Der Titel fiel mir während meines Streifzuges durch meinen liebsten Buchladen sofort ins Auge. „Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen“. Menschen loswerden? Klang für mich erstmal ziemlich krass, aber auch ziemlich interessant. Denn wer hat nicht Menschen im unmittelbaren Umfeld, die einem nicht besonders guttun. An die man aber doch irgendwie gebunden ist oder mit denen man immer wieder in direktem Kontakt und Austausch steht? 

Ich persönlich finde mich immer wieder in Situationen mit anderen Menschen, beruflicher und privater Natur, in denen ich förmlich merke, wie während des Gesprächs meine Energien schwinden oder ich selbst zu einer weniger optimistischen, motivierten und offenen Person werde. Dabei ist das Leben viel zu schön, um es mit Menschen zu verbringen, die lediglich ihren negativen Ballast abladen wollen und meine Zufriedenheit förmlich aus mir heraussaugen. Und habe ich nicht auch irgendwo gelesen, dass man mit der Zeit so wird wie die fünf Menschen, mit denen man sich am meisten umgibt? Man sollte sich also sehr gut überlegen, mit welchen Personen man Zeit verbringt und für wen man Zeit, Liebe und Ressourcen aufbringen möchte. 

Von Siebtklässlerinnen und Energievampiren

Als Lehrerin fühle ich mich oft von meinen Schülerinnen und Schülern inspiriert. Meine Siebtklässlerinnen im Jahr 2018 hatten damals eine für sie relativ einfache Lösung für jeden zwischenmenschlichen Konflikt und jede Freundschaft oder Beziehung, die ihnen augenscheinlich nicht guttat: „Kontaktabbruch“. Das ging für die Kids gefühlt relativ einfach: In der Schule ignorieren, Nummer sperren und auf allen sozialen Medien blockieren. Das war’s. Easy. Ob die Autorin Andrea Weidlich diese Methode auch kennt? Auf dem Klappentext ist dazu zumindest nichts zu finden. Da liest man, die Autorin zeige mit Tiefgang und schwarzem Humor, wie man durch Loslassen und den richtigen Umgang mit Schatten und Energievampiren zu mehr Leichtigkeit gelangt. Wie man endlich das Leben führt, das man sich wirklich wünscht. 

Mehr Leichtigkeit finde ich – wie sicherlich alle – immer prima und vor allem sehr erstrebenswert. Und auch ich habe – wie sicherlich alle – ein paar wenige Menschen in meinem Umfeld, die mir nicht guttun. Oder sagen wir es so: Es gibt Menschen, die ich spreche oder treffe und nach dem Gespräch oder Treffen fühle ich mich weder gut noch leicht noch sonderlich positiv gestimmt. Manchmal fühle ich mich danach nur buchstäblich leer. Ob das die Energievampire sind, von denen Weidlich spricht? Und wie identifiziert man überhaupt Menschen, die einem nicht guttun? Ich kann doch nicht bei jedem zwischenmenschlichen Konflikt, der in der Paar-, Freundes- und Arbeitskonstellation entsteht, den entsprechenden Menschen loswerden? Dies durfte ich Carolina und Isabella, zwei sehr sympathische Psychologinnen, in einem Interview fragen:

Als wie wichtig schätzt ihr das Feld „soziale Beziehungen“ für das eigene Wohlbefinden und die eigene Gesundheit ein?

Menschen sind soziale Wesen, weshalb unsere sozialen Beziehungen einen sehr wichtigen Lebensbereich darstellen. Ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen ist die bestehende Covid-19-Krise. Hier sind vor allem im ersten und zweiten Lockdown für die gesamte Bevölkerung sämtliche soziale Kontakte über Monate hinweg gänzlich unterbunden worden. 

Zudem gibt es verschiedene Studien die zeigen, dass sowohl Affen- und auch Menschenkinder die Nähe zu anderen der Nahrung vorzogen. Außerdem gab es eine Studie in einem Kinderheim, in dem Kinder starben, weil ihnen der Kontakt und die Nähe zu anderen Menschen gefehlt hat.

Schlussfolgernd daraus stellen soziale Beziehungen für uns Menschen einen sehr wichtigen Lebensbereich dar. Wir identifizieren uns unter anderem über unsere Freunde. Zudem stellen Freunde für viele Menschen eine Ressource dar, die Stress entgegenwirken kann.  

Freunde und liebevolle Menschen sind also sehr wichtig für uns und unsere Gesundheit. Wie identifiziert man denn dann auf der anderen Seite Menschen, die einem wirklich nicht guttun? Und was hat es in diesem Zusammenhang mit dem Begriff „Energieräuber“ auf sich? 

