geschrieben von Josefine Herrmann @yes.itsfine

Ich hatte doch alles, was ich wollte. Den Mann, genau den, den ich so unfassbar toll fand, dass ich mein Glück kaum fassen konnte, als er vor mir auf die Knie ging. Der tollste, coolste, bestaussehendste Mann, den ich auf der ganzen Welt kannte, wollte ausgerechnet mich heiraten!

Als wir das nach 11 Monaten Beziehung in die Tat umsetzten, war ich nicht nur der glücklichste Mensch auf dem Planeten, nein, ich dachte auch, besser kann es nicht werden. Und obwohl wir nach kurzer Zeit zwei absolute Wunschkinder bekamen, hatte ich damit irgendwie recht. Denn mit den Kindern kam die Verantwortung und wir bekamen es schlichtweg nicht hin, unsere unkonventionellen Einstellungen, für die wir uns selber so abfeierten, mit in das neue Leben zu nehmen.

Was war aus uns geworden?

Und so befand ich mich mit 27 Jahren auf dem Weg zu einer Paarberatung und bekam es einfach nicht in meinen Kopf. Wir? Wirklich wir? Das Paar, das die coolste spontane Hochzeit ever gefeiert hat. Das Paar, von dem alle dachten: Die wissen was sie wollen und sind super mutig. Das Paar, das so heftig verliebt war, dass sie keinen Moment abwarten konnten zu heiraten und eine Familie zu gründen?

Mein Weltbild war zerstört. Ich war gescheitert, wir waren gescheitert. Kurz vor der Praxis bog ich in eine Bar ein und bestellte mir einen Sekt, den ich verzweifelt runterstürzte. Ich wollte da nicht hin, es war die Idee meines Mannes. Ich war nicht bereit mir einzugestehen, dass die ganze Nummer in eine vollkommen falsche Richtung lief.

Was war aus uns geworden? Wo war Sex in jeder freien Minute hin, dieselben Gedanken im selben Moment, das Lachen über die gleichen Dinge, der Spaß am Leben, die positiven Gedanken, die gleiche Vorstellung von Glückseligkeit, das Verständnis füreinander, die Aufrichtigkeit, die Augenhöhe, die Leichtigkeit? Wo war das alles hin? Und wie konnte uns das so schnell verloren gehen?

Gefangen in einem 50er-Jahre-Partnerschafts-Modell

Wir träumten von der großen, aufregenden, alles überstrahlenden Liebe und wachten in einem Reihenhaus im Hamburger Westen auf. Und nicht nur das: Ehe wir uns versahen, waren wir gefangen in einem 50er-Jahre-Partnerschafts-Modell. Mein Mann ging jeden Tag von morgens bis abends arbeiten und ich blieb zuhause und kümmerte mich um die Kinder. Tag und Nacht. Wenn er nach Hause kam, war er müde und lag auf dem Sofa. Die halbe Stunde, die er am Tag mit den Kindern verbrachte, war schnell vorbei.

Abends wenn die Kinder im Bett waren, reichte die Energie gerade noch dafür aus, das eigene Leid größer zu machen als das des anderen. Respektverlust, Frust und Enttäuschung machten sich breit. Wir stritten immer mehr. Wir entfernten uns immer weiter voneinander.

Und dann saßen wir bei der Paarberatung. Die freundliche Dame Ende 50 erzählte uns, dass ein Hund viele Ehen retten würde, weil man „da bei gemeinsamen Spaziergängen wieder ins Gespräch kommt.”

„Ein Hund“? Hatte ich das richtig verstanden? Trotz meines durch den Sekt leicht benebelten Gehirns konnte ich eins mit absoluter Sicherheit sagen: Ein Hund würde unserem eh schon vollkommen überforderten Leben den Todesstoß geben.

Wenn dieser Termin eine gute Sache hatte, dann dass wir beide die Trulla doof und ihren Vorschlag bescheuert fanden. Yeah, ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber natürlich änderte sich trotzdem nichts. Wir brauchten Hilfe, das lag auf der Hand. Das hörten die Nachbarn, davon zeugten unsere getrennten Betten, das spürten die Kinder.

