Wie geht eigentlich Familie? Klassisch die große Liebe finden und dann Kinder bekommen? Na, wenn das mal so leicht wäre! Zuerst einmal müssen wir unter den Millionen Individuen, denen wir im Leben begegnen, den richtigen Menschen treffen – und dann auch noch schwanger werden. Das sind schonmal zwei Komponenten, die nicht so einfach sind, schon gar nicht, wenn man(n) keine Gebärmutter hat.
Patrick wollte schon als Kind immer Vater werden, doch umso älter er wurde, desto deutlicher wurde ihm die Schwierigkeit, als schwuler Mann Kinder zu bekommen. Adoption, Co-Parenting, Pflegefamilie, Leihmutter? All diese Begriffe wurden Teil seines Lebens, doch nur einer setzte sich durch: Seit Anfang 2016 sind Patrick und sein Mann Pflegeeltern.
Der Weg dahin war beschwerlich, bürokratisch und vor allem emotional. Bevor ein Kind in eine Pflegefamilie kommen oder adoptiert werden kann, ist es ein Prozess. Die potenziellen Elternteile werden auf Herz und Nieren geprüft, bis sie zu einer Regenbogenfamilie wachsen dürfen.
Was sind denn eigentlich Regenbogenfamilien? Regenbogenfamilien sind normale Familien mit Kindern, in denen mindestens ein Elternteil lesbisch oder schwul ist. Wieso dann aber ein extra Begriff? Der Name leitet sich von der Regenbogenflagge ab, die ein Symbol der LGBTQ+ Community ist. „Dass die gleichgeschlechtlichen Paare mit Kindern einen eigenen Begriff für ihre Familienform gefunden haben, ist von erheblicher Bedeutung, kommen sie damit doch heraus aus einer defensiven Haltung der Rechtfertigung, eine den anderen Familienformen gleichwertige Familie zu sein. Der Begriff ‚Regenbogenfamilie‘ stiftet Identität und stärkt damit das Selbstbewusstsein von lesbischen und schwulen Paaren mit Kindern.“, fasst Prof. Dr. Udo Rauchfleisch von familienhandbuch.de zusammen.
Ein riesiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung
„Solange ich mich erinnern kann, wollte ich eigentlich schon Papa sein. Ich erinnere mich noch gerne an die kindlichen ‚Mutter-Vater-Kind‘- Spiele und da war für mich klar: das will ich auch.“, sagt Patrick. Einige Jahre später wusste er noch etwas anderes ganz sicher, und zwar, dass seine Kinder zwei Väter haben werden. Nach seinem Outing in den 90ern wollte sich Patrick, wie viele junge Menschen, zuerst selbst finden, bevor er einen Partner suchte. Doch auf der Suche nach einem festen Vertrauten, stand ihm der Kinderwunsch im Weg. Viele homosexuelle Männer hätten sich nach seinem Empfinden damit abgefunden, dass man als Männerpaar keine gemeinsamen Kinder haben konnte. „Somit habe ich dann bei vielen potenziellen Partnern frühzeitig ein Kennenlernen abgebrochen. Nun muss man auch sagen, dass die Gesetzeslage in den 90ern bis hinein in die späten 2010er die Gründung einer Familie für schwule Männer erschwert hat.“, so Patrick.
Heutzutage gibt es für gleichgeschlechtliche Paare mehr Wege, Eltern zu werden. Ein riesiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung war die Ehe für alle, die unter anderem den Grundstein für Adoptionen durch homosexuelle Paare legte. Vorher war es nur einem Partner möglich, ein Kind zu adoptieren und erst durch die Gesetztesänderung können nun beide Eheleute gemeinsam adoptieren. Eine Auslandsadoption hingegen ist sehr schwierig, da das für homosexuelle Paare in nur wenigen Ländern möglich ist. Weitere Möglichkeiten, Eltern zu werden ist Co-Parenting mit einer andersgeschlechtlichen Person, wobei eine bewusste Familiengründung ohne eine Partnerschaft der leiblichen Eltern geplant wird. Lesbische Paare könnten die Variante eines Samenspenders in Erwägung ziehen, wobei eine bewusste Auswahl des Mannes seinen Samen den Frauen zur Verfügung zu stellen oder auch eine künstliche Befruchtung zur Auswahl stehen. Bei der ersten Variante ist allerdings besondere Vorsicht geboten, da dem biologischen Vater der Zugang zur rechtlichen Vaterschaft nicht grundsätzlich verwehrt werden darf. Und bei der künstlichen Befruchtung ist die Gesetzeslage nach wie vor für einige Ärzte nicht eindeutig genug, so dass diese die Frauen nicht als Patientinnen aufnehmen wollen.
Eine Leihmutterschaft setzt dem Ganzen die Krone auf und ist das mit komplizierteste Verfahren. In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten und die deutsche Gesetzeslage macht es Eltern schwer, ihr Kind im Ausland von einer Leihmutter gebären lassen, es anschließend nach Deutschland zu holen und rechtlich als Eltern anerkannt zu werden.
Es gibt noch ein Variante, die In-Pflegenahme eines Kindes. Für diesen Weg entschieden sich auch Patrick und sein Mann. Bevor die beiden sich kennlernten, hatte Patrick fast seinen Traum, Papa zu werden, platzen sehen: „Mich hat das unheimlich traurig, man könnte fast depressiv sagen, gemacht. Nicht nur, dass die Männer keine Kinder wollten, nein, der Staat hat es uns dann auch noch fast unmöglich gemacht. Ich hab fast resigniert und versucht mich damit abzufinden.“ Doch dann lernte er 2007 Jörg kennen und da war er: Der Mann, der auch Kinder wollte. Auch wegen dieses tiefen Wunsches der beiden Männer, haben sie nach einem halben Jahr entschieden, die eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen.
