Es sind einige Jahre vergangen seitdem ich das erste Mal auf einer Babymesse war. Ich war als Besucherin dort, als ich von einer Frischepartnerin angesprochen wurde. Obwohl es eher meine Freundin war, die angesprochen wurde, da sie an der Hautkrankheit Rosacea leidet und man es ihr offensichtlich (sobald man sich ein wenig damit auskennt) ansieht. Für mich ist sie einfach meine Freundin, die immer ein wenig rot im Gesicht ist. Für die Frischepartnerin ist sie eine neue Kundin gewesen, die im besten Fall nicht nur Produkte der Frischekosmetik Ringana kauft, sondern sie auch verkauft. Ein gefundenes Fressen. Und sie tat es, sie tat beides – kaufen und verkaufen. So wie tatsächlich einige andere Freundinnen und Bekannte, mit denen ich seitdem viele Gesprächsthemen meide. Denn Multi-Level-Marketing ist alles, aber nichts für mich… 

Manche wollen kein “Nein” verstehen

Viele Monate später standen auch bei mir die ersten Produkte der österreichischen Firma Ringana im Kosmetikschrank. Nachdem ich wirklich von vielen Seiten hörte, was für ein Wundermittel dieses Ringana doch sei, wollte ich es selbst ausprobieren. Also bestellte ich ein paar Produkte: Zahnöl, getönte Tagescreme und Shampoo. Ich bezahlte viel Geld und testete mich wenige Tage später durch schöne Glasflaschen, die nachhaltig verpackt bei mir zu Hause ankamen. Es stank ein wenig beim ersten Auftragen, doch ich gewöhnte mich schnell an den unparfümierten Geruch der frischen Kosmetik. Diese heißt so, weil die Produkte nicht erhitzt werden und somit auch nur kurz haltbar sind. 

Gar nicht so schlecht, sagte ich mir selbst beim Auftragen und leider auch einer mir bekannten Frischepartnerin, die mir seitdem andauernd Nachrichten schrieb, dass ich perfekt in ihr Team passen würde. Zuerst sagte ich noch freundlich „Nein, danke. Ich habe kein Interesse an einer weiteren Tätigkeit.“ Doch irgendwann wurde sie forscher – und ich auch. Zu dieser Zeit ploppten auch in meinem Nachrichtenpostfach auf Instagram jeden Tag Anfragen von Ringana-Partner*innen auf. Das Unternehmen der Frischekosmetik nennt diese Frischepartner*innen. Übrigens gibt es nicht nur weibliche Frischpartner*innen sondern auch männliche, die (auch wenn mir keiner bekannt ist) sogar besonders erfolgreich sein soll. Persönliche Empfehlungen von Männern werden wohl eher gefolgt – so der Wortlaut aus dem Ringana-Netzwerk, in dem ich mich für diesen Artikel umgehört habe. 

Meine böse Zunge würde nun behaupten, dass viele der Frischepartner*innen nicht ganz so frisch sind. Denn man sollte merken, wenn ein „Nein“ Nein bedeutet. Sobald Mann oder Frau von dem Unternehmen frisch gemacht wurde, verliert man jedoch jedes Feingefühl und jede Distanz. So meine Erfahrung. Und wer bei einem solchen Unternehmen arbeitet, arbeitet profitorientiert. Das ist nichts besonderes in unserer Gesellschaft, aber zwischenmenschliche und moralische Werte, die können da schon mal verloren gehen.

Was sagt Ringana?

Nach Gesprächen in meinem Umfeld wurde mir klar, dass das nicht nur meine Erfahrungen sind, sondern auch die meiner Mitmenschen. „Ringana? Ach die, die so aufdringlich sind. Da habe ich keine Lust drauf.“ hörte ich immer wieder. Ich fragte mich: Warum ist das so? Wieso setzt ein Unternehmen, dass gute Produkte anbietet, auf so schlechtes Marketing? Ist die Unternehmensphilosophie: Schlechte Presse ist auch Presse? Um Antworten zu bekommen, fragte ich bei Ringana nach. Auf meine Mail bekam ich sofort einen Anruf des Krisenmanagements. Zögerlich und verspätet kamen dann die Antworten auf einem gestempelten Pressebriefbogen. Eher allgemein und von verschiedenen Abteilungen des Unternehmens gegengezeichnet wurde mir auf die – zugegeben kritischen – Fragen Antwort gegeben. 

Wie kann ich Ringana-Frischepartnerin werden? Muss ich Vorkenntnisse im Bereich Kosmetik haben? Werde ich geschult und geprüft? 

Unsere Partner*innen betreiben Empfehlungsmarketing, also keinen Verkauf. Sie empfehlen Ringana-Produkte aus der eigenen Erfahrung heraus. Sie sind selbstständige Unternehmer*innen. Ringana bietet laufend kostenlose Schulungen und Einführungen in die Produkte an. Partner*in zu werden ist sehr einfach. Eine Anmeldung über die Website des Unternehmens ist jederzeit möglich. Oder die neuen Partner*innen besuchen ein Info-Event und melden sich dort als selbstständige Unternehmer*in an. Nach der Anmeldung erhalten die neuen Partner*innen neben einem Starterset, mit allen wichtigen Informationen, auch den kostenlosen Zugang zur Ringana Online Academy mit allen wichtigen Schulungsunterlagen. Die Anmeldung der Partner*nnen ist ohne Einsatz von Startkapital möglich. Die Partner*nnen entscheiden selbst, wie viel Zeit und Energie sie für das Empfehlungsmarketing der Ringana-Produkte aufwenden wollen. 

