Babyfüßchen

geschrieben von Anna

Als ihre Mutter schwer erkrankte, wurde Anna bewusst, wie endlich das Leben ist und sie wollte sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen: ein Baby. Ohne Partner. Sie entschied sich, Single Mom zu werden. Mithilfe einer Samenspende wollte sie durch eine künstliche Befruchtung schwanger werden, was zu der Zeit als Single Mom nur in Dänemark möglich war. Nach einer Hormonstimulation wurden ihr bereits körpereigene Eizellen entnommen und mit dem Spendersamen zusammengebracht. Den ersten Teil ihrer Geschichte gibt es hier zu lesen. Wie es danach weiterging, erzählt Anna uns jetzt:

Nach einer Stunde Ruhezeit fuhr mein Papa mich nach Hause. Nun hieß es warten, bis die Klinik sich in ein bis drei Tagen melden würde. Am zweiten Tag kam der Anruf, dass vier Eier perfekt befruchtet seien und sich geteilt hätten und ich direkt losfahren sollte zum Einsetzen. Ich machte mich auf den Weg, diesmal alleine, um „mein Baby“ abzuholen. In der Klinik angekommen, gab es noch einen kurzen Austausch darüber, wie viele Eier eingesetzt werden sollten. In der Regel wird immer nur ein Ei eingesetzt und ab 35 Jahren zwei. Da sie um meine Situation wussten, hinsichtlich meiner Mama mitlitten, meinen Papa kannten und so sehr für mich hofften, wurden mir mit 33 Jahren zwei Eier eingesetzt. Auf dem Ultraschall konnte man das Einsetzen verfolgen. Die Ärztin sagte: Jetzt bist du schwanger – und ob du es bleibst, wissen wir in 14 Tagen.

Es war eindeutig: Ich war schwanger

Somit fuhr ich heim, ging zur Arbeit, traf mich mit Freunden und lebte wie bisher. Ich horchte und fühlte in mich hinein, aber da war einfach gar nix. Einfach nix und ich war überzeugt, dass es nicht geklappt hatte. 14 Tage später machte ich in der Früh einen Test und der war positiv. Einfach so ohne ein Anzeichen, einfach positiv. Ich informierte die Klinik und dann musste ich nochmal vier Wochen warten.

Danach ging es zu meinem Frauenarzt und es war eindeutig: Ich war schwanger – bereits in der sechsten Woche schlug das kleine Herz. Ich war einfach unfassbar glücklich und verwundert, dass es nun so sein sollte. In der neunten Schwangerschaftswoche war ich in Dänemark zur Abschlussuntersuchung. Das Herz schlug kräftig und es war auch nur eines. Die Ärztin freute sich für mich und verriet mir, dass der Spender 1,90 m groß ist. Das Team war ein ganz, ganz tolles, unfassbar herzlich und mitfühlend. Jetzt musste nur alles gut gehen.

Mit Hoffen und Bangen durch die Schwangerschaft

In SSW 14 informierte ich meinen Arbeitgeber. Meiner Mama ging es mittlerweile immer schlechter. Ich hatte Sorgen deswegen, und mein Baby wuchs nicht, wie es sollte. Hinzu kamen Blutungen, die teilweise beängstigend waren. Somit wurde ich engmaschig kontrolliert. Meine Mama strickte Babykleidung und freute sich über meinen kleinen Bauch. Da sie nicht mit zum Ultraschall konnte, besorgte ich einen Angelcare Smart Sensor, mit dem wir die Herztöne zu Hause hören konnten.

Da ich so voller Angst war, habe ich die ersten vier Monate jeden Tag einen Test gemacht, so lange, bis ich das Baby spüren konnte. An meinem 34. Geburtstag erfuhr ich, dass es ein Mädchen wird. Ich rief meine Mama an und sie suchte den Namen aus. Inzwischen war meine Mama im Krankenhaus und ich oft bei ihr – sogar über Nacht. Irgendwann kam sie dann auf die Palliativstation und alles war so absehbar und doch unerwartet. Als ich im fünften Monat war, ist meine Mama gestorben …

Nach der Beerdigung stürzte ich mich in jede Ablenkung, die es gab – bloß nicht nachdenken, bloß nicht alleine sein. Die Babymaus wuchs, aber eben viel weniger, als sie sollte. Weihnachten ging es mir nicht gut, seelisch wie körperlich. Nachts war ich noch im Krankenhaus, aber die schickten mich wieder weg. Am 27.12. hatte ich so arge Bauschmerzen, dass mein Frauenarzt mich ins Krankenhaus überwies. Sie machten allerhand Untersuchungen und schickten mich wieder heim. Mit der Einschränkung, dass sie sich ggf. nochmal melden, wenn die Blutergebnisse da sind. Keine drei Stunden später kam der Anruf, mit der Frage, wie schnell ich im Krankenhaus sein könnte – Verdacht auf akutes Help-Syndrom. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete, rief meine Schwester an und 20 Minuten später waren wir im Krankenhaus. Keine zwei Stunde später kam meine Tochter am 27.12.2012 per Notkaiserschnitt zur Welt anstatt am 06.02.2013.

