Die Entscheidung für eine Trennung mit Kindern fällt meist unendlich schwer. Wie sie friedlich gelingen kann – und wann die Beziehung vielleicht doch noch gerettet werden kann, darüber spricht hier der Beziehungscoach Dominik Borde von der Beziehungs Academy SozialDynamik (sozialdynamik.at).

geschrieben von Mirca Elena Heidler

Die gute Nachricht vorweg: Zerbrochenes Geschirr, mangelnde Leidenschaft und viel Streit in der Vergangenheit sind kein sicheres Zeichen dafür, dass eine Beziehung nicht mehr zu retten ist. Davon ist der erfahrene Beziehungscoach Dominik Borde fest überzeugt. Seit mehr als 12 Jahren berät der Beziehungsexperte aus Österreich Paare in Krisen und erlebt immer wieder Väter und Mütter, die völlig verzweifelt sind, weil sie nicht mehr wissen, wie sie ihre Beziehung noch retten sollen und trotz Kindern an eine Trennung denken.

Was, wenn die Trennung nicht die richtige Entscheidung ist?

Der Coach erzählt: „Die größte Angst der Eltern ist es meist, eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater zu sein und mit einer Trennung als Eltern-Vorbild gescheitert zu sein. Viele Eltern haben auch große Angst davor, durch die Trennung den Kontakt zu ihren Kindern zu verlieren. Oft ist das eher eine Angst der Männer, denn meist bleiben die Kinder bei den Müttern. Viele haben auch Angst davor, ihre Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen – immer wieder durchaus berechtigt. Und dann gibt es noch die Angst davor, eine falsche Entscheidung zu treffen. Was, wenn die Trennung nicht die richtige Entscheidung ist? Was, wenn wir es noch hätten retten können?“

Hinsichtlich dieser großen Angst rät Dominik Borde: „Wenn du als Vater oder Mutter eine Trennung in Erwägung ziehst, dann solltest du dir sicher sein, dein Bestes gegeben zu haben. Aus meiner Erfahrung heraus kannst du dir nie wirklich sicher sein, dein Bestes gegeben zu haben, es sei denn, du hast dich dessen wirklich mehrfach auf verschiedene Weise versichert.“

Er erzählt aus seiner Praxis: „Die meisten Paare, die einmal wirklich an ihre große Liebe geglaubt haben, die schon länger zusammen sind, die Karriere gemacht, ein Haus gebaut, Kinder bekommen haben, und dann schon seit Jahren wie Zimmergenossen oder Ratenzahler nebeneinander her leben, aber schon längst kein Liebespaar mehr sind, scheitern in Wahrheit an gegenseitigen Missverständnissen und könnten ihre Beziehung retten, hätten sie die richtigen Werkzeuge dafür an der Hand.“

In seinen Coachings erleben er und Kollegin Masha Hell-Höflinger immer wieder, wie Paare in tiefsten Krisen doch noch zueinander finden: „Ich mache das seit 30.000 Coachingstunden mit Menschen aus aller Welt, mit unterschiedlichsten Paaren, und die allermeisten Paare kommen zu uns, wenn ihre Beziehung wirklich komplett in Schieflage ist, wenn es schon lange keinen Sex mehr gibt, wenn sie wenig sinnvolle Gespräche führen und immer wieder die gleichen Streits haben, und bei ganz vielen davon gelingt uns ein absoluter Turnaround, nicht über Nacht, aber mit Methodik.“

Der Coach erklärt: „Der Grund dafür ist, dass ganz viele Paare nicht daran scheitern, dass sie einander nicht genug lieben und die Beziehung nicht retten wollen – sondern sie scheitern an den unglücklichen Beziehungsprägungen durch ihre Vorfahren, an emotionalen Handlungsmustern, die sie in die Beziehung mitbringen, und daran, dass ihnen niemand beigebracht hat, wie sie Liebe und Leidenschaft in einer Beziehung über viele Jahre hinweg am Leben erhalten können. Genau diese Muster und unglücklichen Prägungen der Vergangenheit decken wir auf und bringen den Leuten bei, wie sie in Zukunft besser mit ihren Themen und ihren Beziehungspartner:innen umgehen können.“