Stufe 10

Auch ich habe den Eindruck, dass es sehr einfach ist, Frischepartnerin zu werden. Ringana zu empfehlen ist einfach, doch muss man sich nicht wirklich mit Kosmetik auskennen? Sollte man meinen. Gibt es nicht Ausbildungen, wie den des/der Kosmetiker*in, die zum Teil jahrelang geschult werden, um genau zu wissen wie Produkte im Detail wirken? Ja, gibt es. Kann es sonst nicht gefährlich werden? Ja, kann es. Doch auch Frischeparter*innen werden geschult, online in der Academy, in der sie sich mit ihren Mentor*innen treffen. Insbesondere sollen Frischepartner*innen in diesen Schulungen lernen, sich und die Produkte besser zu verkaufen. Mit einer führenden Frischepartnerin und gleichzeitig auch Mentorin von vielen anderen habe ich gesprochen. 

Hier sollte nun eigentlich ein Interview veröffentlicht werden, in dem ich erfahren wollte, wie bei Ringana gearbeitet wird. Doch Ringana ist eingeschritten und hat der Frischepartnerin in Stufe 10 verboten, mit mir zu sprechen. Ich frag mich, warum. 

Stufe 10 ist übrigens die höchste Stufe, die bei Ringana erreicht werden kann. Es ist sozusagen das Ziel, auf das alle hinarbeiten, die nach Erfolg und Provision streben. Denn so verdient man beim Multi-Level-Markting sein Geld. 

Ringana selbst sagt: „Ein Anwerben neuer „Mitglieder“ ist kein Muss-Kriterium, die Empfehlung von Produkten steht im Fokus. 

Transparentes Provisionssystem: Ringana Vertriebspartner*innen können ihren Erfolg selbst steuern. Es gibt einen einheitlichen Vergütungsplan, der für jeden nachvollziehbar ist und der alle gleich und fair behandelt.“ 

Dieser Vergütungsplan zeigt auf, dass man je nach Stufe anders beteiligt wird und wie viel die Frischepartner*innen der Ebene über einem verdienen. Denn die nächste Stufe ist immer die interessantere, auch wenn das vielen Partner*innen gar nicht so klar ist. 

Achtung:

Konkret sieht das so aus, dass man, um überhaupt Geld zu verdienen, 110 Punkte im Monat erreichen muss. Sobald 110 Punkte kassiert wurden, durch Verkäufe von Produkten, klingelt die imaginäre Kasse und man verdient 19 Prozent Provision – neuerdings kann man diese nicht nur in Gutscheinen, sondern auch in Geld auszahlen lassen. 

Es sei denn… es wird nur ein Punkt weniger erreicht: Dann verliert die/der Frischepartner*in die anderen 109 Punkte und fängt im nächsten Monat wieder bei Null an. Gerecht? Ringana würde vermutlich sagen, es ist anspornend. Ich würde sagen unfair. Eine konkrete Auflistung von Verdiensten (die je nach Stufe variieren) zeige ich euch hier. Doch, wieso man der nicht unbedingt Glauben schenken sollte, erfahrt ihr gleich.

Was sagen ehemalige Partner*innen?

Da es für mich schwierig wurde mit noch tätigen Frischepartner*innen zu sprechen, habe ich mich an zwei gewendet, die nicht mehr im Unternehmen arbeiten. 

Wie viel Geld hast du mit deiner Tätigkeit als Frischepartnerin pro Monat verdient? 

„Die ersten drei Monate bekommt man kein Geld. Da wird das Gehalt in Gutscheinen ausgezahlt. Die ersten Monate vertreibt man eher im Familien- und Bekanntenkreis. Danach habe ich es nie in eine Stufe geschafft und wurde weiterhin mit Gutscheinen bezahlt.“

Was kann man maximal im Mont verdienen, wenn man auf einer der höchsten Stufen ist? 

„Level 10 ist die höchste Stufe, die man erreichen kann. Da ist ein Verdienst von 15.000 Euro im Monat möglich. Es kommt auf das Team an, welches man gebildet hat.“

Doch in Gesprächen mit verschiedenen hochrangigen Personen kam auf, dass in Stufe 9 und 10 ein monatliches Bruttoeinkommen von 40.000 Euro kein Problem sei. Okay. So transparent wie sich Ringana verkauft, ist die Marke vielleicht gar nicht, wenn es keine klaren Einsichten der Verdienstmöglichkeiten gibt. Wenn untereinander nicht klar ist, dass das Gefälle beim 40-fachen (!) Einkommen liegen kann. Denn als Vergleich: Partner*innen, die bei Ringana in Stufe 4 arbeiten, verdienen um die 1000 Euro brutto im Monat.

