geschrieben von Alina Pelling

Ich packe meinen Koffer und nehme mit: alles von A bis Z. Vor allem „Z“: zu viel. Was habe ich als kinderloser Single die ganzen Eltern auf der Straße belächelt, die beladen mit Sack & Pack durch die Straßen pilgern, am besten noch das Laufrad über den Kinderwagen. Aber im Kinderwagen liegt kein Baby, das ist schließlich in der Trage am Körper. “Wenn ich mal Mutter bin, bleibe ich leicht und flexibel und schleppe nicht meinen Hausstand mit mir rum“, höre ich mich noch denken.

Jahre später kriege ich kaum noch einen Zentimeter Krams unter den Kinderwagensitz gequetscht: Taschen mit Windeln, Feuchttücher, Ersatzklamotten, Hut, eine wärmere Jacke, Sonnencreme, Wasserflasche, Snacks, Sandförmchen, Regenschirm, Handy, Portmonee. Nehmen wir die Trage oder das Tuch mit? Oder beides, weil in dem einen schläft er besser, aber in dem anderen kann er besser gucken? Manchmal kommt noch so etwas dazu wie Schwimmzeug oder Babypuder (Muddi-Hack für feucht-sandige Kinderfüße).

Ich schleppe mehr Scheiße mit, als mein Kind in der Windel hat. In meinem Angst-Monat, dem August, habe ich im Rucksack noch einen Minibeutel, den man so knicken kann und der dann zu einer Kühlkompresse wird. Habe Paranoia vor Wespenstichen in den Hals meines Kindes und habe das Gefühl, mit dem kühlenden Ding könnte ich die Wartezeit überbrücken, bis der Rettungswagen kommt und meinem Baby die Kugelschreiberhülle wie im Film in die Luftröhre haut. Kopfkino at its best.

Leere Brüste, voller Rucksack

Ich habe einen Zweieinhalbjährigen und neuerdings noch ein Baby dazu. Sprich: Vor wenigen Monaten habe ich oft nicht mal mehr eine Windel mitgenommen, Snacks konnten wir oft unterwegs noch spontan kaufen. Nun ist wieder ein Säugling bei uns, der sich öfter einkackt oder Sonnenschutz braucht. Dazu kommen dann unnötige Spielzeuge meines Sohnes, die er noch ins Gepäck reinquetscht, weil: „WIE SOLLEN WIR OHNE DIE PLAYMOBILFIGUR DIE TREPPEN RUNTERKOMMEN?

Wenn wir aus dem Haus gehen, bin ich immer etwas frustriert. Genau wie meine Brüste, die nach der Stillzeit traurig ausgelaugt an mir herunterhängen. Dank Kids habe ich nun leere Tüten und einen vollen Rucksack. Dabei möchte ich doch volle Tüten und einen leeren Rucksack. Manchmal fühle ich mich wie Frodo. Ich wünsche mir einen Sam, der mich trägt.

Und dann das Packen. Packen ist komplex. Packen ist Mental Load. Man braucht zum perfekten Packen Glück bei der Wettervorhersage, den ideal kalkulierten Appetit des Kindes und einen Scharfsinn, schärfer als die Fingernägel des Säuglings an der Brust. Bei unserem ersten Ausflug zu viert haben wir bewusst kaum etwas eingepackt. Wir wollten auf Risiko gehen, uns leicht fühlen, obwohl wir ein Mensch mehr waren. Mein Freund war sehr stolz: „Hey, schau! Der Ausflug ist fast vorbei und alles ist gut gegangen!“ Sätze, die vermutlich auch auf der Titanic gefallen sind, kurz bevor sie den Eisberg streifte.

Natürlich hatten wir nur noch Wasser mit ungeliebter Kohlensäure dabei, Kind 1 hatte im Auto dann einen Durstanfall, der zu einem Wutanfall wurde, und für Kind 2 hatten wir den Schnuller vergessen. Eine extrem idyllische Rückfahrt. Ich hätte weinen können. Und damit meine ich nicht die Tränen, die ich am Vorabend vergossen hatte, als der Pottwal in der Doku sein Kalb gestillt hat. Wir sind alle Mamis! Ist das nicht schön? Aber der Pottwal muss keine Sonnencreme einpacken.

