geschrieben von Sandra Nardmann // auf Instagram @suniny

Wenn ich über Pränataldiagnostik nachdenke, kommen viele Emotionen in mir hoch. Die dominantesten davon sind wohl Angst, Verzweiflung, Wut – und Dankbarkeit. Die Ambivalenz, die sich daraus ergibt, ist selbst jetzt für mich noch schwierig zu greifen.

Als ich 2017 mit unserem Sohn schwanger war, ging ich zur feindiagnostischen Ultraschalluntersuchung. Bei dieser wurde ein sogenannter „Softmarker“ entdeckt, welcher auf eine genetische Fehldisposition hätte hindeuten KÖNNEN. Die Ärztin riet mir zu dem NIP-Test, bei dem lediglich eine Blutabnahme erfolgt, aufgrund derer man beim Kind einige chromosomale Störungen hätte ausschließen oder eben bestätigen können. Ich lehnte ab, in dem unbändigen Vertrauen, dass alles gut würde.

Glücklicherweise behielten wir Recht und der Softmarker hatte (in diesem Fall) letztendlich rein gar nichts zu bedeuten.

Nach einer Fehlgeburt zwei Jahre später wurde ich erneut schwanger. Mein Mann war dieses Mal zunächst gegen eine feindiagnostische Untersuchung, er wollte nicht ein weiteres Mal unnötig verunsichert werden. Ich aber wollte die Untersuchung. Nur zur Bestätigung, dass dieses Mal wirklich alles gut ist, was mein Mann nachvollziehen konnte.

Und so war ich dort ein weiteres Mal. Im Wartezimmer lag Infomaterial über weitere Möglichkeiten der Pränataldiagnostik. Ich beachtete es nicht, in der festen Annahme, diese niemals zu brauchen.

Diese trügerische Annahme selbstbewusst schulternd befand mich wenig später im Untersuchungszimmer und starrte maximalverliebt auf den Bildschirm, wo ich meine kleine Maus beobachten konnte, wie sie in meinem Bauch zappelte. Minuten oder Stunden später, in denen ich nicht bemerkt hatte, dass die Ärztin auffällig still war, sagte diese ernst: „Frau R., ich denke, dass hier ein schwerer Herzfehler vorliegt. Ich habe auch noch andere Marker gefunden, die darauf hindeuten, dass ihr Kind ungesund sein könnte.“

Weiterhin riet sie dringlichst zu einer Chorionzottenbiopsie, also einer Entnahme von Zellen aus der Plazenta, aus welchen wiederum die DNA des Fötus extrahiert werden kann. Hierbei wird mit einer (gefühlt kilometerlangen) Nadel durch die Bauchdecke gestochen, um die Plazenta zu punktieren. Panisch stimmte ich zu. Der Eingriff war genauso unangenehm, wie er klingt, dauerte aber nicht lange.

Mir und meinem Mann wurde zudem von einem Genetiker Blut abgenommen, um zu schauen, ob man Zusammenhänge erschließen könnte, warum unser Kind so schwerkrank war. Der Genetiker erklärte uns, wie die Untersuchungen unseres Erbgutes und des unseres Kindes abliefen, was uns als medizinische und biologische Laien fast überforderte, so sehr ging es in die Tiefe der menschlichen Genetik. Und doch war ich neben all der Verzweiflung und wahnsinnigen Angst beeindruckt, was man im Stande ist, über unsere DNA und die unseres Babys herauszufinden. Dennoch, so sagte man uns, könnte es sein, dass man nichts fände, also keinen Grund für die schwere Herzfehlbildung. Bis man alle Ergebnisse vorliegen hätte, würde es mindestens drei Wochen dauern.

In diesen drei Wochen hatten wir etliche Ultraschall- und Beratungstermine bei Ärzten. Ärzte, die in unserem Beisein über unsere ungeborene Tochter sprachen, in so medizinischem Vokabular, dass wir nichts verstanden, außer, dass alles danach aussah, dass unsere Tochter nicht lebensfähig sein würde. Ärzte, die zum Teil so empathielos waren, dass wir nicht selten, neben all der Trauer, vor Wut und Verzweiflung weinten.

Währenddessen kamen quasi „häppchenweise“ Ergebnisse der genetischen Analyse, zunächst alle unauffällig.

Letztendlich kam das vollständige Ergebnis. Bei der Betrachtung der einzelnen Gene unserer Tochter wurde festgestellt, dass bei einem Gen ein winziger Abschnitt fehlte. Eine unglaublich seltene Fehldisposition, welche dazu führte, dass unser Baby anstatt von zwei Herzkammern und Vorhöfen jeweils nur eine bzw. einen hatte. Zudem waren Lunge und Nieren nicht funktionsfähig, kurzum: nicht lebensfähig.

Ich habe die Pränataldiagnostik verflucht, zeitweise glaubte ich schlichtweg nicht an die Wahrheit der Ergebnisse. Und doch bin ich so unendlich dankbar darüber, dass ich weiß, warum unsere Tochter nie bei uns sein konnte. Dass ich eine Entscheidung treffen und ihr unendliches Leid ersparen konnte.

Es ist ein kontroverses Thema und oftmals tun sich auch hier absolute Meinungen auf, die es unnötig verkomplizieren. Ich kann sowohl die Entscheidung für, als auch gegen pränatal diagnostische Untersuchungen nachvollziehen. Und ich weiß, dass es für beides Mut und Vertrauen braucht. 

Und tatsächlich kann ich deshalb die Frage, ob ich es bei einem potenziellen nächsten Mal wieder machen würde, nur mit einem von Herzen gemeinten „Ich weiß es nicht“ antworten.