Instagram, TikTok und Facebook (ach ne, Meta) – wir leben im digitalen Zeitalter. Social Media haben die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren, lernen, Entscheidungen treffen und auch uns selbst wahrnehmen. Im Durchschnitt verbringen wir sogar circa vier Jahre unseres Lebens damit, auf unsere Handys zu schauen. Tut uns das gut? Was können wir Positives aus Social Media mitnehmen und welche negativen Einflüsse sollten wir vielleicht loslassen?
„Theater, Theater, der Vorhang geht auf“
Auf Social Media geht es um Selbstpräsentation. Meist im besten Licht. Private Rückschläge oder negative Erlebnisse – nein danke. Auch im echten Leben inszenieren wir unser Verhalten bewusst, um die Reaktionen und Wahrnehmungen anderer zu beeinflussen. Wenn jemand fragt „Wie geht’s dir?“ antworten wir nicht immer ehrlich und sagen eher „ganz gut“ als „Mein Job macht mich gerade fertig“. Social Media verstärken das Ganze.
Natürlich gibt es Menschen – ob große Reichweite oder nicht –, die ihr Leben facettenreich dokumentieren, mit allen Highs und Lows. Aber sind wir ehrlich: Das ist nicht die Mehrheit. Ich teile auch lieber Urlaubsbilder oder ein schickes Outfit, als dass ich von einem Familienstreit erzähle. Lieber zeige ich, dass ich eine Prüfung bestanden habe, als meinen Nervenzusammenbruch beim Lernen dafür. Kann es daran liegen, dass ich ungern Schwäche zugebe? Mag sein. Aber das ist ein anderes Thema. Es kann aber auch sein, dass intime, negative Erfahrungen zu teilen, eine Grenzüberschreitung in meine Privatsphäre bedeutet, die ich nicht zulassen möchte. Das ist sicherlich verständlich. Selbstschutz und die Kunst des Weglassens sozusagen.
Ich sehe meinen Instagram Feed als mein digitales Fotoalbum, für mich. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir die Meinungen anderer egal sind. Doch ich arbeite daran, dass sie mir weniger wichtig sind. Die sofortige Befriedigung, die Likes uns geben, ist ein Dopamin-Rush. Natürlich wünschen wir uns positive Rückmeldung, das ist nur menschlich. Aber wenn es mal nicht so viel ist „wie sonst“ – wie fühlt sich das an? Naja, scheiße. Aber wie die Zahl auf der Waage oder auf unserem Kontoauszug – es ist so wichtig, dass wir unseren Wert nicht an Zahlen festmachen und uns davon loslösen!
Zu viel des Guten
Viele Menschen empfinden durch stetige Nutzung von Social Media zunehmend Angstgefühle, Überforderung, Depressionen, ein geringeres Selbstvertrauen und mehr Stress. Social Media bieten einen Nährboden für hässliche Gefühle. Studien haben sogar herausgefunden, dass wir uns umso sozial isolierter fühlen, je mehr Zeit wir auf Social Media verbringen. Obwohl wir uns einfacher miteinander verbinden können, fühlen wir uns getrennter denn je.
Als Prince Ea 2014 sein Gedicht „Can We Auto-Correct Humanity?“ veröffentlichte, wurde er belächelt. Heute heißt es, er war seiner Zeit voraus. Ich kann euch das Video sehr empfehlen. Hier einen kurzen Auszug davon:
“Kind of ironic, ain’t it? How these touch-screens can make us lose touch.
But it’s no wonder in a world filled with iMacs, iPads and iPhones,
So many „i“s, so many selfies, not enough „us“s and „we“s.
While we may have big friend lists,
so many of us are friendless, all alone.
Cause friendships are more broken than the screens on our very phones.“
Ich könnte auch über Echo Chambers und Cancel Culture sprechen und wie schädlich digitale Diskurse zurzeit ablaufen, aber dieses große Fass würde diesen Rahmen sprengen. Doch es stimmt: Wir müssen uns wieder mehr auf den wirklich sozialen Aspekt der sozialen Medien konzentrieren. Außerdem: Auch wenn es subtil und unterbewusst passiert, wir werden tagtäglich mit bis zu 10.000 Werbeanzeigen über etliche Medien konfrontiert. Kein Wunder, dass wir überfordert sind.
