Babyfüße

Achterbahn fahren. Ungewollt einsteigen, durchhalten und wieder glücklich aussteigen. So etwa hat sie sich angefühlt, unsere Reise von der ich erzählen möchte. Wie wir unsere vier künstlichen Befruchtungen erlebt haben.

Nie im Leben kriegt man mich in eine Achterbahn. Ich bin immer die, der schon beim Zuschauen schwindelig wird. Doch in diese Achterbahn musste ich einsteigen: ein völliges Achterbahn-Gefühlschaos mit Höhen und Tiefen und ganz viel Schwindel. Genauso hat sich die Zeit der insgesamt vier künstlichen Befruchtungen für mich angefühlt, die wir erlebt haben. Ich freue mich darüber, dass Sie mir zwei Kinder in meinem Arm und eines in meinem Herzen geschenkt haben. Denn ohne diese Möglichkeit, wären wir mit ziemlicher Sicherheit bis heute kinderlos. 2015 hatte ich meine erste künstliche Befruchtung. Dann folgte eine künstliche Befruchtung im Jahr 2020 sowie zwei im Jahr 2021.

Wie es begann

Alles begann im Jahr 2015, in dem ich meinen Papa und meine Freundin an den Krebs verlor. Wir fragten uns nach diesen Verlusten, auf was wir noch warten sollten. Wir kamen zu dem Entschluss, es jetzt zu versuchen und nicht noch zu warten … Lass uns die Pille absetzen und dann wird es schon passieren, ich werde bestimmt bald schwanger, dachte ich. Vielleicht wird es dauern. Aber es wird passieren. So sicher waren wir, mein Mann und ich, uns. Doch daraus wurde nichts. Meine Frauenärztin schickte mich nach einem halben Jahr in eine Kinderwunschklinik, die uns als Paar erst mal gründlich durchcheckte. Nach einiger Zeit wurde klar, dass wir auf natürlichem Weg eher keine Kinder bekommen konnten. Da standen wir nun mit der Diagnose und dem Wissen, dass wir Hilfe brauchen.

Zwischen Arbeit und Kinderwunschklinik

Nach der Diagnose kamen der Papierkram und die Kosten. Das dauerte bei der ersten künstlichen Befruchtung sehr lange, denn da ich gesetzlich versichert bin und mein Mann privat, war es viel schwieriger, eine Bewilligung zu bekommen. Aber nach einem halben Jahr hatten wir die Bewilligung in der Hand und konnten starten.

Starten? Was das hieß, dass wussten wir bis dahin noch nicht. Bei uns war eine ICSI notwendig. Das heißt, dass eine einzelne Samenzelle mit einer sehr feinen Nadel direkt in eine Eizelle eingeführt wird, die zuvor dem Eierstock der Frau entnommen wurde.

Der erste Termin begann mit einer Terminplanung und genauen Anweisung, wann und wie viel Hormone ich mir mit einer Spritze injizieren musste. Nach einer kurzen Einweisung musste ich mich nun regelmäßig zu bestimmten Zeiten spritzen, um meine Eizellen schnell und möglichst viele davon heranreifen zu lassen. Das erfolgte über einen Zeitraum von ca. einem ganz „normalen“ Zyklus. Während dieser Zeit wurde mir Blut abgenommen und auch immer wieder kontrolliert, ob die Hormondosis ausreicht und diese entsprechend angepasst.

Die Spritzen musste ich mir nach dem Praxisbesuch immer direkt aus der Apotheke holen. Und dafür legte ich dann mal eben 300 Euro und mehr hin. Alles musste zuerst aus eigener Tasche vorgestreckt werden. Ich erinnere mich noch genau, wie ich manchmal in der Apotheke schlucken musste. Vieles bekamen wir zurück. Ein Eigenanteil blieb.

So hangelte ich mich zwischen Arbeit und Kinderwunschklinik durch den Alltag. Spritzte mich vor der Arbeit und versuchte, die Achterbahn im Kopf abzustellen. Da schwirrten Fragen in meinem Kopf, ob das alles überhaupt klappen konnte oder gar alles umsonst sein würde.

Zum Ende des Zyklus wurde dann besprochen, wann der Eisprung mittels erneuter Injektion ausgelöst werden sollte. Dann wurde ein Termin für die eigentliche Eizellenentnahme unter Narkose vereinbart. Da ging es also nun richtig los. Zur Narkose musste ich nüchtern erscheinen. Mein Mann durfte und musste mich, auch wegen seiner Samenspende, am selben Tag begleiten. 2016 durfte er noch als Begleitung mit in den OP und zuschauen – die anderen Male aufgrund von Corona nicht. Die Eizellen wurden mir während der Narkose entnommen. Im Aufwachraum erfuhr ich dann, wie viele Eizellen reif waren. Bei mir waren es immer um die drei bis sechs Stück. Es gibt aber auch Frauen, bei denen deutlich mehr entnommen werden können.

