geschrieben von Eefke / @meerwaerts_

Die ersten richtigen Wehen

11.03.2020 – neun Tage sind verstrichen, seit dem errechneten Geburtstermin. 

Ich bin ziemlich tiefenentspannt. Alle zwei bis drei Tage werde ich zur Sicherheit im Krankenhaus untersucht. Das macht mir keine Sorgen, denn ich vertraue: Dieser kleine Mensch macht das schon richtig. Sie ist noch nicht bereit, ihr erstes Zuhause zu verlassen und das ist auch ok. Es ist ungefähr 2 Uhr nachts, als ich am 11. März aufwache und mich freue: „Hallo, du erste richtige Wehe!“ denke ich mir und versuche, ruhig weiter zu atmen. 

Leichte Wehen war ich aus den letzten Tagen gewohnt, doch diese war anders. Selbst wenn ich wollte – ich könnte euch das explizite Gefühl oder den Schmerz, den man ja automatisch erwartet, jetzt nicht mehr beschreiben. Die ganze Schwangerschaft freute ich mich auf das Erlebnis der Geburt. Nie hatte ich Angst oder Zweifel, das nicht schaffen zu können. – An dieser Stelle geht wohl auch ein Dank an meine eigene Mama. Die erzählt mir nämlich, seit ich denken kann, jedes Jahr an meinem Geburtstag, von der anstrengenden, aber so schönen Geburt von mir. – Aber das nur am Rande. 

Wie ging es denn nun weiter? Erst einmal startete ich einen Versuch, wieder einzuschlafen. Zu realisieren, dass das wohl nicht mehr möglich sein wird, dauerte etwa zehn Minuten. Der Abstand bis zur nächsten Wehe. So ging es also die ganze Nacht weiter. Mal mit zehn Minuten Pause, hin und wieder auch mal mit 20 Minuten. Torben wachte gegen 5 Uhr kurz auf und fragte, ob mit mir alles in Ordnung sei. Ja, es war alles in Ordnung. Immerhin schien sich jemand ganz langsam auf den Weg zu uns machen zu wollen! 

Zur Kontrolle ins Krankenhaus

Noch vor dem Frühstück sollten wir zur Terminvereinbarung der nächsten Kontrolle im Krankenhaus anrufen. Nachdem ich kurz meine Nacht schilderte, entschieden die Hebamme und ich, dass ich nachmittags zum CTG Schreiben kommen sollte. Bis dahin nahm die Intensität der Wehen immer weiter zu. Während des Frühstücks stand ich regelmäßig auf, lehnte mich an die Küchenzeile, atmete die Wehe so gut es ging weg und setzte mich wieder. Es fühlt sich so nah und gleichzeitig so weit weg an, dass jetzt so zu schreiben. Aber ich erinnere mich, dass Torben und ich uns zu diesem Zeitpunkt noch sehr darüber amüsierten, wie ich da so stand und versuchte, während der Wehe nicht die Luft anzuhalten…

Dem Termin im Krankenhaus fieberte ich förmlich entgegen und wir packten sicherheitshalber unsere Sachen, falls man uns dortbehalten möchte. Das war ziemlich optimistisch gedacht, denn während des CTGs hatte ich NICHT EINE EINZIGE WEHE! Ich kam mir kurzfristig ganz schön doof vor und fragte mich, ob ich meinen Körper und den Prozess vielleicht doch falsch einschätzte und die Geburt noch lange nicht im Anmarsch war. Ein bisschen gefrustet und demotiviert liefen wir in die Stadt, um dort einen Kaffee zu trinken. Es war ja anscheinend noch lange nicht so weit, also versuchte ich die Wehen weiterhin so zu nehmen, wie sie kamen und das Gesicht dabei möglichst wenig zu verziehen. 

Erstmal ein Käffchen

Das Café gehört einer Freundin und wir trafen lauter Freunde und Bekannte. Die meisten stellten die nicht besonders beliebte Frage: „Wie, du bist immer noch schwanger?!“ Auch eine befreundete Gynäkologin war mit einer Freundin da und hat mich wohl immer wieder aus dem Augenwinkel beobachtet. Sie kam ein paar Tage nach der Geburt zu mir: „Mensch Eefke, was hast du schon gearbeitet an diesem Nachmittag. Natürlich habe ich gesehen, wie es dir geht. Aber ich wusste auch, du suchst dir Begleitung, wenn du sie brauchst.“ Das hat mir im Nachhinein ein sehr gutes Gefühl gegeben. Ich habe mich gesehen gefühlt. Denn nach dem Besuch im Krankenhaus war ich der Meinung, dass diese bisherigen Schmerzen wohl nicht einmal den Anfang der Fahnenstange markierten. 

Als wir einen Kaffee, zwei Stückchen Kuchen und eine große Hunderunde später wieder in der Wohnung ankamen, war es etwa 19 Uhr. Torben begann für uns zu kochen – Bruschetta und Pasta mit Gemüse –, während ich die Augen ein wenig schließen wollte. Mich auszuruhen für das, was eventuell in den nächsten Stunden noch auf mich zukommen würde, konnte keine schlechte Idee sein. Diese Phase des Ausruhens musste ich leider überspringen, da die Intensität der Wehen immer weiter zunahm. Das Blöde an der Sache waren deren Abstände. Immer konstant zwischen zehn und zwölf Minuten. 

