geschrieben von Evelyn Schöller, Gründerin von luftabong // Instagram: @luftabongkids

Ein neues Kapitel beginnt

Ich atme tief ein und fülle meine Lunge mit der wohl reinsten und kühlsten Luft. Ich stehe in der Einfahrt meines Hauses und versuche die Luft zu absorbieren, die ich für den heutigen Tag brauchen werde. Die Sonne scheint mir leicht auf das Gesicht und ich genieße den Moment, bewundere die Nebelschwaden, die sich wie Zuckerwatte über das Tal gelegt haben. Mein, zu dem Zeitpunkt 14 Monate alter, Sohn hievt seinen Rucksack die zwei Stufen vor unserem Haus herunter und ist bereit für die Krippe.

Ich lächle ihn an und tanke aus diesem Moment Kraft. Denn jeder Tag ist für mich eine Herausforderung. Ich bin unzufrieden mit meinem Job, mein Mann ist viel unterwegs und für mich nicht greifbar. Wir haben erst vor einigen Monaten unser Haus bezogen und ich versuche, den Alltag zwischen Muttersein und Arbeiten zu bewältigen. 

Aber in mir schlummert diese Unzufriedenheit, ich habe das Gefühl, dass ich mich ständig im Kreis drehe, in einem Käfig sitze, in dem mein Talent und mein Freigeist eingesperrt und nicht gewürdigt werden. Ich habe das Gefühl, nichts fertig zu bekommen, ich springe von einem Termin zum anderen. Morgens mein Job, mittags schnell den Kleinen vom Kindergarten abholen, dabei ein Speeddating mit allen Müttern und Kindern veranstalten, die sich vor dem Kindergarten tummeln, und dann schnell nach Hause Kochen und irgendwie den Haushalt bewältigen. Das Muster, in dem ich mich bewege, ist eng und eingeschnürt. Das Muster der perfekten Mutter, welchem ich gerecht werden möchte und in dem ich feststecke…

Mein Herzensprojekt

Aber an diesem Morgen ist irgendetwas anders. Ich habe, bevor mein Sohn aufgestanden ist, etwas „Handy Time“ und da fiel mir ein Zitat in die Hände: „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung ausgeschlossen erscheint“, Albert Einstein.

Dieses Zitat ließ mich den ganzen Tag nicht los. Stecke ich vielleicht in meinem Hamsterrad fest, weil ich bei meinen Ideen immer denke: „Das kann ich mir nicht leisten“, „Wo soll ich die Zeit hernehmen?“, „Was würden die Anderen denken?“ Gedanken, die nur von Zweifeln und sozialem Druck geprägt sind. Auch an diesem Tag kommen mir die Gedanken und plötzlich sage ich mir: „So bin ich nicht. Es ist mir egal, was andere denken, ich werde es finanziell schaffen und ich werde die Zeit dazu finden. Denn wenn ich etwas von Herzen möchte, dann schaffe ich das. Es ist dann mein Herzensprojekt.“

An diesem Tag fühlte ich mich irgendwie stärker und die Vision von meinem eigenen Unternehmen fühlte sich richtig und umsetzbar an. Auf dem Weg zur Arbeit baute ich in meinem Kopf bereits Luftschlösser und meine Idee nahmen immer mehr Form und Farbe an. Ich konnte es gar nicht erwarten, abends nach Hause zu kommen und alles zu recherchieren, was ich mir den ganzen Tag überlegt hatte.

“luftabong”

Was war nun die Idee? Bio-Kinderkleidung herzustellen. Kinderkleidung, die nicht mit Chemikalien versetzt wird, die kein Container von weit her bringt, sondern maximal ein LKW und für deren Arbeit die Menschen richtig behandelt und bezahlt werden. 

Nächtelang recherchierte ich alles mögliche rund um die Themen Stoffe, Herstellung sowie Nähen selbst, denn das war nur ein Hobby. Der Name meines Unternehmens war sofort klar: „luftabong“. Warum? Ich selbst liebe Luftballons, daher gibt es zu jedem Anlass welche und mein Sohn schaut sie immer mit leuchtenden Augen an. Irgendwann schaute er mich dabei einmal an und sagte: „Mama, luftabong“. Dieses Wort, welches er mit so viel Freude aussprach und das so malerisch in meinem Ohr klang, habe ich nie vergessen. Daher war mir sofort klar, wir heißen „luftabong“. Wir sind eine Marke für Kinder und daher darf auch der Name von Kindern erschaffen sein. 