Snacks: Bin ich faul oder Dinkel-Dörte?

Die höchste Disziplin, der Zehnkampf des Packens, sind meiner Meinung nach die Snacks. Genug, dass die Brut satt wird. Gleichzeitig möchte ich nicht mal vier Käsecracker zu viel rumschleppen. Jedes Gramm zählt. Die Snacks sollen satt machen. Naja. Ok, jetzt in ehrlich: Sie sollen die Laune der Kinder retten oder als Druckmittel aushelfen. „Komm, wenn du dich jetzt zum Mittagsschlaf in den Wagen legst, bekommst du danach den Erdbeerriegel!

Ein kritischer Moment ist auch, wenn man sich in der Anfangsphase des Kennenlernens mit anderen Eltern befindet. Sind wir ein Match? Passen wir zueinander? Wenn ich nur Drogerie-Knabberkram dabeihabe, ist das dann faul und ungesund? Wenn ich Brokkoli-Hafer-Waffeln selber mache, werde ich dann als Dinkel-Dörte abgestempelt? Ich wähle den geschickten Mittelweg: Gekaufte Snacks, um die Löwenbabys zu dressieren, und dazu Pseudo-Paprika, bei der ich weiß, dass mein Sohn niemals zugreifen wird. Aber hey – ich habs versucht!

Am liebsten würde ich bis zur Grundschule stillen. Einfach, um mich nicht um Proviant kümmern zu müssen. Noch nerviger, als alles einzupacken, ist alles wieder auszupacken. Sonst vergammeln die Pseudo-Karotten und beim nächsten Ausflug sind vielleicht Wechselklamotten für Brunnenspiele dabei, aber kein wärmender Pulli bei Sturmböen.

Wie konnte es so weit kommen? Es begann mit einem kleinen positiven Schwangerschaftstest in der Hand, wurde peu à peu mehr – mit Mutterpass in der Handtasche und Plazenta im Bauch – und endete mit einem Maxi-Cosi in der Armbeuge und dem Kackbeutel aus der Kita um die Schulter. Dazu kamen ein schmerzender Rücken und das Rezept für die Physiotherapie in der Hosentasche.

Das ist für mich das absolute Highlight, wenn ich kinderfrei habe: Ich gehe einfach aus dem Haus. Nur mit Geld, Hand und Schlüssel in der Jackentasche. Oh, diese Euphorie. Diese Leichtigkeit. Bin ich wieder 21 Jahre alt und bringe nur mich zur Veranstaltung mit? Hammer. Und Gleichzeitig: traurig. Nie wieder will ich 21 Jahre alt sein. Nie wieder will ich ohne meinen süßen Sohn sein, der wirklich nie zur Paprika greift.

Wie werfen wir Ballast ab?

Wie können wir also das Packen packen?

Erstens: trennen. Was schleppe ich immer mit, aber brauche es nie? Zum Beispiel das Erste-Hilfe-Wespenset. Der Rettungswagen wird es pünktlich schaffen.

Zweitens: abends packen. Einmal Wetterbericht für morgen checken und Tasche soweit es geht am Vorabend packen. Nur um sich, wenn man dann spontan das Haus verlässt, unfassbar flexibel und leicht zu fühlen. Man muss ja nur kurz die Tasche umhängen, die eh schon im Flur steht.

Drittens: stibitzen. Nicht der eleganteste Weg. Aber wenn ich keinen Bock habe, die Sonnencreme einzustecken, frage ich andere Eltern auf dem Spielplatz, ob ich Creme klauen und dafür im Tausch Cracker anbieten kann.

Viertens: sich dem Schicksal ergeben. Ja, wir schleppen mit Nachwuchs viel mit uns herum. Krams, Verantwortung, Erinnerungen. Es wird irgendwann besser werden. Irgendwann. Bis dahin: mit den Schultern zucken, Lächeln aufsetzen und den Puppenwagen über den Rücken werfen, den das Kind zwanzig Meter schiebt und dann keine Lust mehr hat. Wäre ja auch langweilig, so ein Abenteuer ohne Ballast.