Kinderwunsch endometriose

Bei einer Routineuntersuchung entdeckte meine Frauenärztin 2017 eine kleine Zyste an meinem linken Eierstock. Entgegen ihrer Prognose verschwand die Zyste leider nicht, wurde immer größer und irgendwann stand fest: Sie muss weg. Im März 2018 hatte ich meine Bauchspiegelung. Ich verkraftete die OP super und war froh, dass ich dieses Ding los war. Bei der Nachsorge bei meiner Ärztin kam dann der Schock – der pathologische Befund ergab, dass die Zyste eine Endometriose-Zyste war. Meine Ärztin klärte mich kurz auf, was es damit auf sich hat und machte mir auch direkt klar, dass ich einen Kinderwunsch, falls vorhanden, relativ zügig umsetzen sollte. 

Jackpot, ich war gerade 28 und keine zwei Monate mit meinem neuen Freund zusammen.  Ich war Hals über Kopf verliebt, aber er jemand, dessen Beziehungen bisher selten lang gehalten hatten. 

Das gehört halt so. Pustekuchen

Mit der Diagnose wurde mir nicht nur mein starker Kinderwunsch klar, sondern auch, dass ich schon immer Anzeichen für eine Endometriose hatte, sie nur nicht kannte. Als Frau hat man halt sehr starke Menstruationsschmerzen, das gehört halt so. Pustekuchen. 

Da mein Freund gerade in Kolumbien unterwegs war, hatte ich etwas Zeit, mir zu überlegen, wie ich ihm an so einem frühen Punkt vermitteln sollte, dass ich ein Baby will, und nicht erst so in fünf guten Jahren, wenn man so richtig viel gute Paarzeit miteinander verbracht hat. Aber irgendwie gibt’s da keinen behutsamen Weg. Als er aus Kolumbien zurück war, erzählte ich ihm also von der Diagnose und was sie bedeuten kann. Und ich stellte die Fragen der Fragen: “Kannst du dir vorstellen mit MIR Kinder zu bekommen und zwar schon in ein, zwei Jahren?”

Und wenn es so nicht klappt, adoptieren wir!

Ich hatte so krasse Angst vor diesem Moment. Seine Antwort hätte ich mir allerdings in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können: “Ja, und wir stehen das zusammen durch. Und wenn es so nicht klappt, adoptieren wir eben am Ende.”

Spätestens mit dieser Antwort wusste ich, dass ich endlich angekommen war. Natürlich wollten wir uns erst einmal besser kennenlernen, die Zeit zu zweit genießen, nur wir sein, aber uns war bewusst, dass wir gewisse Entscheidungen früher angehen würden als vielleicht andere Paare. In der Hinsicht lief also alles super.

Was nicht so super lief, waren die Behandlung der Endo und deren Nebenwirkungen. Da ich noch nicht so fundiertes Wissen hatte, fing ich an, auf Empfehlung meiner Ärztin wieder die Pille zu nehmen, die ich so stolz mit 24 abgesetzt hatte, weil ich keine Lust mehr auf Hormone hatte. Ihre Nebenwirkungen trafen mich hart. 

Ich erkannte mich selbst nicht wieder, bekam starke depressive Schübe, konnte nicht mehr lachen, nichts mehr genießen. Die Angst, keine Kinder bekommen zu können, wurde immer größer. Zum Glück war ich durch betroffene Freunde sehr auf Depressionen sensibilisiert und ich wollte das einfach nicht. Ich wollte nicht, dass es irgendwann zu spät ist, also suchte ich mir Hilfe. Bevor ich eine gute Therapeutin finden konnte, wurden die Schübe so schlimm, dass mich meine Mutter an Weihnachten 2018 flehend bat, die Pille abzusetzen und ich hörte auf sie. 

Tatsächlich klärte sich mein Gemüt relativ schnell wieder auf, allerdings war der Gedanke, dass sich die Endo jetzt eventuell wieder fleißig ausbreitet, sehr präsent. Ich fing eine Therapie an, die mir half, mit meinen Ängsten umzugehen, sie aber nicht auflöste. Mein Freund und ich zogen in der Zeit zusammen, ich wechselte den Job, wir machten tolle Urlaube und wir hatten immer wieder verzweifelte Diskussionen und schwere Momente, in denen ich meine Angst zum Ausdruck brachte. Ich wollte ihn nicht überfordern, ihn nicht zu etwas drängen oder überreden, aber er musste auch irgendwie gleichzeitig mein Anker sein. Es war definitiv nicht einfach für uns, aber wir haben das toll gemeistert. Er ist wirklich ein ganz besonderer Mensch.

Ich bekam meine Periode

Ende Sommer 2019 kamen wir dann zu der Entscheidung, dass wir das Baby-Thema angehen wollten. Ich weiß noch, dass wir an dem Tag Sushi essen waren und wir bekamen Glückskekse. In meinem stand: “Ein lang ersehnter Wunsch wird in Erfüllung gehen.” Ich hoffte so sehr, dass dieser kleiner Zettel Recht behalten würde. Doch relativ bald kam die Ernüchterung und ich bekam meine Periode. Wäre ja auch verrückt gewesen, hätte es direkt beim ersten Versuch geklappt.

Wir probierten also weiter und naja, meine Periode sagte wieder: “Hallo!” – dachte ich.

Nach zwei Tagen war sie vorbei, was eigenartig war. Sie kam auch nicht wieder und langsam machte sich der Gedanke breit, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, zu testen. Wir warteten noch ein paar Tage und dann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Wir machten den Test, ich konnte nicht denken vor Aufregung und bat meinen Freund, draufzuschauen. Und er rief lachend aus dem Bad: “Was bedeuten nochmal zwei Striche?”

Ich war schwanger!

Ich konnte es wirklich kaum glauben, aber ich war schwanger. Im zweiten Übungszyklus und das mit Endometriose. Ich war so glücklich, aber auch so skeptisch. Aber siehe da, unser Sohn wurde kerngesund im Juni 2020 geboren und wir sind dankbar, müde und unfassbar glücklich. Manchmal ärgere ich mich, dass mir die Diagnose diese romantische Unbeschwertheit des Kinderkriegens genommen hat, aber auf der anderen Seite bin ich auch dankbar dafür, dass sie mir gezeigt hat, was es für ein verdammtes Wunder ist, so ein kleines Wesen in die Welt zu setzen. 

Die Angst davor, dass wir bei einem eventuellen zweiten Versuch nicht mehr so ein Glück haben, ist zwar wieder da, aber ich möchte mit meiner Geschichte Hoffnung machen. Vor allen denen, die von ihrer Diagnose wissen, Kinder wollen, aber noch nicht an dem Punkt der Umsetzung sind. Es kann alles gut gehen, es kann die Hölle sein bis dahin, aber Endo muss kein Aus für einen Kinderwunsch sein. Meine Schwester hat übrigens auch Endometriose; Zysten und viele Entzündungsherde an Blase und Darm wurden letztes Jahr in einer umfangreichen OP bei ihr entfernt. Jetzt ist sie in der 16. Woche schwanger und ich kann es kaum erwarten, Tante zu werden.