Nach dem Eingriff ließ ich mich vom Hausarzt krankschreiben, denn ich wollte nicht, dass mein Chef erfuhr, dass ich aufgrund unseres Kinderwunsches krankgeschrieben wurde. Dies klappte reibungslos. Stunden danach bekam ich Unterleibsschmerzen und das Gehen fiel mir schwer. Ich war also sehr froh, nicht arbeiten zu müssen.

Einen Tag nach der Entnahme musste ich auf einen wichtigen Anruf warten. Denn ich würde erfahren, wie viele der entnommenen Eizellen befruchtet sind und sich gut entwickeln. Ein Bibbern mit erneut vielen Fragen im Kopf: Haben sich mindestes zwei Eizellen befruchten lassen? Oder wenigstens eine? Denn wir wollten gern zwei Eizellen einsetzen lassen, um die Wahrscheinlichkeit auf 40 % zu erhöhen. Es kreisten Gedanken in meinem Kopf, ob überhaupt eine Eizelle befruchtet ist oder der ganze Aufwand umsonst war. Als der ersehnte Anruf kam, hatten wir Sicherheit: zwei Eizellen waren befruchtet. Genau wie gewünscht. Wir hatten Glück, dass dies bei allen vier Versuchen so war.

Wenige Tage später wurden die befruchteten Eizellen mittels eines kleinen Katheters wieder bei mir eingesetzt. Dazu war keine Narkose mehr notwendig, es glich einer gynäkologischen Untersuchung. Jetzt hieß es warten. Ich musste mir ein paar Tage später noch einmal eine Hormonspritze verabreichen und dann hieß es wieder warten. Warten, dass sich eine befruchtete oder besser zwei befruchtete Eizellen einnisten und weiter wachsen zu unserem Baby.

Der ganz normale Alltag half mir, nicht völlig durchzudrehen. Nicht ständig den angeschwollenen Hormonbauch zu betrachten und sich zu fragen, ob schon etwas in ihm wächst. Ob das alles nicht umsonst war, sondern sich endlich der großer Wunsch erfüllte.

Nach 15 langen Tagen durfte ich dann in die Kinderwunschklinik kommen, um einen Schwangerschaftstest zu machen. 15 Tage, in denen ich mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen und des Alltags zurückholen musste, um nicht in der Gedankenachterbahn zu fahren und mich nicht zu früh zu freuen.

Es sollte ein Weihnachtsbaby werden

2016 durfte ich nach der Blutabnahme zum Schwangerschaftstest mittags telefonisch erfragen, wie das Ergebnis war. Dort erhielt ich die positive Nachricht, dass ich schwanger war! Wenige Wochen später gabs dann das erste Ultraschallbild mit der Gewissheit, dass sich eine von zwei Eizellen eingenistet hatte. Es sollte ein Weihnachtsbaby werden. Und zehn Tage vor Weihnachten hielten wir unseren perfekten Sohn in unseren Armen.

Wir konnten dankbarer nicht sein, denn ohne die moderne Medizin würden wir heute keine Eltern sein. Für uns war damals klar, dass uns dieses Glück reicht. Das wir diese psychische Belastung gar nicht noch mal wollten. Denn wir konnten uns sehr glücklich schätzen, dass der erste Versuch eben ein Volltreffer war.

Doch es kam anders. 2020 kam doch der Wunsch nach einem Geschwisterkind. Adoption? Sollte das für uns eine Option sein? Durch einen Geldzuschuss der Großeltern und den Mut, den wir entwickelten, wollten wir es dann doch noch einmal mithilfe der künstlichen Befruchtung wagen. Wir gaben uns maximal drei Versuche. Wenn es dann nicht sein sollte, dann wollten wir so glücklich bleiben.

Also versuchten wir es 2020 wieder. Der Anruf kam und es hatte erneut geklappt! Aber dieses Baby schaffte es leider nicht in unsere Arme. In der 11. Woche hörte sein Herz auf, zu schlagen. Nach einer Zeit der Regeneration, die wir brauchten, versuchten wir es Anfang 2021 erneut. Ich erlebte das erste Mal den Anruf, in dem mir gesagt wurde, dass es leider nicht geklappt hatte. Ich schaute auf meinen Bauch, der leider nicht wegen einem Baby, sondern wegen der vielen Hormonen gewachsen war. Ein Stich ins Herz. Ich bekam eine Ahnung davon, was die vielen Frauen fühlten, die unendlich viele Versuche brauchten, um schwanger zu werden und davor wieder und wieder so eine Nachricht bekamen.

Im gleichen Jahr kam dann der ersehnte positive Test beim dritten Versuch. Das Baby wuchs und entwickelte sich so, wie es sein sollte. Unser Mädchen ist jetzt in unserer Mitte und wir sind sehr glücklich, dass wir diese Achterbahnfahrt erneut gewagt haben. Denn am Ende hat sich jede Anstrengung gelohnt.

Wie schön wäre es, wenn diese Möglichkeit einfach jedes Paar mit unerfülltem Kinderwunsch hätte. Ob arm, ob reich, ob verheiratet oder nicht… einfach ALLE, die es möchten.