Ich erzähle euch von einem Gedankenexperiment von mir. Vor einiger Zeit habe ich angefangen darüber nachzudenken, wie ich erklären könnte, wie (meist) Influencer ihre Reichweite auf Instagram stärken können. Es gibt verschiedenste Strategien, um sein Follower-Wachstum anzutreiben. Eine davon sind Gewinnspiele. Daher überlegte ich, wie ich am besten veranschaulichen kann, was da eigentlich passiert – bei gekauften Gewinnspielen. Was das bedeutet, erzähle ich euch im Laufe des Textes. 

Ich packe mein Gewinnspiel und nehme mit:

Ich zog in Erwägung, ein Experiment zu starten und ganz transparent vier Highlights der „Give-away-Insta-Bubble“ zu verlosen. Das wäre ein Thermomix, eine Playmobil-Wasserbahn, ein Westwing-Gutschein und natürlich eine Playstation. Diese Produkte wollte ich kaufen, um sie dann mit Kollegen zu verlosen. Euch hätte ich vom Kauf bis hin zum Auslosen des Gewinners und des daraus folgenden Follower-Verlusts mitgenommen. Akribisch mitgenommen! 

Da das Ganze ein Gedankenexperiment geblieben ist, könnt ihr euch denken, dass ich meinen Plan über Bord geworfen habe. Das liegt nicht an den ca. 3.000€, die ich hätte investieren müssen – die hätte ich wahrscheinlich durch neue Follower wieder rausgehabt. Es liegt an einer Moralvorstellung, die ich an meinen Instagram-Account knüpfe und das bedeutet: Ich kaufe keine Follower – auch nicht für ein Experiment. Und genau das wäre es schlussendlich, abgekürzt und ohne Recherchehintergrund, gewesen. Follower-Kauf – so wie jedes gekaufte Gewinnspiel. 

How to: Instagram

Durch den Instagram Boom im Jahr 2010 veränderte sich die digitale Welt. Am ersten Tag waren es 25.000 Anmeldungen, nach einer Woche schon eine Million neue Registrierungen auf der App, die als soziales Netzwerk Bilder in Quadraten postet. Mit Stand Juli 2021 gibt es nun auf Instagram 1,22 Milliarden aktive Nutzer. Und jeder, der Instagram öffentlich nutzt, möchte etwas vom Kuchen abbekommen – behaupte ich jetzt mal. Die einen, um an Reichweite für ihre Egozwecke zu gelangen, die anderen, um Instagram als Multiplikator zu nutzen für andere Inhalte oder Produkte. Und dann gibt‘s da noch welche, die damit ihr Geld verdienen. Um mal kurz aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich nutze Instagram für alle drei Punkte. 

Um seine Reichweite zu vergrößern, gibt es verschiedenste Optionen. Es gibt Themenwochen, bei denen sich Content Creator zusammentun und ihre Follower auf andere Profile locken, weil sie über ein ähnliches Thema sprechen. Es gibt klassische Shout-Outs, in denen man (im besten Fall) Lieblingsprofile vorstellt. Es gibt gemeinsame Aktionen, die man umsetzt und sich gegenseitig verlinkt. Es gibt Gewinnspiele. Und alle Punkte sind legitim, total normal und auch zum Teil notwendig. Denn wenn man einen gewissen Anspruch an sein Wachstum hat (aus welchen Gründen auch immer), muss man sich darum kümmern. Die Profile, die von ganz alleine Aufmerksamkeit bekommen und stetig wachsen, gibt es, aber sie sind selten. 

How to: Gewinnspiele

Bei allem kommt es aufs Wie an. Auch bei Gewinnspielen. Denn hier gibt es große Unterschiede, die ich euch gerne erklären möchte. Es gibt die schönen Gewinnspiele, die man mit meist kleinen Shops veranstaltet, die auf die Reichweite von größeren Profilen angewiesen sind. Die unterstützt man gerne. Meist ist der Gewinn aber nicht so hochpreisig oder relevant, dass man eine große Reichweite für sich selber damit generiert. Der Unterschied zu anderen Gewinnspielen ist, dass das aber hier auch nicht die Intention ist. Die Intention ist eher, dass man mit feinen, kleinen Marken Inspirationen an seine Follower weitergibt und kleine Geschäfte unterstützt. 

Eine andere Möglichkeit sind Gewinnspiele mit attraktiven Gewinnen, die man zusammen mit einem Unternehmen, mit dem man schon zusammengearbeitet hat, verlost, um dann (auch hier im besten Fall mit Kollegen, die man mag) von dem Dritten im Bunde Follower abzugreifen. Diese Form von Gewinnspiel ist für alle eine Win-Win-Situation. Denn nicht nur die Influencer tauschen Reichweite aus, sondern auch das Unternehmen profitiert von der kostenlosen Werbung. 