Aufgeben war keine Option

Und so bekamen wir von guten Freunden einen Therapeuten ans Herz gelegt. Und wenn eins so sicher ist wie das Amen in der Kirche, dann dass dieser Mann unsere Ehe gerettet hat. Nein stopp. Er hat uns geholfen, sie selbst zu retten. Denn Aufgeben war für uns keine Option, auch wenn das über die Jahre mehrfach im Raum stand. Wir wollten kämpfen, wir wollten, dass wir zumindest alles Erdenkliche getan haben, um das zu retten, was wir uns erträumt hatten.

Was war das Problem? Und was ist es wohl bei den meisten Paaren, die zu einem Therapeuten gehen? (Wenn dir bei der Frage spontan keine Antwort einfällt, deine Ehe aber auch nicht das Gelbe vom Ei ist, ist das dein Zeichen, eine Paarberatung aufzusuchen!) Richtig, Kommunikation.

Mein Mann wuchs in einem Haushalt auf, in dem alles zu Tode geschwiegen und unter den Teppich gekehrt wurde. Seine Eltern trennten sich, als er zwei Jahre alt war. Ich wuchs in einem Haushalt auf, in dem höchst emotional gestritten wurde, bis alle nur noch schrien oder heulten. Meine Eltern trennten sich, als ich sieben Jahre alt war. Was passierte also bei jedem Streit? Mein Mann schwieg und floh. Ich schrie und heulte. Und beide waren wir entsetzt. Und zeigten mit dem Finger auf den anderen.

Unser Therapeut war die Rettung. Er konnte die Gefühle des anderen in wenigen Worten so gekonnt zusammenfassen, dass man es verstand und es plötzlich auch ganz logisch war. Er hat uns beigebracht, was ok ist und was nicht. (Ich musste lernen, dass es nicht normal ist, seinen Partner zu beschimpfen, mein Mann, dass es nicht ok ist, jedem Konflikt aus dem Weg zu gehen.)

Jeder muss immer bei sich selbst anfangen

Eines der grundlegendsten Learnings war aber, dass man den anderen nicht ändern kann und – dieser Satz hilft mir nicht nur in der Ehe, sondern in jeder anderen Beziehung: Die Gefühle des anderen sind legitim. Egal was passiert, du hast niemals das Recht, dem anderen seine Gefühle abzusprechen.

Jeder muss immer bei sich selbst anfangen. Nur so ändert sich auch etwas in der Beziehung. Das war ein Kraftakt und es geschah auch nicht von jetzt auf gleich. Aber ab dem Moment, als wir bei uns selbst anfingen, sich jeder für sich weiterentwickelte, wir uns reflektierten, von alten Wunden heilten und Dinge aus der Vergangenheit verarbeiteten, konnten wir auch wieder aufeinander zugehen.

Wir verbrachten viele Jahre mal mehr und mal weniger Zeit mit unserem Therapeuten. Wir bekamen noch ein Kind und wir haben es geschafft, den Spirit unserer frisch verliebten Vorstellung von einem gemeinsamen Leben zurückzuholen.

Beziehungen sind komplex

Wir sind heute nicht frei von Streit und Stress. Sobald wir im Alltag vergessen zu kommunizieren, rutschen wir ganz schnell in alte Muster zurück. Aber alleine das Wissen darüber verändert alles.

Ich bin der Meinung, Beziehungen sind abartig komplex, Menschen nicht unbedingt für die Monogamie gemacht und das, was wir uns da so vorstellen, wie glückliche Ehen aussehen sollen, hat eine verdammt hohe Messlatte. Hollywood und alte weise Menschen, die sagen, sie wären nie schlafen gegangen, ohne sich küssend zu vertragen, befeuern solche Vorstellungen noch extra.

Holt euch Hilfe! Es ist keine Schwäche, es ist eine absolute Stärke, sich dafür zu entscheiden, ein besserer Partner zu sein. Das Leben ist zu kurz, um es in einer mittelmäßigen Ehe zu verbringen.