“…es ist dein erstes Kind. Da kann man sich gar nicht zu spät auf den Weg machen…“

Ich fragte Torben, wie lange das nun wohl so gehen würde und seine Prognosen waren nicht unbedingt ermutigend, auch wenn ich die gleichen Befürchtungen hatte. Auf die Uhr hatte ich nicht geschaut, aber ich schätze, es war gegen 20:30 Uhr, als ganz plötzlich zwei Wehen innerhalb von sechs Minuten anrollten. Langsam verkürzten sich die Pausen, so dass wir gegen 21:30 Uhr im Krankenhaus anriefen und fragten, wann wir uns auf den Weg machen sollten. 

Ich war mittlerweile so mit dem Atmen und mit mir beschäftigt, dass ich diese Aufgabe an Torben abgeben wollte. Die Hebamme am Telefon wollte aber viel lieber mit mir sprechen: „Wie geht es dir denn, Eefke? Fühlst du dich Zuhause noch sicher aufgehoben?“ – „Ja, ich bin lieber hier als im Krankenhaus“, entgegnete ich. „Ok, das kann ich verstehen. Dann fahrt los, wenn sich dein Gefühl ändert. Mach dir keine Sorgen, es ist dein erstes Kind. Da kann man sich gar nicht zu spät auf den Weg machen…“

„Da kann man sich gar nicht zu spät auf den Weg machen.“ – Na klar, wir hatten auch vor der aktuellen Situation nichts anderes gehört. Das erste Kind braucht normalerweise etwas länger… Gegen kurz nach 10 klingelte es an der Tür und meine „Stiefmama“ kam zur Hundeübergabe. Wir standen noch kurz gemeinsam im Wohnzimmer und spekulierten über den weiteren Verlauf. Torben trug noch schnell den Futtersack mit zum Auto, während ich von enger Leggings auf Jogginghose umschwenken wollte. 

Plötzlicher Endspurt!

Es lässt sich schwer in Worte fassen, was wenige Minuten später geschah. Wie einen Stich spürte ich einen Schmerz, der für mich nichts mit dem davor Erlebten zu tun hatte. Zuordnen konnte ich es in dem Moment nicht. Heute weiß ich, dass ich den Startschuss für die letzte Phase der Geburt noch in der Wohnung erlebte. Nicht nach vielen Stunden im Krankenhaus. Nicht in der Geburtswanne, wie ich es mir monatelang ausgemalt hatte. Nicht kurz vor Erreichen des Kreißsaals. Nein, ich erlebte all das genau hier. Alleine im Badezimmer. 

Als Torben die Treppen wieder hochkam, habe ich kaum noch ein Wort über die Lippen bringen können. Wo waren die Wehenpausen auf einmal hin? Es fühlte sich an wie ein durchgehender Schmerz, der meinen Körper voller Überzeugung nur zu einer Sache aufzufordern versuchte: Pressen. Doch das konnte nicht sein, nicht jetzt schon. Torben reagierte, als hätte er für genau diese Situation in seinem Leben bereits unzählige Male trainiert. Völlig ruhig und gelassen gelang es ihm irgendwie, mich ins Auto zu setzen, nachdem ich bereits lautstark protestiert hatte und „… nirgends mehr hingehen wollte.“ 

Knapp zehn Minuten Fahrt erstreckten sich wie eine Ewigkeit. An einer roten Ampel stehend, versuchte ich möglichst wenig panisch zu sagen: „Hier stimmt irgendwas nicht. Ich MUSS pressen und ich kann nichts dagegen tun. UND ICH FÜHL DEN KOPF!“ Torben war durch nichts aus der Ruhe zu bringen: „Versuch zu atmen, ich bin bei dir.“ Kurz danach fragte er mich um meine Erlaubnis, den Notfallparkplatz am Krankenhaus für den Kreißsaal nutzen zu dürfen. Meine Reaktion war mehr als deutlich. Ich wollte nicht, dass er irgendwo in der Nähe parkt, ich wollte am Liebsten, dass er IM Kreißsaal parkt. Wir hatten Glück. Ein Parkplatz gegenüber vom Haupteingang. 

8 Grad Celsius und 22:54 Uhr

Ab hier kann ich, selbst wenn ich wollte, nicht mehr jedes Detail wiedergeben. Es kam mir vor wie in einem Film. Jegliche Bemühungen, mich zum Eingang zu bewegen, scheiterten. Wann genau Torben die Hebamme im Kreißsaal kontaktierte und wann wir zusätzliche Hilfe von einer uns unbekannten Frau erhielten – ich habe keine Ahnung mehr. Ich lehnte an unserem alten Golf und schrie wohl quer durch die Stadt, dass ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen und dieses Kind nun hier auf die Welt bringen würde. 

Was soll ich schreiben – gesagt, getan. Torbens Hand lag beruhigend auf meiner Schulter, als wenige Sekunden später die Fruchtblase sprang. Wobei das Wort „sprang“ hier weniger passt als der umgangssprachliche Begriff des „Platzens“. Im gleichen Moment berührte meine Hand den Kopf meines Kindes und die Hebamme eilte aus dem Krankenhaus. Sie stellte sich an meine andere Seite. Als hätte sie mit Torben trainiert, gab sie mir innerhalb von Sekunden das Gefühl von Geborgenheit und stellte sich sogar noch mit Namen vor. Bei acht Grad Celsius, um 22:54 Uhr im Oldenburger Nieselregen. Und ich weiß wirklich nur noch, dass ich einen Wimpernschlag später unser Kind in meinen Händen hielt. Ich schaute rüber zu Torben, drückte diesen kleinen Menschen an meine Brust und flüsterte ihm zu: „Jetzt sind wir Eltern…“

Mehr von und über Eefke und ihr Familienleben mit Mann, Kind und Hund, seht ihr hier.