Der „Ballon“ nahm immer mehr Form an. So viele Punkte, die ich in meinem Unternehmen nicht wollte und welche für mich der „Standard“ sein sollten, schrieb ich auf und hakte sie nach und nach ab. Stoffe, die in Europa hergestellt werden und wo die Menschen für ihre Arbeit fair und sozial behandelt werden. Stoffe, die die zarte Haut meines Sohnes nicht bereits von Tag 1 belasten. Stoffe, die Kindern ein Gefühl von Gemütlichkeit und Genuss geben. Stoffe, bei denen auch die Menschen, die sie verarbeiten, keine Schadstoffe über ihre Schleimhäute aufnehmen.

Nicht Fast, sondern Slow Fashion

Ich wollte Skills unterstützen, die wir hier in Deutschland haben, denn hier gibt es hervorragende Schneiderinnen, die sich aus Liebe und Leidenschaft dazu entschieden haben, ein Handwerk zu erlernen. Ein Handwerk, das seit Jahren unter Fast Fashion leidet. Wir bezeichnen unsere Mode daher als Slow Fashion, nicht nur weil wir natürlich durch die Handarbeit einfach etwas mehr Zeit benötigen, sondern auch weil unsere Kollektionen sich nicht wöchentlich ändern. 

Mode, die nach einer halben Saison bereits wieder „out“ ist und zu Spottpreisen verkauft wird, damit man so viel Masse wie möglich macht, ist einfach nicht konform mit unseren Werten. Ein T-Shirt, das für 4,99 Euro verkauft wird, muss noch günstiger hergestellt werden – dabei bleibt alles auf der Strecke. Alles muss schnell gehen und das kann nicht im Sinne der Natur sein. Unsere Mode soll beständiger sein. Es ist unser Anspruch, zeitlos zu sein. Bei uns werden Stoffreste aufgehoben. Wenn wir Luft haben, fertigen wir daraus kleine Geschenke und legen sie unseren Paketen bei. 

Eine Firma zu gründen, die gerade für Frauen eine Stütze ist – das ist unsere Vision. Gerade als Mütter, die oft nur in Teilzeit arbeiten können, ist es schwer, einen Job zu finden. Ein Job, der ihnen die Freiheit lässt, sich flexibel zu bewegen und nicht immer entschuldigen zu müssen, wenn ein Kind krank ist.

Die Reise beginnt 2017

Als ich 2017 schwanger wurde, war das Thema für mich noch nicht allzu präsent. Ich selbst habe Kleidung gekauft, die einfach nur schön aussehen sollte und am besten ganz viel davon, damit ich jeden Tag auch etwas anderes anziehen kann. Ob es gekratzt hat oder aus 100 Prozent Polyester war, hab ich einfach „übersehen“. Auch wie es hergestellt wurde oder welche Konsequenzen die Menschen dort für meine Kleidung tragen, war mir einfach nicht bewusst.

Ich sage immer, es waren die Hormone und dieser kleine Mensch in meinem Bauch, die meine Denkweise geändert haben. Zu Beginn meiner Schwangerschaft war ich total heiß auf Reportagen und Dokumentationen. In den meisten ging es um Kindererziehung und die Entwicklung von Kindern. Irgendwann wurden mir Dokumentationen über die Herstellung von Kleidung und Spielzeug vorgeschlagen und diese fesselten mich völlig. Die Bilder haben mich nachhaltig bewegt und mein Gefühl für Kleidung und Mode verändert.

An jenem Wintertag kamen genaue diese Bilder wieder in mein Gedächtnis. Wie Menschen in stickigen Fabriken auf dreckigem Boden sitzen und Kragen für Kragen an Hemden nähen, die wir später für einen Spottpreis kaufen. Männer, die auf wackeligen Brettern und ohne Maske über riesigen Töpfen stehen und Stoffe einfärben. Ein komplett verschmutzter Fluss, der an der Fabrik entlangläuft und in den all das giftige Wasser fließt. Dort, wo Menschen das Wasser zum Waschen und Trinken nutzen. 

Pustekuchen

Auch der Gedanke, dass ich meine Kleidung zu dem Modegeschäft zurückbringe und dafür etwas „Gutes“ tue, wurde hier näher beleuchtet. Ich dachte immer, dass Kleidung, die wir zurückbringen geschreddert und für neue Kleidung verwendet wird. Aber Pustekuchen. Zunächst können nur 19 Prozent der hergestellten Kleidungstücke überhaupt wieder recycelt werden. Die anderen Fasern sind meist reines Polyester, das nicht recycelt werden kann, oder der Energiebedarf ist dafür schlicht und ergreifend zu hoch. Ein Großteil wird nach Osteuropa gebracht. Dort nutzen die Menschen aus Geldmangel die Kleidung zum Heizen und produzieren unnötige Klimakillergase. Das hört sich doch irgendwie bestialisch an. Aber uns wird es als gute Tat verkauft.

