endometriose

geschrieben von Hannah Krutz

Endometriose ist eine chronisch verlaufende Krankheit, von der nach Expertenschätzungen 10 bis 15 % der Frauen* zwischen Pubertät und Wechseljahren in Deutschland betroffen sind. Bei Endometriose bilden sich Gewebeherde, ähnlich dem der Gebärmutterschleimhaut, und siedeln sich in Form von Zysten außerhalb der Gebärmutter an. Diese können in und an anderen Organen wie Blase oder Darm metastasieren und zu starken Beeinträchtigungen führen. 

Endometriose geht mit starken Schmerzen vor allem – aber nicht ausschließlich – bei der Menstruation einher. Sie äußert sich allerdings so unterschiedlich, dass sie „Chamäleon der Gynäkologie“ genannt wird und eine Diagnose sehr schwer ist. Zum einen sind die Symptome mannigfaltig, zum anderen ist es leider noch ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Schmerzen bei der Menstruation normal sind. Eine abschließende Diagnose ist nur per Bauchspiegelung möglich, vorhergehende Untersuchungen wie Ultraschall können lediglich eine Prognose bedeuten. Endometriose ist nicht heil-, in vielen Fällen aber gut therapierbar. 

Bis zu einer Diagnose vergehen im Schnitt sechs bis zehn Jahre – sehr häufig wird sie erst dann vorgenommen, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht. Denn eine weitverbreitete Folge der Endometriose ist Unfruchtbarkeit – sie gilt in 40 bis 60 % der Fälle als Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch. 

Obwohl Endometriose so weit verbreitet ist, findet erst jetzt langsam eine gesellschaftliche Wahrnehmung der Krankheit statt. Das ist wichtig, um Verständnis und Akzeptanz zu schaffen, aber vor allem, um Betroffenen zu helfen – hier muss dringend mehr geforscht werden, und Kosten für Medikamente oder medizinische Verfahren müssen perspektivisch von der Krankenkasse übernommen werden. 

*Auch intergeschlechtliche oder nicht-binäre Personen können an Endometriose erkranken.  


(M)ein Erfahrungsbericht – Leben mit Endometriose

Mal wieder liege ich halbnackt am Boden unseres Badezimmers. Ein Rauschen im Ohr, die Klamotten kleben von Schweiß getränkt an meinem Körper. Die letzten Sekunden (Minuten?) sind weg und mir wird klar, dass ich mal wieder das Bewusstsein verloren habe und einfach von der Toilette gekippt bin. Mein Körper hat entschieden, dass es zu viel für meinen Kreislauf ist. Mal wieder. 

Das ist leider eine immer wiederkehrende Situation, wenn ich meine Tage habe. Ich leide an Endometriose. Vermutlich schon, seit ich damals mit elf Jahren das erste Mal menstruiert habe. Seit inzwischen 27 Jahren. Die Diagnose habe ich allerdings erst vor wenigen Jahren erhalten, nach einem Frauenärzte-Marathon und schließlich einer Bauchspiegelung. Immer wieder wurden meine Schmerzen mit „normalen Menstruationsschmerzen“ abgetan. 

Zwei Tage Ausnahmezustand

Meine Tage kommen zum Glück sehr regelmäßig, ich kann also gut absehen, wann die zwei Tage anstehen, an denen ich nicht am Leben teilnehmen kann. Üblicherweise habe ich etwa anderthalb bis zwei Tage starke Beschwerden, die in Wellenform auftreten. Starke Unterleibskrämpfe und -schmerzen. Es fühlt sich an, als würde jemand Backsteine in meinem Bauch umlagern. Mit Gewalt werden sie von einer Ecke in die andere geworfen, dazu scheint jemand mit der Spitzhacke meinen gesamten Unterleib zu traktieren. Mein Unterrücken schmerzt, der Schmerz zieht über die Oberschenkel bis in die Knie und manchmal fühle ich die Beine gar nicht mehr. 