Warum gemeinsame Kinder niemals der Grund sein sollten, weiter an einer krisengebeutelten Beziehung festzuhalten

Doch bei allen Erfolgen im Coaching gibt es immer wieder Elternpaare, für die auch nach einigen Coachingstunden feststeht, dass ihr gemeinsamer Weg zu Ende ist. „Manchmal ist schon so viel zerbrochen und zerrissen, dass es nichts mehr zu kitten gibt, das gilt es dann zu erkennen“, so Dominik Borde. „Wenn du fix weißt, dass du mit diesem Menschen nicht mehr zusammen sein willst, wenn du nichts mehr spürst und es dich nicht mehr interessiert, diese Beziehung und diese Familie zu retten, dann geh bitte. Denn sowohl du, als auch dein Partner oder deine Partnerin und ganz besonders eure Kinder, haben es verdient, glücklich zu sein. Auf dieser Basis wird das nicht mehr möglich sein.“

Viele Eltern sagen, dass sie wegen der Kinder zusammenbleiben. Dazu sagt Dominik Borde: „Natürlich ist es etwas anderes, sich zu trennen, wenn du Kinder hast, als wenn du keine Kinder hast. Ich weiß das. Ich bin selbst geschieden und habe vier Kinder. Aber: Die Kinder gibt es, weil es die Beziehung gibt, nicht umgekehrt. Und jetzt stell dir vor, deine Eltern hätten zu dir gesagt: ‚Wegen dir bin ich mit dem Papa oder der Mama zusammen. Wegen dir habe ich es mit ihm oder ihr ausgehalten.‘ Wie würdest du dich da fühlen als Kind? Belastet. Gestresst. Du hast den ganzen Druck deiner Eltern. Noch dazu lebst du deinen Kindern eine Beziehung vor, die du dir für sie niemals wünschen würdest. Wenn ihr zusammenbleibt, dann für euch. Denn für die Kinder könnt ihr auch getrennt gute Eltern sein.“

Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass die Kinder im Wetter der Beziehung ihrer Eltern leben. „Wenn ihr zwei miteinander unglücklich seid, wenn permanent die Luft brennt, wenn die Stimmung toxisch ist, dann leiden eure Kinder darunter. Die ersten sieben Jahre unseres Lebens sind die prägendsten. Du kriegst in dieser Zeit so viel mehr mit, als es den meisten Menschen bewusst ist. Du lernst in dieser Zeit so viel mehr als im Rest deines Lebens. Und wenn du in dieser Zeit erlebst, dass deine Eltern aus Ängsten und Sorgen heraus an einer leidvollen Beziehung festhalten, obwohl diese sie unglücklich macht, werden sie das für ihre Zukunft übernehmen. Darum ist es gut, wenn du deine Kinder möglichst rasch aus langanhaltenden stressigen, angstgeladenen Zuständen voller Widerstand befreist.“ 

Entscheidend sei, so der Coach, dass die Kinder sich wohlfühlen, mit zwei Eltern, die sie beide lieben dürfen. „Kinder sind sehr gut darin, schwierige Phasen zu verarbeiten, wenn du ihnen als Kapitän eures Schiffes ruhig beiseitestehst, angstfrei mit der Trennung und mit Respekt mit deinem Ex oder deiner Ex umgehst.“ Und dazu müssten die Eltern trotz Trennung zum Wohle der Kinder an einem Strang ziehen. „Die Wahrheit ist: Auch wenn ihr euch trennt – du wirst diese:n Partner:in nie wieder los. Über die Kinder bleibt ihr für immer verbunden. Darum müsst ihr einen Weg finden, die Themen, die zwischen euch stehen, zu klären. Und dann stellt sich die Frage: Wie kriegen wir das auf die Reihe?“

Dazu teilt der Coach hier seine 10 wichtigsten Ratschläge für eine friedliche Trennung als Eltern:

Die 10 wichtigsten Tipps für eine Trennung mit Kindern

1. Trau dich, für dein Glück einzustehen

Was du vorlebst, wie du bist, das bringt deinen Kindern bei, wie Leben geht, und deswegen sorge dafür, dass du glücklich wirst. Wenn du unsicher, unlustig, ausgelaugt und gestresst neben deinem Partner oder deiner Partnerin dahinvegetierst, wenn ihr wenig miteinander sprecht und beide halten es irgendwie aus, dann bringst du deinen Kindern nicht bei, wie gutes Leben geht.

