geschrieben von Josefine Herrmann @yes.itsyoga

Haus gekündigt, Auto verkauft. In einem Sabbatjahr suchten wir als Familie den Ort auf der Welt, an dem wir leben wollen.

„Einfach mal mit dem Camper ein Jahr durch die Welt reisen, das wär‘s doch!“, ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die diesen Gedanken schon mal hatte. Ich hatte ihn oft und immer wieder. Nicht nur das eine Mal im Mai 2021 auf Teneriffa, als ich mit meinem Mann auf einer Bank saß, vor uns Bananenplantagen und Avocadobäume und dahinter der Atlantik.

Wir waren hierhergekommen, weil uns als Familie der Lockdown und die strengen Regeln die Kinder betreffend, schwer zu schaffen gemacht hatten. Ich weiß, wir waren nicht die Einzigen, denen es so ging. Im ersten Lockdown waren wir in ein noch nicht fertig saniertes Haus gezogen. Zu einer Zeit, als sowohl die Spielplätze geschlossen hatten, als auch die Großeltern als Betreuung nicht mehr in Frage kamen. Wir waren ausgebrannt.

Und deshalb trafen wir eine Entscheidung für unsere Familie. Für den sehr schief hängenden Haussegen aufgrund der vielen Ansprüche, die in der Zeit an Familien gestellt wurden, hatte doch vor allem die Beziehung zu unseren Kindern gelitten. Wir packten kurzerhand die Koffer und verlegten Homeschool und -office in ein Ferienhaus auf Teneriffa.

Warum eigentlich nicht?

Es tat uns gut. So gut, dass wir ins Grübeln kamen: Ist das Leben, dass wir in Hamburg führen eigentlich das Richtige für uns? Ist es das, was wir uns immer vorgestellt oder gewünscht haben? Oder sind wir ganz langsam und schleichend zu Geiseln unserer eigenen Vorstellung von Familienleben geworden? Wie viel Einfluss haben die gesellschaftlichen Ansprüche auf uns? Wir stellten fest, dass wir ständig nur dabei waren zu reagieren, nicht aber zu kreieren. Wir gestalteten unser Leben nicht so, wie wir es wollten, sondern löschten ständig und immerfort nur irgendwo irgendwelche Feuer.

„Einfach mal mit dem Camper ein Jahr durch die Welt reisen, das wär‘s doch!“, sagte ich also zu meinem Mann, dort auf der Bank auf Teneriffa. Überraschenderweise antwortete er: „Ja, warum eigentlich nicht?“ Und dann fielen uns doch recht viele Dinge ein, die dagegensprachen: Geld, Schule, Jobs … um nur mal die großen zu nennen. Aber wir sind Team: „Wenn die Idee erstmal im Kopf ist, dann müssen wir das auch machen.“ Und so fingen wir an, uns zu überlegen, wie wir das realisieren könnten.

Eine Auszeit vom aktuellen Leben

Fast genau zwei Jahre später: April 2023. Ich sitze in einem Flugzeug irgendwo zwischen Bali und Singapur, die letzten zwei Monate unserer Reise liegen vor uns. Aus dem anfänglichen „Mit dem Camper durch die Welt“ ist nicht nur im Laufe der einjährigen Planungszeit, sondern auch im Laufe der Reise selbst etwas ganz anderes geworden: ein Sabbatjahr. Mit unseren drei Kindern. Eine Auszeit vom aktuellen Leben. Die Suche nach einem neuen Wohnort und das Ausprobieren verschiedenster Lebensstile.

Im Juli 2022 haben wir unser Haus gekündigt, unser Auto verkauft und sind jede Menge materiellen Ballast losgeworden. Den Rest (immer noch viel zu viel) haben wir in ein Lager gestopft und dann haben wir uns auf den Weg gemacht in unser persönliches Abenteuer. Der Plan: All die Orte abchecken, von denen wir immer glaubten, dass es sich dort auf jeden Fall besser leben lässt als in Hamburg. Die Route: Kanada, USA, Neuseeland, Australien, Bali, Mallorca. Bali kam erst dazu, als wir schon unterwegs waren, Mallorca hingegen hat schlussendlich nie stattgefunden.

Wir haben viel über uns und unsere Kinder gelernt

Nicht nur um des Budgets willen, sondern auch, weil wir so authentisch wie möglich Locals und ihre Art zu leben kennen lernen wollten, gestaltete sich unser Reisen zu einem Mix aus WWOOfing (Arbeit gegen Bett und Essen auf Biofarmen), Haus- und Pet-Sitting, Airbnbs, Camper, Hostels und Motels. So haben wir Erfahrungen gemacht, mit denen wir nie gerechnet hätten und die man niemals so hätte planen können: Wir haben in Kanada bei einer neunköpfigen Farmerfamilie im Wohnzimmer gelebt, haben in den USA Hunde in Häusern gesittet, die den Namen „American Dream“ durchaus verdient hätten, haben bei einer Schamamin in einem Camper ohne Strom, dafür mit vielen Mäusen gehaust, sind in Neuseeland bei einer schwierigen Familie und sehr viel Regen untergekommen, haben in Australien das Campen hassen gelernt und uns auf Bali in eine Schule verliebt.

Wir haben so viel über uns und unsere Kinder gelernt, wie in keiner anderen Phase unserer Lebens, konnten ehemalige Traumwohnorte als „passt für uns nicht“ von der Liste streichen und wir konnten loslassen: gesellschaftliche Anforderungen, materielle Statussymbole, überflüssige Beziehungen zu Menschen in der Heimat, toxische Vorstellungen von Glück, Konventionen, limitierende Glaubenssätze und noch so allerhand. All das hat seine Zeit gebraucht. Man hätte nicht einfach einen Schalter mit der Aufschrift „neues Leben ON“ drücken können. Es war ein Prozess. Es war eben eine Reise. Nicht nur physisch.

Man kann für alles Lösungen finden

Eine Reise, die jetzt, kurz vor ihrem Ende, schon zum Ziel gekommen ist: das Ausfindigmachen eines neuen Wohnortes. Wir werden auf Bali leben. Ein Jahr erstmal, aber man weiß ja nie. Denn wenn ich eins gelernt habe, ist es: Wenn man sein Herz für die Ungewissheit öffnen kann, dann ergeben sich immer wieder neue und wunderbare Möglichkeiten im Leben.

Diejenigen, die beim ersten Satz „JA, JA, JA“ gerufen haben, und denen gleich danach mindestens zehn ABERS in den Sinn gekommen sind, sei gesagt: Uns ging es nicht anders. Mit absoluter Sicherheit kann ich aber sagen: Man kann für alles Lösungen finden. Die sehen auf den ersten Blick vielleicht nicht so aus, wie man es sich vorgestellt hat, aber Lösungen sind es trotzdem!