Viel hat sich in den letzten Jahren getan. Wir sprechen von *innen und schaffen somit Raum für alle Frauen auf dieser Welt, die noch viel zu wenig gesehen werden. Wir konzentrieren uns generell sehr darauf, dass wir niemanden mit unserer Sprache verletzen und alle wahrnehmen, wir nicht diskriminieren oder ausgrenzen. Es hat sich viel getan. Ja. Nur bei einer Gruppierung unserer Gesellschaft nicht – Mütter. Hier wird immer noch darauf verzichtet, auf die richtige Wortwahl zu setzen, wenn man mit ihnen oder über sie spricht und hier wird immer noch Sprache als Ohrfeige genutzt. Etwas, was mich nicht nur persönlich beschäftigt, aber auch. Und gerade jetzt – während ich laut ausspreche, dass ich bei meinem dritten Kind nicht stillen werde – extrem. Lasst uns darüber sprechen… 

„Jede Frau kann stillen, sie muss sich nur genug anstrengen“ – lass dir das gesagt sein und auf der Zunge zergehen! Etwas, was eigentlich als Nahrungsüberbringungsmaßname eingesetzt wird, ist viel mehr als das, nämlich hochgradig emotional. Einerseits liegt das daran, dass wir Mütter als Urinstrikt tief in uns haben, dass wir unsere Kinder ernähren möchten. Anderseits ist dies auch ganz klar gesellschaftlich geprägt worden (besonders in den letzten Jahren). Dass viel mehr Frauen stillen als noch vor ein paar Jahrzehnten ist nicht zu verteufeln, sondern im Gegenteil: das Muttermilch für Babys perfekt ist und somit sehr befürwortet wird, sollte jedem klar sein. Eine Entscheidung gegen Muttermilch ist aber trotzdem nicht die schlechtere Wahl für Kind und Mutter. 

Viele Hebammen, Stillberaterinnen, Gynäkolog*innen oder auch „nur“ andere Mütter, predigen aber oft, dass es keine Alternative fürs Stillen gibt. Keine, die nicht Gift für unsere Kinder ist. Eine Schilderung, die ich, die von dem Thema absolut betroffen ist, vielleicht auch überspitzt interpretiert – doch hier kommen wir zu meiner Einleitung. Bei Sprache geht es nicht nur darum, wie etwas gesagt wird, sondern viel mehr darum, wie etwas aufgenommen werden kann. Da ich immer wieder davon gelesen und gehört habe, dass ich mich nicht genug angestrengt habe und daher meine Kinder nicht (ausreichend) stillen konnte, habe ich mich längere Zeit mit dem Thema beschäftigt. Ich habe eine tubuläre Brust (gehabt), die ich vor ca. zehn Jahren mit einer Bruststraffung bzw. Verkleinerung korrigiert habe (hier könnt ihr mehr dazu lesen). Bedingt durch die Fehlbildung meiner Brust, aber auch die Versetzung und Durchtrennung meiner Milchkanäle, ist es für mich schwierig, zu stillen. In einem Gespräch mit Dr. Cichon (Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie), der sich auf genau diese Fälle der Bruststraffung spezialisiert hat, habe ich genauere Zahlen bekommen. Diese sind erschreckend und sollten jegliche Meinungen zu den Qualitäten von Müttern relativeren… Denn 5% aller Frauen in Deutschland leiden unter einer tubulären Brust (hier kommen anderen Brustfehlbildungen dazu), von diesen können 70% nicht stillen. Bei 42 Millionen Frauen in Deutschland sind das 2.1 Millionen Frauen mit tubulären Brüsten von denen knapp 1.5 Millionen Frauen nicht stillen können, konnten oder werden können. Nicht stillen wird übrigens nicht dadurch definiert, dass keine Milch aus der Brust kommt, sondern dadurch, dass nicht genug Milch kommt, um den Hunger des Babys zu stillen. 

1.5 Millionen Frauen, die sich jedes Mal, wenn sie diesen Satz gesagt bekommen, fragen müssen, was sie eigentlich falsch machen. Dazu kommen die vielen Frauen, die aus anderen Gründen nicht stillen können oder wollen – und keine der beiden Gründe macht die Frau zu einer schlechteren Mutter. Ich würde sogar sagen, dass eine klare Entscheidung für oder gegen etwas – Stillen, natürliche Geburt, Betreuung ja/nein etc. – eine bessere Mutter aus einem macht, denn Klarheit kann niemals schaden. 

So entschied ich mich dieses Mal sehr früh in der Schwangerschaft dafür, dass ich dieses Mal nicht stillen werde und auch keinen Versuch starten werde, es zu versuchen. Dieses Mal werde ich meine Kräfte anderweitig brauchen und meine Zeit und meine Energie nicht mit pumpen, vielen Tränen, Verzweiflung, einem hungrigen Baby und Vorwürfen verschwenden. Keine Brustentzündungen und Antibiotikum wie in den anderen Wochenbetten, dafür ein Medikament direkt nach der Geburt, das den Milcheinschuss verhindert. 

Und ich entschied mich vor einiger Zeit dafür, zu sensibilisieren, dass Sprache eben uns alle betrifft – mich, die viel dazu lernt, aber auch alle anderen und ganz sicherlich auch die 11.3 Millionen Frauen mit Kindern.