt alles gibt, um auf uns aufzupassen, und dennoch passiert, was im Leben passiert? Wenn er uns liebt und will, dass es uns gut geht, aber nicht allmächtig ist? Wenn wir keine Schafe sind und von Gott einen freien Willen geschenkt bekamen? Das kann doch nebeneinanderstehen. Der Hirte und das Leben. Ich glaube, Gott ist nicht allmächtig, sonst hätte ich meinen Glauben verloren. Denn ein allmächtiger Gott, der uns liebt, würde nicht zulassen, was in dieser Welt oder auch in meinem Leben Schlimmes geschieht. Ich glaube, Gott liebt uns, nicht allmächtig. Aber ist an unserer Seite bei allem, was geschieht. Deshalb ist doch dieses Jesuskind geboren worden. Damit Gott spürt, was ein Mensch spürt, damit er Freude, Trauer, Ungerechtigkeit nachempfinden kann.

Bald ist wieder Advent, welcher uns auf Weihnachten vorbereiten soll. Den Weihnachtszauber liebt, glaube ich, jedes Kind! Was ist für dich eine kindgerechte Antwort auf die Frage: „Wieso feiern wir überhaupt Weihnachten?“

Das ist eine echt richtig schwere Frage! Weihnachten ist so ein komplexes Thema. Es überschneiden sich die biblische Geschichte, Theologie mit den Erfahrungen der Kinder und ihrer religiösen, kulturellen und kommerziellen Lebenswelt. Jedes Kind hat einen unterschiedlichen Zugang zu Weihnachten. Ich glaube, würde ich meine Kinder jetzt fragen, was Weihnachten wäre, dann würden sie laut „Gescheeeeenke“ rufen. Und das wäre ok. Dabei müssten doch Kinder einer Pastorin schön fromm antworten. Nein, Spaß, das müssen sie natürlich nicht. Die haben ja ihren eigenen Kopf.

Ich antworte Kindern auf die Frage, wieso wir Weihnachten feiern: „Gott hat uns Menschen so doll lieb, dass er uns ein Geschenk machen wollte. Dafür hat er Jesus auf die Erde geschickt. Das war ein ziemlich großes Geschenk. Jesus soll uns nämlich daran erinnern, dass Gott immer in unserer Nähe ist und weiß, wie wir uns fühlen. Weil er ja selbst mal ein Baby, ein Kind und Erwachsener war. Und weil das so schön ist, schenken wir uns auch alle etwas.“

Das Christkind ist für viele eine hinterlassene Strähne Lametta am Baum. Dazwischen mischt sich der Weihnachtsmann und Wichtel hinter winzigen Türen. Wie siehst du das als Pastorin: Ist es für dich eine Bereicherung oder zu weit weg vom eigentlichen Weihnachten?

Als ich Mutter wurde, da dachte ich, ich müsste das als Pastorin eng sehen. Das Christkind und sonst nichts. Aber um den Weihnachtsmann sind wir nicht drumherum gekommen, auch meine Kinder lieben das. Wieso sollte ich also den Kindern die Geschichten, Bilder oder Geheimnisse nehmen?

Was heißt: „Zu weit weg vom eigentlichen Weihnachten?“ Was ist das eigentlich: die Weihnachtsgeschichte von der Geburt im Stall? Dass Gott auf diese Welt kommt, so wie wir sind: ein bisschen dreckig, auf Schutz und die Liebe der Anderen angewiesen. Ja, das ist auch Weihnachten. Aber nicht nur. Ich finde, viel wichtiger als die Konkurrenz zwischen Christkind, Weihnachtsmann und Wichteln ist doch die Frage: Wie leben wir unseren Kinder Weihnachten vor? Und damit meine ich nicht, uns mit Traditionen und Aktionen zu überschütten, sondern wie wir gerade an Weihnachten uns selbst und anderen begegnen.

Weihnachten wird gefeiert, weil Gott erkannt hat, wir Menschen brauchen in dieser Welt jemanden, bei dem wir – weil wir einfach wir sind – geliebt und genug sind. Darauf können wir uns verlassen. Vielleicht wird erwartet, dass wir groß auftischen oder noch mehr für die Kinder vorbereiten. Dass die Wohnung sauber ist, wenn die Familie zu Besuch kommt und wir nach all dem Stress neben Beruf, Care Arbeit und Weihnachtsvorbereitungen auch noch strahlen. Kann gut sein. Aber dann ist da dieser Gott, der extra klein wie ein Menschenkind auf die Welt kommt und sagt: Alles ist gut! Denn du bist gut! Es ist genug, entspann dich.

Wie wäre es, wenn wir das für uns selbst verinnerlichen, wenigstens in diesen paar Tagen und damit auch Anderen begegnen? Mit diesem Blick und dieser Nachsicht? Die Bilder, die wir von der Krippe sehen, die sehen immer friedlich aus. Maria, als hätte sie eben nicht noch geblutet, geschrien und sich gefragt, wie es eigentlich so weit kommen konnte. Joseph, als hätte er eben nicht noch Sorge um Frau und Kind gehabt und mitgelitten. Als würde er sich nicht fragen, wieso er seiner Familie nicht mehr bieten kann. Das Kind, so sauber und rein. Als hätte nicht Blut an ihm geklebt, Reste von Fruchtwasser und die Windel sei nicht voll. Dann noch die Tiere. Die so unschuldig dreinblicken, als würden sie nicht riechen oder sich an Ort und Stelle erleichtern.

Man könnte sagen: alles eine fette Lüge. Aber ich möchte es so sehen: Maria und Joseph war es in dem Augenblick, in dem sie ihr Kind im Arm hielten egal, wo sie waren oder was sie dem Kind bieten konnten. Es war, wie es war und das hat gereicht. Weil Liebe wichtiger ist als Perfektion.

Wenn wir das so sehen können, vielleicht wird Weihnachten dann herrlich entspannt. Dann ist das Christkind nämlich nicht mehr nur die hinterlassene Strähne Lametta am Baum, sondern das Fundament von Weihnachten. Voll gut, dass es auch noch Unterstützung vom Weihnachtsmann und den Wichteln bekommt!

Wie ist es denn bei dir zu Hause? Kommt bei euch das Christkind und bringt die Geschenke?

Das habe ich versucht, aber die Kinder mochten die Geschichte vom Weihnachtsmann zu sehr, da wollte ich nichts um meinetwillen durchdrücken. Allerdings kam der Weihnachtsmann nicht zu uns in Kostüm und mit langem Bart, denn das war mir schon als Kind viel zu gruselig und meinem Sohn auch. Diese Tradition ließen wir schnell bleiben. Ein fremder Mann mit Maske, der plötzlich im Wohnzimmer steht, das musste zum Glück nicht sein. Stattdessen kommen wir vom Gottesdienst, ich zünde die Lichter am Baum das erste Mal an, unter dem die Geschenke liegen, und rufe: „Kinder, schaut mal, der Weihnachtsmann war da.“ Ich finde das eine schöne Tradition mit viel Zauber.

Vielen Dank, liebe Josephine, für die ehrlichen Antworten und den kleinen Einblick ins Pastorinnen-Leben. Wir wünschen dir und deiner Familie trotz all dem Vorweihnachtsstress eine besinnliche und friedvolle Adventszeit!

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