Partnerschaft beginnt bei mir

Ich bin eine liebevolle, emphatische und fürsorgliche Partnerin in so vielen Beziehungen. Meinen Freundinnen (heimlich wünsche ich mir, ich könnte auch männliche Freunde nennen und eine der Frauen sein, die viele männliche Freunde hat, aber – seien wir ehrlich – ich bin es definitiv nicht) bin ich eine treue und unterstützende Freundin, meinem Mann bin ich eine lustige (definitiv sehr lustige) und liebevolle Partnerin, meinem Sohn bin ich eine liebevolle und bestärkende Mama, meinen Eltern eine tatkräftige und kümmernde Tochter und meinen Arbeitskolleg*innen (definitiv auch eine Form der Beziehung und Partnerschaft) eine emphatische und helfende Kollegin. Nur mit mir selbst – da hapert es. Mir selbst gegenüber bin ich nicht so liebevoll, emphatisch und fürsorglich. Mit mir selbst führe ich keine ganz so unterstützende und wertschätzende Beziehung. Dabei fängt es doch da gerade an, oder? 

Partnerschaft = Partner sein 

Der Duden definiert Partnerschaft als das Partnersein. Ein*e Partner*in sein, das beinhaltet also ganz schön viel Aktionismus. Kein Problem, denke ich mir im ersten Moment, ich bin ja eine prima Partnerin: Ich gebe viel, ich kümmere mich viel, ich liebe viel – ihr versteht. Von meinen Partner*innen (ich beziehe hier all meine emotionalen Beziehungen mit ein) bekomme ich diesbezüglich positive Rückmeldungen. Nichtsdestotrotz würde ich auf einer Skala von eins bis zehn beim Punkt Beziehungen eher eine acht ankreuzen. An schlechten Tagen eine sieben, an guten eine acht.

Aus Interesse: Welche Punktzahl vergebt ihr hier?

Eine acht an guten Tagen, obwohl ich mich selbst als prima Partnerin bezeichne und stabile und erfüllende Beziehungen führe? Warum fühlt sich das dann nicht nach einer zehn an? 

Was ist mit der Beziehung zu mir selbst?

Ich gebe viel, ich kümmere mich viel, ich liebe viel und ich erwarte ebenso viel. Wenn nicht sogar mehr. Wenn ich so viel gebe, so viel Zeit und Liebe, dann erwarte ich mindestens ebenso viel Zeit und Liebe und Aufmerksamkeit. Wenn nicht sogar mehr. Dass das nicht besonders gesund klingt, wird mir in vollem Ausmaß erst beim Schreiben dieser Zeilen bewusst. Es klingt nicht nur nicht besonders gut und gesund, sondern, seien wir ehrlich, sehr egoistisch. Und ebenso unrealistisch, das weiß ich. Eigentlich. 

Es ist insofern unrealistisch und ungesund, als dass ich die wichtigste Person in dieser ganzen Beziehungskiste vergessen habe: mich selbst. Ich möchte mir selbst auch eine gute Partnerin sein. Ich möchte mir selbst eine ebenso liebevolle, emphatische und fürsorgliche Partnerin sein, wie ich es meinen liebsten Menschen bin. Und vor allem möchte ich mir selbst Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit schenken, um dieses innerste Bedürfnis selbst stillen zu können und diese ungeheure Anforderung an keinen anderen Menschen stellen zu müssen. Aber ich tue es noch nicht. Ich hoffe, dass jemand dieses Bedürfnis für mich stillt, dass mein Partner das für mich übernimmt und mich mit so viel Liebe, Zeit und Fürsorge überschüttet, dass ich ausgefüllt bin.

Wie kann ich mir diese Liebe geben?

Rückblickend würde ich sagen, dass an dieser Erwartungshaltung und meinem unbefriedigten Gefühl nach Liebe und Fürsorge mindestens eine Liebesbeziehung und eine Freundschaft zerbrochen sind. Ich hatte stets das Gefühl, ich würde durch den oder die andere in der Beziehung nicht ausreichend geliebt und umsorgt und hatte einen wahnsinnigen Anspruch, gerade weil ich mich selbst als eine sehr gute Partnerin ansehe. Diese Erwartungshaltung bringt natürlich so viele Fallstricke mit sich, sodass im Endeffekt keine*r glücklich werden kann. Ich hatte stets das Gefühl, dass ich durch meinen Partner nicht ausreichend liebevoll umsorgt wurde bzw. dass ich ihm mehr Aufmerksamkeit und Liebe gebe als er mir. Dabei bin ich die diejenige, die sich selbst nicht genügend liebevoll umsorgt. 