An diesem Wintertag, knapp 20 Monate nach meiner Erleuchtung, hatte ich das Gefühl, etwas ändern zu müssen. Etwas bewegen zu wollen und der Natur das zurückzugeben, was sie mir Tag für Tag schenkt. Ein Neuanfang! Der mich glücklich macht und mit dem ich endlich auch dem nachgehen kann, was mir Spaß macht und wo ich eine Unterstützung sein kann. Denn mein Handeln und mein Engagement, eine Firma zu gründen, die ihren Fokus auf nachhaltige und faire sowie schadstofffrei produzierte Kinderkleidung legt, hat nicht nur eine Chance verdient, sondern ist notwendiger als je zuvor. 

Holpriger Start

All das zu vereinen und ein Unternehmen zu gründen, das nicht auf moderner „Sklaverei“ beruht – das ist die Vision, die wir weiterhin verfolgen und erfolgreich umsetzen. Nach knapp einem Jahr schauen wir zurück und sind nicht nur gerührt, sondern auch bestärkt darin, unsere Marke weiterzubringen. Der Anfang verlief etwas holperig, da wir nur mit unserem Onlineshop gestartet sind. Aber schnell kamen verschiedene Plattformen, zwei Onlineshops und ein stationärer Handel dazu. Wir konnten bereits Tausende Kleidungsstücke fertigen und das Feedback ist wundervoll. 

Natürlich haben auch wir „Lehrgeld“ bezahlt, mit Werbeanzeigen oder Gewinnspielen, die nicht gefruchtet haben. Auch wir waren enttäuscht, als wir bei Instagram Follower verlierten. Aber die Zahl an Followern oder Likes ist nicht so wichtig wie unsere Kundinnen und Kunden, die mit uns unsere Vision verfolgen. Sie versuchen, wie wir, ihren Kindern Werte mitzugeben, die sie ein Leben lang begleiten.

Meine persönliche Entwicklung

Heute fühle ich mich stärker und nicht in einem Hamsterrad gefangen. Ich zeichne meine eigenen Stoffe und verwirkliche eigene Designs, die mir am Herzen liegen. Ich erfinde das Rad nicht neu, denn ein Pullover ist ein Pullover. Aber Bio-Mode muss nicht eintönig oder blass sein. Sie darf kindgerecht sein, Muster und Farbe haben, so wie unsere Kinder auch. 

Alle, die ebenfalls mit ihrer Idee „fliegen“ möchten, kann ich daher nur bestärken. Nicht nur zu sehen, wie unser Unternehmen wächst, ist wundervoll, auch das, was es aus mir gemacht hat. Ich war jemand, die gerne viel Kleidung gekauft hat und viel unterwegs war. Ich konnte auch sehr aufbrausend und exzentrisch sein. Durch das Muttersein wollte ich mich verbiegen, perfekt sein, allem gerecht werden, meinem Kind mit viel Singen und Tanzen und Simone Sommerland die Welt erklären. 

Durch die Gründung bin ich nicht nur zu einem Unternehmen gekommen, in dem es mir Spaß macht, zu arbeiten, sondern in dem ich auch etwas bewegen und vermitteln kann. Ich bin zu dem Menschen geworden, der ich sein wollte. Ich bin immer noch laut und unterhalte mich unheimlich gerne, ich kaufe mir immer noch Kleidung. Aber jetzt schaue ich ganz anders darauf. Ich bin weniger unterwegs, ich muss nicht auf jedem Fest tanzen und ich versuche, nicht mehr perfekt zu sein. Denn dann macht mir das Tanzen und Singen mit meinem Sohn viel mehr Spaß und er spürt das auch.

Was ich euch mitgeben möchte

Daher auch mein Appell an alle Mütter, die den Druck verspüren alles „richtig“ machen zu müssen – ihr macht nichts falsch, wenn ihr einfach so seid, wie ihr seid. Es ist eurem Kind vollkommen egal, ob ihr in eurer Mary-Poppins-Tasche alles dabeihabt und eine Schaufel nach der anderen herauszieht. Es ist eurem Kind einfach nur wichtig, dass ihr dabei seid und mit ihm oder ihr etwas macht. Sie in den Arm nehmen, wenn sie weinen und ihnen zuhören, wenn sie etwas zu sagen haben. 

Was möchte ich meinem Kind mit auf den Weg geben? Welchen Beitrag kann ich für die Umwelt leisten? Diese Fragen treiben mich jeden Tag an. Meine Antwort ist: handgemachte Bio-Kinderkleidung von luftabong.

Ihr könnt luftabong natürlich näher kennenlernen – hier kommt ihr zur Webseite und hier zum Instagramprofil.