Mit einer gehörigen Portion Naivität bin ich 2019 in die bisher schönste und gleichzeitig herausforderndste Situation meines Lebens geschlittert. Ich habe nach Jahren einen Arbeitskollegen wieder getroffen und ohne, dass einer von uns beiden auf der Suche nach eine Beziehung war, hat es sofort zwischen uns gefunkt. Einige Kaffee-Dates später berichtete er mir, dass er in Trennung lebe, noch nicht geschieden sei und zwei Jungs habe – der Kleine 8, der Große 16. Im ersten Moment für mich ein Schock – eigentlich wollte ich keinen Partner, der noch mitten in der Scheidung hängt. Über die Auswirkung, die seine beiden Kinder auch auf mein Leben haben würden, habe ich mir zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Gedanken gemacht. Aber naja, ich wäre wohl nicht ich, wenn ich in dem Moment einen Rückzieher gemacht hätte.
Wir lernen uns kennen
Ich war zu diesem Zeitpunkt Mitte 30 und stand mitten im Berufsleben. Ich hatte mein ganzes Leben keinen konkreten Kinderwunsch gehabt und schätze bis heute mein kinderloses Leben sehr. Mein Partner war Anfang 50, erfolgreich im Job und gleichzeitig in seiner freien Zeit sehr fürsorglicher Papa. Papa von zwei Jungs, die auf unterschiedliche Weise die Trennung ihrer Eltern noch überhaupt nicht verarbeitet hatten. Und Noch-Ehemann seiner damaligen Frau.
Unsere Beziehung wurde verbindlicher und dank Corona haben wir uns im ersten halben Jahr unserer Beziehung besser kennengelernt, als ich das bei früheren Beziehungen nach Jahren kannte. Wir sprachen über eine gemeinsame Zukunft, wie wir uns diese vorstellen könnten, welche Wünsche und Träume wir hatten. Und der Tag rückte näher, an dem ich seine beiden Jungs kennenlernen sollte. Wir sind in diese Situation beide sehr naiv hineingegangen. Wollten die Dinge auf uns zukommen lassen und uns nicht im Voraus verrückt machen.
Zwei Fremde
Nach den ersten Wochenenden, die wir zu viert verbrachten, wurde mir bewusst, dass ich mir die nächsten zehn Jahre so nicht vorstellen konnte. Als kinderlose Frau war mir, bevor ich es selbst miterlebt hatte, nicht klar, welchen Einfluss die Jungs meines Partners auf mein Leben, meine Wochenendgestaltung, mein Wohlbefinden haben würden. Durch die beiden Jungs in unserem Zuhause habe ich sehr schnell bemerkt: Ich fühle mich in meinem eigenen Zuhause nicht mehr wohl. Ich konnte in meiner Ruhe-Oase nicht mehr auftanken, mein sicherer Hafen hatte plötzlich ziemlichen Seegang.
Für mich waren und sind die Jungs meines Partners zwei Fremde. Fremde, die ich noch nicht mal mehr wirklich sympathisch finde. Sie mich vermutlich übrigens auch nicht. Mein Zuhause war plötzlich laut und wuselig. Ich habe mich völlig fremdgesteuert gefühlt. Für mich eine unglaublich schwierige Situation. Ich bin hochsensibel und Lärm und Chaos sind für mich kaum zu ertragen. Ich liebe mein Leben, das ich selbst steuern kann und in dem ich darauf achten kann, dass ich mich nicht übernehme. In dem ich darauf achten kann, dass ich am Wochenende genügend Erholung bekomme, um unter der Woche einen tollen Job zu machen. In diese Struktur krachten plötzlich zwei Kinder, die es am liebsten gesehen hätten, wenn Papa wieder nach Hause gekommen wäre.
Unser Kompromiss
Bis heute weiß ich nicht, wie wir diese Phase so gut überstanden haben. Es war unglaublich herausfordernd für uns beide. Für mich, da ich mir überhaupt kein gemeinsames Leben mit seinen Kindern in meinem/unserem Haushalt vorstellen konnte. Und für ihn, da er eine Partnerin an seiner Seite hatte, die seine Kinder nicht „so lieben“ konnte wie er. Es war eine Zeit mit vielen Gesprächen, vielen Tränen, viel Verzweiflung – aber auch viel Hoffnung, weil wir immer wieder gemeinsam versucht haben, Lösungen zu finden. Lösungen zu finden, die langfristig tragen sollten. Ohne einander Vorwürfe zu machen, ohne uns gegenseitig zu verletzen. Es waren harte Verhandlungen – zwei Schritte vor, einer zurück. Immer mit der „Gefahr“, dass wir keinen gemeinsamen Nenner finden würden.
Am Ende haben wir beschlossen, die beiden Leben zu trennen. Mein Partner lebt seitdem in zwei Welten. In seiner Welt mit seinen Kindern und in unserer Welt. Er sieht seine Kinder regelmäßig. Begleitet sie zu Fußballspielen, fährt mit ihnen in den Urlaub. Ich bin bei diesen Aktivitäten raus – freiwillig raus. Unsere Welt sollte unsere gemeinsame Zukunft sein, ohne die ständige Beschäftigung mit seiner Familie. So zumindest der Plan.
Im Nachhinein müssen wir beide sagen, dass es ganz so einfach nicht war und noch immer nicht ist. Auch wenn wir uns beide wirklich viel Mühe geben, unser gemeinsames Leben zu leben, gibt es doch immer wieder Schnittmengen, über die wir sprechen müssen. Gibt es Termine, die verschoben werden müssen, Dinge bezüglich der Kinder, die meinen Partner beschäftigen, über die er gerne reden möchte. Urlaubspläne, die abgestimmt werden sollen. Für mich, als Mensch, der mit Fremdbestimmtheit nicht besonders gut umgehen kann, eine tägliche Herausforderung.
Zähes Kaugummi
Und nicht zuletzt ist da noch die Scheidung, die sich zog wie zähes Kaugummi. Ein weiterer Punkt, den wir beide bezüglich der emotionalen Belastung völlig unterschätzt hatten. Es gab keinen Rosenkrieg, keine bösen Worte – und trotzdem mussten Dinge geklärt werden. Musste Vermögen aufgeteilt werden, ein Haus überschrieben werden, Unterhalt verhandelt werden und noch vieles mehr. Themen, die wir häufiger in unserem gemeinsamen Leben hatten, als wir uns das beide gewünscht hätten.
Müsste ich heute einer Freundin einen Rat geben, so würde ich ihr sagen: „Warte mit einer Beziehung, bis die Scheidung endgültig durch ist. Du sparst dir damit viel Kraft und Nerven. Und sei dir bewusst, dass selbst wenn die Scheidung durch ist, die Vergangenheit deines Partners aufgrund der Kinder immer Teil eurer gemeinsamen Gegenwart und Zukunft sein wird.“
Was bedeutet Patchwork also für mich?
Wenn ich die Antwort in einem Wort geben müsste, dann wäre es: Kompromiss. Ein Kompromiss für alle. Für mich, die nie ein Leben ohne die Vergangenheit ihres Partners in ihrer Gegenwart führen wird. Für meinen Partner, der in zwei Welten leben muss, da die beiden Welten nicht miteinander funktionieren und nicht zuletzt auch für die beiden Jungs, die den Traum von „Papa kommt zurück“ nicht erfüllt bekommen.
Und trotz der ganzen Diskussionen, Hürden und Schwierigkeiten der letzten Jahre schauen wir positiv in die Zukunft. Wir haben uns gemeinsam ein Haus gekauft und wollen unsere Leben und unsere Zukunft miteinander teilen.