Und wie erreicht man diese hohen Summen? Viele Leute einsammeln, die für einen um den Block fahren – oder auch die Social Media Kanäle derer anschreiben, die bereits eigene Reichweite haben. Vielleicht überspringt man so dann doch die ein oder andere Stufe?

Die Jagd nach “Mehr”

Eine der von mir befragten ehemaligen Frischepartner*innen sagt: „Die Zusammenarbeit von Frischepartner*in und Mentor*in kann auf Augenhöhe und wertschätzend stattfinden. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, da ich nicht allzu aktiv geworben habe, wie es vielleicht erwartet war, dass hier Druck aufgebaut wurde, der mir den Spaß genommen hat. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass es Voraussetzung ist, dass man nur positiv und nicht auch mal kritisch das Unternehmen und die Produkte bewertet. Aber authentische Arbeit funktioniert meiner Meinung nach nur in einer Betrachtung aller Seiten, und die darf eben auch Kritik enthalten. Das wurde bei mir allerdings nicht konstruktiv behandelt. Man hat sehr schnell ein Teamgefühl, und so lange man nichts kritisch hinterfragt, kann man eine richtig gute Zeit haben.“

Multi-Level-Marketing ist bekannt als Hausfrauenbusiness. Die Geschichte, Vorgehensweisen und das Prinzip hinter Multi-Level-Marketing erklären wir euch in diesem Beitrag. Dieses Konzept ist kein neues – und wir alle kennen bestimmt jemanden, der oder die schon in dieser Branche arbeitet oder gearbeitet hat. Ob Plastikschalen, Küchenmaschinen oder ätherische Öle. Verkaufen über Empfehlungen von Freund*innen ist ein nettes Geschäft. Etwas, dass in erster Linie nicht verrufen werden kann, solange es eben nicht kippt – ob durch Vertrauensmissbrauch, die Intensität der Bewerbung oder die Jagd nach „Mehr“.

Das Problem mit der Verträglichkeit

Ich habe bei meiner Recherche zu Ringana gelesen, dass es trotz natürlicher Inhaltsstoffe des öfteren Probleme mit Unverträglichkeiten gibt. Etwas, was bei Naturkosmetik keine Seltenheit ist. Denn so gut frische Kosmetik auch für die Haut und die Gesundheit und auch die Umwelt sein kann, kann sie eben auch reizen. Natur ist nämlich oftmals aggressiver als Chemie. Doch ich wollte von Ringana selbst wissen, wie sie mit Kritik an ihren Produkten umgehen…

„Grundsätzlich stellt Ringana Produkte her, die sich durch die Verwendung von hoch antioxidativen Wirkstoffen aus der Natur auszeichnet und auf den Einsatz künstlicher Konservierungsstoffe verzichtet. Unsere Produkte werden im hauseigenen Labor entwickelt und getestet. Jedes Produkt weist selbstverständlich die verwendeten Inhaltsstoffe aus und erläutert die richtige Anwendung. Zusätzlich finden sich auf der Website alle wichtigen Hinweise. Sollte es zu Unverträglichkeiten kommen und diese an unsere Partner*innen, oder direkt an unser Unternehmen, gemeldet werden, gehen wir dem selbstverständlich nach. Die Kosten für das Produkt werden selbstverständlich ersetzt. Generell agiert Ringana bei Reklamationen sehr kulant.“

Klare Worte

Kulant reagierte auch ich, die darüber hinweggesehen hat und hinwegsehen wird, dass mich nette Menschen in meinem Umfeld immer wieder mit Ringana nervten oder nerven. Und es nervt wirklich. Ich habe mir angeeignet, dass ich sage, dass ich die Produkte größtenteils mag, aber auch Bescheid weiß, wie das Unternehmen funktioniert und kein Interesse daran habe, mehr zu erfahren. Klare Worte helfen mir, Abstand zu halten. Bei Instagram oder in meinen Mails klicke ich dafür sofort weg, wenn wieder eine sehr höfliche, aber offensichtliche Nachricht kommt, dass mit mir Geld verdient werden will.

Auch, wenn ich nach wenigen Monaten „Gutscheinen“, die ich verdiene, Geld einnehmen kann. Auch, wenn mir diese ab einer bestimmten Summe ausgezahlt werden – ich sehe mich nicht in der Arbeit als Teameintreiberin. Und das ist der einzige Weg, wie sich die Arbeit im Multi-Level-Marketing lohnt – in dem man schnell viele Menschen von etwas begeistert, was ganz oft gar nichts kann.

Mit einer Freundin sprach ich letztens über meine Recherche zum Multi-Level-Marketing und sie, selbst Frischepartnerin, sagte mir, dass Ringana das beste Multi-Level-Marketing ist, was sie kennt. Sie hat da schon ganz andere Storys gehört. Ich auch, muss ich sagen. Und doch ist es für mich auch hier unheimlich, welche Summen und Strategien hinter meiner natürlichen Tagescreme stecken, die wirklich richtig gut wirkt, aber ein wenig nach Arsch riecht.