Ich weiß natürlich, dass Beziehung immer auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst ist, dass man kontinuierlich wächst und lernt und sich entwickelt. Partnerschaft ist keine Gleichung, auf der permanent auf beiden Seiten die gleiche Zahl stehen muss. Vielleicht sollte ich erstmal auf meiner Seite der Gleichung beginnen? Wirklich hinschauen, auch wenn’s unangenehm ist und im Alltag auch so furchtbar unpraktisch, weil die Zeit doch eh so knapp ist und wer will sich denn schon freiwillig und wirklich tiefgreifend mit sich selbst beschäftigen? 

Schlaue Menschen sagen: Das muss sein. Das muss sein, wenn wir in einer erfüllten Partnerschaft leben möchten; da fängst du erstmal mit der Beziehung zu dir selbst an. Ich sage bisher eher: Klar, ein bisschen Yoga hier, ein bisschen Hautpflege da, das mache ich. Aber die emotionale Unterstützung, die ich meinen Freundinnen entgegenbringe? Die Liebe, die ich meinem Partner schenke? Den Mut, den ich meinem Sohn mitgebe? Das verwehre ich mir selbst. Da bin ich anscheinend geizig mit mir selbst, das gönne ich mir nicht. Und genau hier muss und möchte ich zukünftig hinschauen, wenn es um das Thema Beziehung und Partnerschaft geht.

Das Partner-Sein

Seid ihr gute Partner*innen? Also ganz im Sinne der Duden-Definition: Seid ihr gut im Partner-Sein für eure*n Lebenspartner*in? Für eure Freunde (falls ihr zu den von mir beneideten Frauen mit männlichen Freunden gehört) und Freundinnen? Und für euch selbst? Seid ihr euch selbst ein*e gute*r Partner*in? Super gut, wenn ihr hier ja sagen könnt. Dann möchte ich bitte alle Tipps von euch haben, wie ihr das schafft und wie ihr das genau umsetzt. Wenn ihr euch eher als so semi gut im Partnersein für euch selbst anseht: Welcome to the Club. Was machen wir denn da am besten?

Ich habe mir mal die folgenden Dinge überlegt: 

  1. Ich kann unfassbar schlaue Ideen und Anstöße für die kleinen und großen Lebenskrisen anderer geben und ich zeige dabei immer vollstes Verständnis, egal wie groß oder klein die Krise überhaupt ist. Bei mir selbst sage ich bisher immer: Stell dich nicht so an.
  2. Wenn sich mein Partner, mein Sohn oder meine Freundinnen in einer anstrengenden Phase befinden oder es ihnen aus irgendeinem Grund nicht gut geht, kümmere ich mich liebevoll um sie. Ich gebe ihnen alle Zeit der Welt, ich koche ihnen was Gutes, ich verschenke eine Kleinigkeit, ich umsorge sie. Das will ich mir selbst auch gönnen. 
  3. Ich spreche immer liebevoll und wertschätzend mit und über meine liebsten Menschen, mit denen ich enge Beziehungen führe. Mit mir selbst bin ich so hart und unfassbar streng. Jeder Mensch, der schon mal mit gewaltfreier Kommunikation auch nur im Entferntesten zu tun hatte, weiß, dass das, was ich in Selbstgesprächen fabriziere, am anderen Ende des Spektrums ist. 
  4. Bevor ich noch mehr Baustellen aufmache, beginnen wir vielleicht erstmal mit den oben genannten Punkten. 

Handelnde Selbstliebe als Voraussetzung

Ich meine nicht Selbsthass, wenn ich von fehlender Selbstliebe schreibe und welche Auswirkungen das auf alle Partnerschaften hat. Es ist ja nicht so, als fände ich mich per se richtig blöd. Und trotzdem fällt es mir schwer zu sagen: Ich liebe mich. Und noch schwieriger finde ich es, dieser Aussage auch in meinem Handeln nachzukommen. Also wirklich so zu agieren, wie ich es in meinen sonstigen Beziehungen zu tun pflege: dem Partner-Sein nachzukommen, in dieser unfassbar wichtigen Partnerschaft mit mir selbst.