„Comparison is the thief of all joy.“
Laut Leon Festingers Theorie des sozialen Vergleichs haben Menschen ein Verlangen danach, sich ständig mit anderen zur Selbsteinschätzung zu vergleichen. Durch die Kontaktmöglichkeit mit unendlich vielen Menschen aus der gesamten Welt, steigt das Vergleichspotential natürlich auch unendlich. Wir werden konstant mit den (inszenierten) Leben und Aktivitäten anderer konfrontiert. So denken wir, dass alle, die wir kennen, ständig tolle Dinge erleben, während wir ihnen nur dabei zusehen. „Sie hat ihren Abschluss gemacht!“ (Und ich brauch noch 2 Jahre…) „Er ist schon wieder im Urlaub!“ (Bei mir ist es schon so lange her…)
Aber das liegt einfach an der reinen Masse an Erfahrungen, mit denen wir in Kontakt treten. Ich folge um die 600 Menschen – ein Mix aus alten und aktuellen Freundschaften, Influencer:innen, Künstler:innen und Aktivist:innen. 600 Menschen werden vermutlich insgesamt mehr erleben als nur ich. Klingt blöd, aber manchmal sollte man sich vor Augen führen, dass es keinen Sinn macht, sich mit all diesen Leuten zu vergleichen.
Wo Vergleiche sind, ist Neid nicht weit. Manchmal kann uns Neid dazu motivieren, mit anderen mitzuhalten. Doch Vorsicht vor dem Teufelskreis: Neid kann dazu führen, dass eine Person ihr Leben besser aussehen lassen will und selbst eifersuchtsfördernde Beiträge teilt, was zu einem endlosen Kreislauf aus Übertrumpfen und Neid führt.
Wenn wir merken, dass wir ein Ideal nicht erreichen, fühlen wir uns unterlegen und unzufrieden. Dabei kann niemand diesen Idealen entsprechen. Weil sie eben genau das sind – Ideale. Und remember: „You will never look like the girl in the magazine; the girl in the magazine doesn’t even look like the girl in the magazine.“
„The past is in the past“ – is it?
„Früher“ mussten wir einfach akzeptieren, dass manche Beziehungen kamen und gingen. Wenn man sich später einmal wiedergesehen hat, war es Zufall. Social Media lassen die Vergangenheit nicht ruhen. Indem wir uns immer wieder mit Ereignissen und Menschen aus unserer Vergangenheit beschäftigen, verschwenden wir Energie, die wir im Hier und Jetzt nutzen könnten.
Heute bin ich noch mit vielen Menschen aus meiner Vergangenheit „in Kontakt“ und ich weiß nicht, ob das unbedingt gut ist. Was bringt es mir wirklich, zu wissen, dass ein ehemaliger Freund aus dem Französischkurs in der 12. Klasse sich gerade ein Käsesandwich macht? Manches darf ruhig Vergangenheit bleiben, an einem Ort in unseren Köpfen, wo diese Erfahrungen – wie der Sonnenuntergang mit Sangria im Strandurlaub – als liebevolle nostalgische Erinnerungen gepflegt werden.
Wie wär’s mit einem Social Media Detox?
Durch Social Media vervielfachen sich viele Unsicherheiten und Selbstzweifel. Es ist nicht gesund, ständig (Selbst-)Kritik ausgeliefert zu sein. Wir brauchen und verdienen auch mal eine Pause davon, dass unser Leben beurteilt und kommentiert wird – eine Zeit ohne Selbstvergleiche, Likes und Werbung. Die sogenannte FOMO – „Fear of Missing Out“ – hält uns davon ab, aktiv solche Pausen zu machen. Wir wollen nichts verpassen. Dabei tut es gut, sich mal zurückzuziehen und auf sich selbst und das eigene Leben zu konzentrieren. Es wird immer so viel passieren, dass wir eh nicht alles mitbekommen können.
„Du kannst dich ja weniger konzentrieren als ein Goldfisch!“ Nun ja … inzwischen trifft das auf viele zu. Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen liegt derzeit bei 8 Sekunden; die eines Goldfischs bei 9 Sekunden. Uff. Aber dank der Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns gibt es Hoffnung. Noch vor wenigen Jahren waren es 15 Sekunden.