Außerdem gibt es Gewinnspiele, die bezahlt werden, die im Laufe einer Kooperation stattfinden. Auch Unternehmen sind an Wachstum interessiert und fragen des Öfteren in Verhandlungsgesprächen danach. Solche Gewinnspiele werden meist genauso vergütet, als wenn ein klassischer Werbepost stattfinden würde. Konkrete Preise von Influencern findet ihr übrigens hier

Die fragwürdigsten Gewinnspiele sind aber die, bei denen Produkte oder Gutscheine gekauft werden, um sie dann zu verlosen. Dabei handelt es sich eins zu eins um Follower-Kauf, denn die Follower werden durch vorher ausgegebenes Geld dazu animiert, zu kommen und im besten Fall zu bleiben. Das machen aber nur wenige, daher muss es wieder ein Gewinnspiel geben und wieder und… ihr versteht schon: ein Teufelskreis. 

Wer mit wem

Gekaufte Gewinnspiele auf Instagram sind übrigens nicht verboten, doch es müssen bestimmte Richtlinien eingehalten werden, die ich euch hier verlinke. Die Frage ist also nicht, ob man somit seine Reichweite künstlich aufbauschen darf, sondern ob man dies will. Follower-Kauf ist nämlich in der Szene der Influencer sehr verrufen und nur wenige geben zu, dass sie es tun. Bei gekauften Gewinnspielen wird oft vergessen, dass wir hier über genau das gleiche sprechen. 

Hätte ich meinen Plan umgesetzt und hätte für Recherchezwecke Thermomix und Co. verlost, hätte ich zuerst einmal die Produkte gekauft, dann wäre ich auf die Suche nach Influencern gegangen, die eine gute Engagement-Rate haben. Eine Engagement-Rate ist nämlich viel entscheidender in puncto, wie „erfolgreich“ der Influencer wirklich ist. Diese lässt absehen, wie viel Interaktion (Likes und Kommentare) derjenige auf seinem Profil hat. Die Influencer hätte ich aufgeklärt, dass ich ein Produkt gekauft habe, dieses nun verlosen möchte und ob sie mitmachen wollen (natürlich hätte ich sie ebenfalls über mein eigentliches Interesse in diesem konkreten Fall aufgeklärt: Sie „bezahlen“ mit ihrer Reichweite – da diese höher ist als meine). 

Hier ist es von Vorteil, wenn man Influencer wählt, die andere Themen behandeln und anders ausgerichtete Follower haben. Wenn die Influencer zugesagt haben, erstellt man ein Template, koordiniert die Verlosung und dann postet schlussendlich jeder um die gleiche Uhrzeit an einem bestimmten Tag das „Mega-Give-Away“. Ausgelost wird durch einen Generator, den es online gibt. Versendet wird das Produkt dann von mir, die die Gewinne ja vorher gekauft hat. Je nach Größe der Accounts, die mitmachen, können so zwischen 1–30 Tausend Follower zu mir gelangen. Davon verschwindet aber mindestens die Hälfte wieder (tendenziell eher 90 Prozent) kurz darauf. Daher lohnt sich eine solche Anschaffung nur, wenn man wirklich gut recherchiert und vernünftige Partner sucht außer wenn man diese Art der Reichweitengewinnung häufiger macht. 

Merry Christmas

Besonders beliebt sind diese Gewinnspiele um Weihnachten rum. Sie sind sogar so erfolgreich, dass sich manche Influencer überlegt haben, dass sie einen Vor-Adventskalender starten, der schon im November startet – und oft erst im Januar aufhört. Einen Follower-Aufbau von 200.000 plus habe ich in solchen Zeiten schon beobachtet. Denn um die Weihnachtszeit sind nicht nur besonders viele Gewinnspiel-Jäger unterwegs – solche, die sonst das Kreuzworträtsel in der TV-Zeitung ausfüllen – sondern auch viele Follower, die sich erhoffen, ein paar Weihnachtsgeschenke abzugreifen, die sie sich sonst vielleicht nicht leisten können. (Da können wir nur alle hoffen, dass auch wirklich alle Gewinne wirklich verschickt werden – aber das ist ein anderes Thema.) 

Zu krass oder nicht krass genug?

„Der Gewinnspiel-Horror“ – vielleicht ein krasser Titel. Aber zu krass? Ich finde nicht, denn in unserer Bubble, in der wir uns tagtäglich aufhalten, egal ob Creator oder Konsument, ist diese Bereicherung durch unfaire Mittel einfach nicht richtig. Wie bei allem bestimmt auch hier die Dosis das Gift. Gewinnspiele an sich zu verteufeln, ist der falsche Weg, denn es kann ein toller Weg sein, neue Shops kennenzulernen, seine Reichweite zu stärken, neue Leute auf sein Profil zu locken, die bleiben, wenn es ihnen gefällt. Man sollte aber immer im Hinterkopf behalten, dass jeder Mensch, der da rüberkommt, eben ein Mensch ist und kein Dollarzeichen, dass man schlussendlich wieder in Thermomixe umrechnet. 

Wenn ihr checken wollt, um was für eine Art Gewinnspiel es sich handelt, prüft am besten die Teilnahmebedingungen. Wenn es kein Unternehmen ist, dem man folgen muss, wenn es davor oder danach keine Werbestory beziehungsweise eine Vorstellung der Produkte gibt, handelt es sich augenscheinlich um ein selbstgekauftes Produkt. Solange ihr dann niemandem folgen sollt, ist es einfach eine Geste des Influencers und anders zu bewerten, als wenn ihr nun fünf andere Profile verfolgen müsst, dann… ja… ihr könnt es euch denken, riecht es ganz schön nach Gewinnspiel-Horror.