Ich liege ausschließlich im Bett und muss jede Stunde meine komplette Kleidung wechseln, weil sie durchgeschwitzt ist. Schüttelfrost und kalter Schweiß wechseln sich ab. Ich habe keinen Appetit oder Hunger, bin aber aufgebläht ohne Ende. Meine Verdauung wechselt zwischen Verstopfung und Durchfall, mir ist die ganze Zeit latent übel und sobald ich aufstehe, wird mir schwindelig. Übergeben und Ohnmachtsanfälle gehören leider auch ab und an zur Tagesordnung. 

Was hilft? 

Mein Leidensweg ist schon sehr lang und ich habe wirklich einiges ausprobiert – meist erfolglos. Die beste Medizin: Schlaf. Aber wie schläft man unter Schmerzen ein? Bei mir helfen sehr starke Schmerzmittel (nicht rezeptfrei, speziell für Schmerzpatienten). Damit wird der Schmerz nach einiger Zeit erträglich (wenn ich es schaffe, den richtigen Moment zwischen „zu früh“ und „zu spät“ abzupassen) und meist kann ich dann schlafen bzw. werde regelrecht „ausgeknockt“. Allerdings haben die Schmerztabletten sehr starke Nebenwirkungen, fördern leider die Übelkeit und gehen stark auf den Kreislauf. Am Tag nach der Tabletteneinnahme habe ich immer einen „Hangover-Tag“, an dem ich tatsächlich nichts machen kann. Der Kopf ist vernebelt, der Körper ausgelaugt. Dennoch ist es bisher das Einzige, was mir wirklich geholfen hat. 

„Meine“ Endometriose belastet vor allem den linken Eileiter und den linken Bereich der Gebärmutter. Daher sind meine Tage im Wechsel sehr schlimm und „nur“ schlimm. Wenn ich abschätzen kann, dass es nicht superschlimm wird, versuche ich, auf das Schmerzmittel zu verzichten und beschränke mich auf Gras – entspannend und schmerzlindernd – und weniger belastend für den Körper. 

Am besten ging es mir und meiner Endometriose, als ich die Pille genommen habe. Hormone sind tatsächlich sehr, sehr hilfreich. Mit meinem Kinderwunsch lässt sich das aber leider nicht vereinbaren. 

Der Alltag 

Und das ist auch schon der Punkt, der meine Psyche am meisten belastet: der unerfüllte Kinderwunsch, den ich der Endometriose zu „verdanken“ habe. Belastend für mich, meinen Partner und unsere Partnerschaft. Inzwischen ein Thema, das wir meiden wie der Teufel das Weihwasser. 

Aber auch mein Arbeits- und Sozialleben wird sehr von der Endometriose beeinflusst: Ich plane Urlaube und ausgiebige Freizeitaktivitäten z.B. nach meiner Periode, schließlich will ich an allem teilnehmen können, was ansteht, und nicht die Spaßbremse sein, die sich wegen Schmerzen wieder zurückziehen oder gar nicht erst teilnehmen kann. Auch simple Dinge wie das Versorgen meiner Eltern, der eigene Haushalt oder andere private Verpflichtungen kann ich während der ersten Tage meiner Periode nicht wahrnehmen. 

Im Job habe ich viel zu viele Krankentage, im Schnitt zwischen 20 und 30 pro Jahr – die Endometriose kann sich negativ auf das Immunsystem auswirken und das ist auch bei mir der Fall. Ich bin einfach dankbar für meinen Chef und meine Kollegen, die immer Verständnis gezeigt haben. Dennoch: Mein schlechtes Gewissen, weil ich nicht leisten kann, wie ich leisten müsste und will, ist manchmal unerträglich. Derzeit befinde ich mich in Kurzarbeit, arbeite statt fünf nur vier Tage die Woche – das ist in meiner Situation sehr hilfreich. So kann ich meinen freien Tag in der Woche auch mal schieben und ihn zum Kranksein und Regenerieren nutzen. Tatsächlich überlege ich, meine Stunden nach der Kurzarbeit zu reduzieren. Nicht nur, aber vor allem wegen der Endometriose. 

*Quellen: https://www.endometriose-vereinigung.de/home.html, https://www.gesundheitsinformation.de/endometriose.html