Menschen, die einen Social Media-Entzug machen, bemerken, dass ihre Aufmerksamkeitsspanne deutlich größer wird, je länger sie sich von Social Media fernhalten. Außerdem spüren viele ein Gefühl der Freiheit, arbeiten produktiver und haben klarere Gedanken. Sie haben auch schlicht und einfach mehr Zeit für andere Dinge, was anfangs auch überfordern kann.
Ein Hinweis an Menschen, die sagen, dass sie das nicht könnten, dass sie nicht „auf Instagram verzichten könnten“: Genau ihr hättet einen solchen „Entzug“ mal nötig. Sorry to tell you.
Doch es gibt auch Gutes!
Ja, in diesem Beitrag geht es besonders um potentiell schädliche Aspekte von Social Media – aber natürlich gibt es auch viel Positives.
Ich persönlich habe Freundschaften geschlossen mit Menschen, die ich sonst niemals kennengelernt hätte. In gesellschaftlichen und politischen Themen habe ich mich weiterbilden und neue Perspektiven kennenlernen können. Es ist toll, dass unterdrückte Personengruppen sichtbarer werden und Menschen sich in Gemeinschaften verbinden, die ihnen Rückhalt geben. Ich habe mediale Skills gelernt und kann mich kreativ ausleben. Ob Malerei, Musik, Handarbeit, Inneneinrichtung, Fotografie oder Mode – ich finde Ästhetik so faszinierend und die Kreativität anderer so inspirierend. Für all das bin ich Social Media unglaublich dankbar. Und bin damit sicherlich nicht alleine.
Vor Kurzem bat mich eine Freundin, für ein Kunstprojekt in wenige Worte zu fassen, was Instagram für mich bedeutet. Nach ein wenig Nachdenken, entschied ich mich für die Begriffe: Performance, Ästhetik, Weiterbildung, Reizüberflutung und Vergleiche. Gutes und Schlechtes. Diese Worte fassen ziemlich gut meine ambivalente Haltung gegenüber nicht nur Instagram, sondern Social Media im Allgemeinen, zusammen.
Meine persönlichen Tipps
Ob ich gerade selbst aktiv bin oder eher passiv konsumiere – inzwischen achte ich mehr darauf, das für mich Positive aus Social Media zu holen, das Negative zu vermeiden und loszulassen. Zumindest versuche ich mit folgenden Mitteln und Denkweisen mein Bestes:
- Wenn ich etwas poste, dann verlasse ich direkt danach die App, um nicht live dabei zuzusehen, wie Likes und Kommentare eintrudeln. So aufregend das anfangs gewesen sein mag – es macht mich nur kirre.
- Ich entfolge Menschen, die mir nicht guttun. Alte Freundschaften, die mich belasten, Bekannte, die diskriminierende Aussagen verbreiten, Nachrichtensender, die die Welt nur als schlimmen Ort erklären, Influencer:innen, deren toxische Positivität mich stört oder deren ausschweifender Lebensstil neidisch macht.
- Achtet auf eure mentale Gesundheit. Fühlt euch nicht schlecht, wenn ihr euch von Menschen auf Social Media trennt. Und dass Hate Following niemandem guttut, sollte hoffentlich klar sein.
- Umgebt euch mit Profilen, die euch inspirieren. Und: Diversify your Feed! Menschen zu folgen, die andere Lebenserfahrungen haben als wir, erweitert unser Weltbild.
- Mir hilft es, daran zu denken, dass auf Social Media jede:r nur kleine Teile des eigenen Lebens teilt, meist die positiven. Aber jetzt mal ehrlich: In meinem Fotoalbum würde ich auch nicht meinen Beziehungsstreit dokumentieren wollen. Wichtig ist nur, dass wir uns dessen bewusst sind. Ich mag dazu das Zitat: „Don’t compare someone else’s highlight reel to your behind-the-scenes.“ (Vergleicht die Highlight-Szenen der anderen nicht mit eurem Hinter-den-Kulissen.) Erinnert euch dann gerne an all die Dinge, die ihr selbst NICHT auf Social Media teilt – den meisten wird es ähnlich gehen.