„Pflegekind-Dienst“
Anfangs hätte die Pflegschaft die beiden auf Grund zu großer eigener Vorurteile eher abgeschreckt. Erst circa sieben Jahre später hat Patricks beste Freundin ihn überreden können zu einer Informationsveranstaltung des „Pflegekinder-Dienstes“ zu gehen. „Wir haben uns dann für Februar 2015 angemeldet, haben teilgenommen und sind einige unserer Vorurteile losgeworden. Nach dem Abend stand fest, dass wir das machen wollen. Wir haben uns gleich für ein Wochenendseminar angemeldet, das Voraussetzung für eine Bewerbung zur Pflegefamilie ist. Danach begann unser Überprüfungsprozess. Den beendeten wir dann 12/2015 und dann kam das Warten.“
Prinzipiell ist eine In-Pflegenahme einfacher umzusetzen als eine Adoption. Die Pflegekinder in einer Vollzeitpflege leben trotzdem in der Regel bis mindestens zu ihrem 18. Lebensjahr bei ihrer Pflegefamilie. Der Ablauf ist auch hier laut dem „Pflegekind-Dienst“ klar geregelt: Auf einen ersten Infoabend folgt ein Vorbereitungsseminar sowie der Überprüfungsprozess zur Eignungsfeststellung durch die Pflegekinderhilfe aus dem Wohnbezirk. Wenn diese Abläufe erfolgreich waren, müssen beispielsweise alle Berliner Pflegeeltern in spe eine Grundqualifizierung durchlaufen, bevor es dann endlich soweit sein kann: Nach durchschnittlich neun Monaten kann es zur Aufnahme des Pflegekindes kommen.
Patrick erinnert sich an diesen Moment, der eigentlich eher zwei zusammenhängende Momente war, ganz genau. „Es gab nach fünf Monaten Wartezeit auf einen Vorschlag diesen einen speziellen Tag. Ich arbeite als Flugbegleiter und war gerade mit einer Maschine auf dem Weg in die USA. Eine Frau mit Baby musste auf Toilette und ich habe ihr angeboten, es so lange zu nehmen. Also hat sie mir ihr Baby in den Arm gegeben und ist ins Bad gegangen. Das war der erste Moment, in dem ich ganz starke Gefühle hatte, unbedingt bald Vater werden zu wollen. Das war der Tag und auch noch ziemlich zeitgleich, an dem der Anruf kam, dass Leon gefunden wurde und sie uns ihn gern vorstellen möchten. Ich habe das nicht gewusst, ich war ja schließlich gerade im Flugzeug. Erst am nächsten Tag war da eine ganz starke innerliche Unruhe, die mich hat aufspringen lassen. Ich habe direkt mein Telefon gesucht, es angemacht und drei verpasste Anrufe auf dem Display gesehen. Der eine war von meinem Mann, der andere von meiner besten Freundin, und der dritte von „Familien für Kinder“. Da wusste ich sofort, dass ich Vater werden würde. Tatsächlich war das der gefühlt emotionalste Moment, den ich bis zu dem Zeitpunkt in meinem Leben erleben durfte. Ich habe den gesamten Rückflug aus der USA geheult. Ich habe gearbeitet, Getränke ausgegeben und geweint. Natürlich habe ich den Passagieren erklärt ‚Ich werde Vater‘ und alle haben gratuliert.“
In der kommenden Woche durften Patrick und sein Mann ihren Sohn das erste Mal sehen. Leon war bereits drei Monate alt und bei einer Krisenpflegemutter untergebracht, die für die Zeit bis zu Vermittlung für das Kind sorgte. „Wir waren schon eine Dreiviertelstunde bei ihr, sie hatte Leon die ganze Zeit so protektiv auf dem Arm und wollte ihn gar nicht hergeben. Ich habe in meinem Kopf nur gedacht ‚Jetzt gib mir doch bitte endlich mein Kind.‘ Dann war es soweit und es war wunderschön mein Kind das erste Mal richtig im Arm halten zu dürfen“.
Ich persönlich mag das Gefühl von Großfamilie
Leons leibliche Mutter war kurze Zeit später wieder schwanger und bat das Paar darum, das nächste Kind auch aufzunehmen. So folgte ihrem ersten Kind wenige Monate später der kleine Elias. Patrick und seine Familie hat einmal monatlich Besuchskontakt mit der leiblichen Mutter der Jungs. Angst, dass seine Kinder sich von ihm abwenden würden, hätte er allerdings nicht. „Ich habe eine sehr starke und sehr gute Bindung mit meinen Kindern und bin mir dessen auch bewusst.“ Laut dem „Pflegekinder-Dienst“ bleiben 97% der Kinder in ihren Dauerpflegefamilien. So wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf bei Leon und Elias der Fall sein.
Über die Frage, ob sich die Familie vorstellen kann, weitere Kinder aufzunehmen, sind sie sich noch nicht ganz einig. „Mein Mann würde wohl sagen, wir sind bereits komplett. Ich persönlich mag das Gefühl von Großfamilie. Wenn das Jugendamt meint, ein Kind würde gut in/zu unserer Familie passen, dann würde ich mich gerne nochmal mit dem Gedanken auseinandersetzen – manchmal habe ich das Gefühl, da fehlt noch wer.“
Mehr von Patrick findet ihr hier.