Energieräuber sind Menschen, die einem mehr Energie rauben, als Energie zu spenden. Häufig fühlt man sich nach Zusammentreffen negativ belastet hinsichtlich der eigenen dysfunktionalen Gedanken und dem Wohlbefinden. Gründe dafür können verschieden sein. Ein Grund kann natürlich sein, dass die eigenen Werte überhaupt nicht denen der anderen Person entsprechen oder diese Person gegen Werte verstößt oder Werten nicht gerecht wird, die einem selbst sehr wichtig sind. Wir haben „Energieräuber“ identifiziert, wenn wir aus einem Gespräch für uns nichts Positives ziehen konnten und wir uns schlecht und nicht verstanden fühlten. 

Wie unterscheidet man zwischen tatsächlichen „Energieräubern“ und Freunden, denen es nicht gut geht, wodurch der Austausch oder das Zusammensein eben auch viel Energie kostet?

Gegenüber den sogenannten Energieräubern lassen sich Freunde abgrenzen, denen es nicht gut geht. Ein für uns wesentlicher Unterschied besteht darin, dass diese Menschen leiden und um Hilfe fragen. Energieräuber schaffen es, uns leiden zu lassen und unser Wohlbefinden aus dem Gleichgewicht zu bringen. 

Wenn ich Menschen identifiziert habe, die mir wirklich nicht guttun und es sich nicht nur um einen temporären Zustand handelt, wie lässt man dann ganz konkret los? Das ist ja auch eine Art Trennung. Sollte ich dafür ein Trennungsgespräch führen? Wenn ja: Das ist ja unfassbar unangenehm, wie gehe ich das denn an? 

Ganz wichtig ist hierbei, sich von diesen Menschen abzugrenzen, wenn man merkt, dass sie das eigene Wohlbefinden tangieren. Aus psychotherapeutischer Sicht muss jeder in sich selbst hinein fühlen und schauen, was man in dieser Situation braucht. Manchmal gibt es Situationen oder Ereignisse, die vielleicht kein abschließendes Gespräch benötigen. Auf der anderen Seite sollte man immer ein Gespräch suchen, wenn man denkt, dass man dies benötigt, um damit abschließen zu können. Das muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden, da gibt es keine Vorgaben. 

Wichtig ist: Grenzen setzen

Ich halte also für mich fest: Soziale Bindungen sind mit das Wichtigste und wenn ich aus dem direkten Austausch mit einer Person nichts Positives ziehen kann und ich mich nach der Interaktion schlechter als zuvor und vor allem nicht verstanden fühle, dann ist es wichtig und richtig, sich ganz klar zu distanzieren. Ob es dafür ein klärendes Gespräch braucht, ist natürlich abhängig von der Art der Beziehung. Arbeitskolleg:innen können wir eventuell leichter aus dem Weg gehen als der vermeintlichen Freundin, die seit fünfzehn Jahren im Freundeskreis fest verankert ist und mit der wir uns ständig konfrontiert sehen. 

Ich meine mich zu erinnern, dass ich dazu einmal einen sehr schlauen Satz im @Madame Moneypenny Podcast gehört habe, der in etwa so lautete: Wenn mich eine Person mehr als drei schlaflose Nächte kostet, dann suche ich das aktive Gespräch mit ihr. Und dann wäre es vielleicht auch an der Zeit, sich tatsächlich von dieser Person zu verabschieden, oder? Fairerweise muss ich hier hinzufügen, dass ich nicht die fähigste und mutigste Person bin, wenn es um Konfrontation geht. Ich würde zu niemanden sagen „Du tust mir nicht gut, deshalb will ich keine Zeit mehr mit dir verbringen“. Und vielleicht muss man das auch gar nicht? Vielleicht reicht es zukünftig, einfach öfter Nein zu diesen Personen zu sagen: Nein, ich kann heute Abend nicht. Nein, ich habe am Wochenende keine Zeit.

Unsere Zeit und unsere Ressourcen sind im alltäglichen Wahnsinn eh schon so begrenzt, dass wir uns wirklich überlegen sollten, mit welchen Menschen wir diese Zeit verbringen.

Willst du noch mehr zu diesem Thema lernen, lesen und erfahren?

Isabella und Carolina auf Instagram @psycarella

Podcastfolge: No more drama, baby! Wie du wieder mehr Tiefe in deine Beziehungen bringst von Laura Malina Seiler

Das Buch „Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun, ohne sie umzubringen“ von Andrea Weidlich, auf Instagram @guschbaby