Du darfst dich selbst lieben, und zwar zuerst dich selbst und dann alle anderen. Denn du kannst nicht deine Kinder nähren und für deine Kinder da sein, wenn du selbst auf alles verzichtest. Deswegen heißt es im Flugzeug auch: zuerst die eigene Atemmaske aufziehen, dann Kindern und anderen Mitreisenden helfen.

2. Sieh es als das, was es ist. Nicht mehr und nicht weniger

Eine Trennung ist nicht das Ende der Welt. Eine Beziehung war nicht umsonst, nur weil man sich getrennt hat. Gescheitert ist nur, wer nichts daraus lernt oder seine Vergangenheit verleugnet. Lass einen Platz in deinem Herzen für den Menschen, mit dem du dich mal so gut verstanden hast. Du musst nicht komplett von vorne anfangen. Bau auf dem auf, was du erlebt und gelernt hast, und deine Beziehungen werden in Zukunft besser werden.

Je wohler du dich fühlst, je weniger du dieser Trennung mit Angst begegnest, desto besser für deine Kinder. Drum prügel dich nicht, fühl dich nicht schuldig, sondern übernimm Verantwortung. Für das, was dein Anteil daran ist, und dafür, wie du mit der Trennung umgehst. Wenn du keine Angst hast, dann brauchen deine Kinder auch keine Angst zu haben.

3. Konzentriere dich auf die positiven Aspekte

Wir sehen eine Trennung oft ausschließlich negativ. Doch die neue Lebenssituation kann auch Vorteile haben. Möglicherweise haben die Kinder in Zukunft mehr exklusive Zeit mit Mama oder Papa. Möglicherweise haben sie künftig zwei spannende Orte zum Spielen. Gebt euren Kindern das Gefühl, dass die neue Lebenssituation auch Gutes mit sich bringt, statt euch auf euer Leid zu konzentrieren.

4. Einigt euch darüber, wie ihr in Zukunft Eltern sein wollt

Wenn eine Trennung trotz Kindern unausweichlich ist, ist es elementar, dass ihr euch dazu einigt, wie ihr in Zukunft als Eltern zusammenarbeiten wollt. Wenn die Kommunikation zwischen euch schon sehr schwierig ist, sucht euch jemanden, der euch dabei helfen kann.

Euer Motto dabei sollte sein: Zum Wohle unserer Kinder trennen wir uns erst, wenn wir uns wieder gut verstehen. Ihr solltet euch einig sein, dass es keinen Sinn mehr macht, als Paar zusammenzubleiben. Ihr solltet euch einig darüber sein, wie ihr in Zukunft die besten Eltern für eure Kinder sein wollt, und ihr solltet euch einig sein, welche Regeln für euch als Familie gelten sollen, auch wenn ihr nicht mehr unter einem Dach lebt.

5. Überlegt euch eure Familienregeln

Familienregeln können schon in der Beziehung sehr helfen, rund um eine Trennung sind sie aber besonders wichtig. Fragt euch: Was ist uns beiden so wichtig für das Leben unserer Kinder, dass wir dafür immer an einem Strang ziehen wollen, auch wenn wir als Mann und Frau getrennte Wege gehen?

Überlegt euch etwa 7 +/- 2 Regeln, mehr kann man sich schwer merken. Bei kleinen Kindern könnte das zum Beispiel sein: Egal ob bei Mama oder bei Papa, wenn ihr draußen unterwegs seid, sollen sie bei euch an der Hand gehen. Oder: Beim Essen gibt es kein Handy. Das erspart euch Auseinandersetzungen dazu, was das Kind bei welchem Elternteil erlaubt bekommt.

Regelt auch euren Umgang mit Feiertagen, Urlauben und eure jeweilige Kinderzeit so bald wie möglich. Die Kinder sollten wissen, wann sie bei der Mama und wann sie beim Papa sind. Auf diese Absprachen sollten sich verlassen können. Schreibt euch diese Absprachen direkt auf, denn ihr wisst nie, was in zwei, drei Jahren zwischen euch sein wird. Vielleicht kommen dann neue Partner:innen dazu, oder der eine will etwas nicht mehr, dann könnt ihr euch auf diese ursprünglichen Absprachen berufen.

Dazu auch ganz wichtig: Wenn es zu einem dieser Punkte Streit zwischen euch als Eltern gibt, tragt das nicht auf dem Rücken eurer Kinder aus, à la: „Richte der Mama aus, den nächsten Unterhalt zahle ich erst, wenn sie sich auf das und das einlässt.“ So etwas machen unglaublich viele Eltern und es ist ganz schlecht für die Kinder. Sprecht immer direkt mit dem oder der Ex-Partner:in.

6. Wartet nicht auf den richtigen Zeitpunkt

Es gibt nie einen richtigen Zeitpunkt, sich zu trennen. Viele Leute schieben das jahrelang vor sich her und irgendetwas hindert sie immer: erst der Urlaub, dann der Kita-Anfang, der Schulanfang, dann Weihnachten, auch kein guter Zeitpunkt … Aber wenn du spürst: Ich habe da etwas angefangen, was ich beenden sollte, bring deinen Kindern bitte auch bei, dass es besser ist, die Entscheidung an einem Punkt zu treffen, an dem man schon sieht, spürt, weiß und merkt, dass nichts mehr geht, obwohl du alles getan hast; dass es besser ist, eine Entscheidung zu treffen, als ewig an einer leidvollen Situation festzuhalten.

7. Verkündet eure Trennung gemeinsam

Eine weitere wichtige Sache: Verkündet euren Kindern gemeinsam, dass ihr euch trennen werdet. Ihr, die Eltern, habt das gemeinsam entschieden. Sagt auf keinen Fall etwas wie: „Der Papa hat die Mama nicht mehr lieb“ oder „Der Papa hat eine neue Frau kennengelernt“. Solche Aussagen sind eine Verletzung der Privatsphäre deiner Kinder, denn deine Kinder dürfen ihre Mama oder ihren Papa als den großartigsten Menschen der Welt sehen, unabhängig davon, was zwischen euch beiden als Mann und Frau passiert ist.

Natürlich kriegen Kinder manchmal etwas mit, dann darfst du schon ehrlich sein, aber es macht sonst überhaupt keinen Sinn, vor den Kindern mit Schuldzuweisungen zu beginnen. Sagt stattdessen: „Mama und Papa haben beschlossen: Wir trennen uns – als Paar, nicht als Eltern. Als Eltern haben wir euch beide lieb, als Eltern werden wir zusammenhalten und gemeinsam für euch beide da sein, damit es euch beiden gut geht. Diese Entscheidung hat mit euch überhaupt nichts zu tun, ihr müsst da überhaupt nichts tun oder richten.“ Das entlastet die Kinder von jeder Verantwortung.

8. Haltet eure Ex-Partner hoch und sprecht respektvoll über sie

Warum ist es wichtig, den Ex-Partner hochzuhalten? Dein Kind oder deine Kinder gäbe es nicht ohne diesen Mann oder diese Frau. Er oder sie ist ein Teil deiner Kinder. Schaust du mit Verachtung auf deinen Ex-Partner oder deine Ex-Partnerin und sprichst schlecht über ihn oder sie, wirst du damit dem Selbstwertgefühl deiner Kinder massiv schaden.

9. Nutzt die Kinder niemals zur Erpressung

So weit, so gut. Doch was tun, wenn ihr all diese Absprachen getroffen habt, die Umsetzung aber nicht funktioniert? Da möchte ich an dieser Stelle einen Punkt herausstellen: Die Kinder bitte niemals als Druckmittel einsetzen. Es kommt immer wieder vor, dass Ex-Partner:innen sich gegenseitig die Kinder vorenthalten, um auf diese Weise die Einhaltung von Absprachen zu erzwingen oder zu vermitteln, wie sehr sie sich verletzt fühlen. Wenn so etwas einmal funktioniert, werden die Kinder immer wieder als Druckmittel eingesetzt und das wird sie belasten.

Bevor so ein Rosenkrieg völlig eskaliert, lasst euch bitte professionell von jemandem beraten, der solche Streitigkeiten auflösen kann. