geschrieben von Jessica Sommer

Liebeskummer; ein richtig mieses Gefühl, dass bestimmt jeden das ein oder andere Mal im Leben einholt. Heulend zu Sam Smith unter der Dusche mitsingen, mit riesigen Eisbechern unter der Wolldecke im Selbstmitleid suhlen oder total besoffen den gebrochenen Stolz im Club wegfeiern. Es gibt viele Wege sich dem Herzschmerz hinzugeben oder ihm zu entkommen.

Wenn Liebesgefühle nicht erwidert werden oder Beziehungen zu Bruch gehen, bricht einem auch das Herz – in manchen Fällen sogar wortwörtlich. Das ‚Broken-Heart-Syndrom‘ kann auftreten wenn Trauer, Kummer oder Stress nach dem Verlust eines geliebten Menschen zu groß wird.

Eine platonische Liebe

Ich habe meine große Liebe mit 15 gefunden und mit 27 geheiratet. Inzwischen haben wir 2 Kinder und eine echt coole Ehe. Daher ist mir das Gefühl eines gebrochenen Herzens lange erspart geblieben.

Mit Anfang 20 jedoch lernte ich während meiner Ausbildung jemanden kennen.

Sie hieß Amelie und arbeitete als Aushilfe für dasselbe Unternehmen und es war Liebe auf den ersten Blick. Eine platonische Liebe, denn ich war in meiner Beziehung sehr gefestigt und wir standen beide nicht auf Frauen. Aber es war die tiefste, innigste Freundschaft, die ich bis dahin je erlebt hatte. Wir verbrachten fast jeden freien Tag nach der Arbeit gemeinsam, gingen jedes Wochenende feiern, fuhren zusammen in den Kurzurlaub. Ich integrierte sie in meinen gesamten Freundeskreis und irgendwann gab es uns nur noch im Doppelpack. Wir trugen Kleidung im Partnerlook, hatten Spitznamen füreinander und deckten uns gegenseitig, wenn einer verkatert zur Arbeit kam. Sie kam sogar zu Familienfeiern mit und auch mein Freund mochte sie so gerne, dass wir oft Zeit zu dritt verbrachten.

Ein ganz heikles Thema

Ich habe nie die eine beste Freundin gehabt und genoss es so sehr, meine kleine Seelenverwandte gefunden zu haben. Innerhalb kürzester Zeit wussten wir alles voneinander, als ob wir schon seit dem Kindergarten Freundinnen gewesen wären.

Nach einigen Monaten jedoch spürte ich bei dem ein oder anderen Gespräch, dass es ein ganz heikles Thema zwischen uns gab: Politik. Sie spürte das wohl auch, denn es gab das unausgesprochene Gesetz zwischen uns, dass dieses Thema einfach in unserer Freundschaft ausgeklammert wird.

Dass das nicht auf Dauer funktionieren konnte, war mir klar. Wir waren nicht einfach nur unterschiedlicher Auffassung, sondern auch unsere Berufe spielten eine große Rolle in der unterschiedlichen Ansicht. Aber da wir alle noch in unseren Ausbildungen steckten, versuchte ich den Graben zwischen uns lange zu ignorieren.

Weniger Kontakt, mehr Distanz

Es dauerte einige Zeit bis mir auffiel, dass sie mich ihren Freunden nicht vorstellte. Den ein oder anderen lernte ich mal zufällig kennen und aus Erzählungen wusste ich auch wer wer war, aber sie nahm mich nie mit.

Irgendwann zog sie in einen anderen Stadtteil, der nicht nur weit von meinem entfernt war – er entsprach auch viel mehr ihrer politischen Einstellung. Ich organisierte ihren ganzen Umzug und half beim Einrichten ihres WG-Zimmers und fühlte auf einmal Eifersucht in mir aufkommen. Ihre neuen Mitbewohner waren nett, aber passten so viel besser zu ihr, dass ich unsicher wurde. Bei gemeinsamen Abenden bei einem Glas Wein in der WG traute ich mich kaum noch, etwas zum Gespräch beizutragen, da die Diskussionen immer häufiger hitzig wurden.

Schnell wurde der Kontakt weniger, Treffen wurden vergessen oder abgesagt und wenn wir uns sahen, war die Stimmung kühl und wir tänzelten beide mit Smalltalk umeinander herum. Unsere Beziehung war vergiftet, ohne dass wir uns stritten oder uns absichtlich weh taten.

„Ist auch besser so…“

Einige Monate später feierte sie eine große Geburtstagsparty. Ich freute mich sie wiederzusehen und war extrem aufgeregt, weil ich nun doch endlich ihre Freunde kennenlernen sollte.

Als ich an dem Tag die Location betrat, spürte ich sofort, dass ich hier nicht hingehörte. Niemand stellte sich mir vor, ich wurde abwertend gemustert und so stand ich einige Zeit alleine an einem Stehtisch. Ich fühlte mich wie eine Außenseiterin in der Schule und musste meinen ganzen Mut zusammen nehmen, um mich (erfolglos) in ein Gespräch zu integrieren. Meine Freundin tat den ganzen Abend so, als wäre ich nicht da und als ich mich von ihr verabschieden wollte und mich höflichkeitshalber für mein frühes Verschwinden entschuldigen wollte, sagte sie nur „Ist auch besser so, dann können wir jetzt endlich richtig feiern.“

Mir war klar, dass das Ende war. Ich heulte den ganzen Rückweg und verkroch mich einige Zeit jeden Abend in einen großen Eimer Ben & Jerry’s. Eine Weile stalkte ich sie auf den sozialen Medien, wo sie inzwischen ihrer Gesinnung freien Lauf ließ. Als nach einigen Wochen ihre Profile voll von politischer Hetze waren, blockierte ich sie und löschte ihre Nummer und alle gemeinsamen Fotos.

Ich hab zwar nicht unter der Dusche weinend gesungen, aber mein Herz war gebrochen und die eineinhalb Jahre intensivster Freundschaft lagen wie ein Scherbenhaufen vor meinen Füßen.

9 Jahre später

Ich habe sie bis heute, knapp 9 Jahre später, nie wieder gesehen. Hin und wieder denke ich an die schöne Zeit die wir hatten und frage mich, wie sie heute so ist oder wo sie wohl lebt.

Die frühen Zwanziger sind für so viele Menschen eine Zeit der Orientierung und Findung – was will man vom Leben? Welches Studium, welchen Beruf wähle ich? Welche Freunde begleiten mich durchs Leben, wer kommt, wer bleibt und wer geht? Welche Partei wähle ich? Welchen Lebensstil will ich und wie aufgeschlossen und tolerant bin ich meinen Mitmenschen gegenüber?

Dass sich während dieses aufregenden Jahrzehnts Freundschaften auseinanderleben, weil man eben ganz verschiedene Wege einschlägt ist ganz normal und kennt bestimmt auch jeder. Die einen ziehen für das Studium weg oder reisen um die Welt. Die anderen bekommen früh Kinder oder verlieben sich in eine andere Stadt. Wenn man sich dann nach einigen Jahren zufällig wieder begegnet, tauscht man sich aus und schwelgt in gemeinsamen Erinnerungen. Wenn man sich aber politisch auf so unterschiedlichen Wegen befindet, und eine aufregende Freundschaft daran so zerbricht, dann wechselt man lieber die Straßenseite oder steigt eine Haltestelle früher aus, damit man sich nie wieder begegnen muss.