Meine Schwester informierte noch meinen Vater, der die kleine Maus auch als erster auf der Intensivstation sehen durfte (ich konnte durch die Narkose nicht). Am 28.12.12 habe ich dann gegen 11 Uhr meine Tochter zum ersten Mal gesehen. Nach drei Wochen im Krankenhaus durften wir heim. All die Strapazen bis dahin waren vergessen. Meine Entscheidung, diesen Weg zu gehen wurde belohnt und bestätigt und ich würde es immer, immer wieder so machen.

Die Frage nach einem Geschwisterchen

Zwei Eisbärchen lagen noch in Dänemark, für die ich jährlich Miete zahlte. Diese dürfen nur fünf Jahre aufbewahrt werden und müssen dann genutzt oder verworfen werden. In die Klinik fuhr ich, als meine Tochter acht Monate alt war und alle haben sich so sehr mit mir gefreut. Drei Jahre später kam die Info der Klinik, dass der Spender einen Gendefekt hat und nicht mehr spenden durfte. Das bedeutete, dass ich, sofern ich noch ein Eisbärchen nehmen wollen würde, dies auf eigene Gefahr machen musste. Der Gendefekt wäre nur insofern dramatisch, wenn ich diesen ebenfalls hätte. Da ich tatsächlich eine Autoimmunerkrankung in dieselbe Richtung wie der Spender habe, bin ich zur Humangenetik gegangen und habe erstmal meine Tochter testen lassen und dann mich.

Es war alles ok und einer weiteren Schwangerschaft stand nichts entgegen. Meine Vernunft sagte mir, dass es gut so ist, wie es ist, und wir zwei ein gutes Leben haben – aber das Herz sagte, dass ich so gerne eine unbeschwerte Schwangerschaft erleben wollte, frei von Sorgen, Ängsten und einer sterbenden Mama und dass es schön wäre, wenn meine Tochter ein Geschwisterchen hätte… und ich musste nicht von vorne anfangen. Denn das hätte ich nicht nochmal gemacht – aber so war es so einfach und die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt war auch nicht so hoch. Also warum nicht versuchen, wofür ich so lange gekämpft und bezahlt hatte?

Somit fing ich an, meinen Zyklus über drei Monate zu beobachten und beim positiven Ovulationstest rief ich die Klinik an und konnte zwei Tage später starten. Ich brauchte keine Hormone und nix – nur das Eisbärchen musste aufwachen und sich nochmal teilen bevor es eingesetzt wurde. In der Klinik angekommen sagten sie, dass beide Eisbärchen „wach“ wären und sich das eine erneut perfekt geteilt hätte und somit war die Entscheidung getroffen. Nach dem Einsetzen fuhr ich heim und machte alles wie zuvor. Bereits an Tag 8 nach dem Einsetzen hatte ich starke Kreislaufprobleme und mir war unheimlich kalt und mein Gefühl sagte mir, dass sind die Anzeichen, auf die ich bei meiner Tochter gewartet hatte. Tag 14 kam und der Test war positiv, einfach so.

Die Schwangerschaft mit meinem Sohn war leider noch viel weniger schön und dank Familie und Freunden haben wir es immerhin bis zur 29. Woche geschafft. Dann an einem super heißen Sommertag im September 2016 hatte ich einen Blasensprung und ca. 24 Stunden später am 08.09.2016 kam mein Sohn ca. 11 Wochen zu früh per Kaiserschnitt zur Welt. Anders als bei meiner Tochter konnte ich die Geburt miterleben und konnte ihn ganz kurz sehen, ehe er auf die Intensivstation kam. Die anfängliche Zeit war nicht leicht und bis er nach Hause durfte war es schwer – da tat es gut, dass ich auch für meine Tochter da sein musste und durfte.

Wie es uns heute geht

Jetzt, zehn Jahre später, schau ich auf zwei gesunde und super entwickelte Kinder. Ein Geschwisterpärchen, was sich liebt und ärgert wie jedes andere auch. Meine Kinder wissen, wie sie auf diese Welt gekommen sind und warum und dass sie eben keinen klassischen Papa haben. Aber ich bilde mir ein, zu wissen, dass sie so gestärkt sind und sich geliebt wissen, dass wir auch zu dritt eine ganz normale Familie sind. Ich bin mir sicher, dass ich es heute bereuen würde, hätte ich keine Kinder und vielleicht auch immer noch keinen Mann. Der Weg war nicht immer leicht und auch heute ist es das nicht immer, aber ich bin mir zu 1000 % sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ich habe mir meine zwei größten Wünsche erfüllt!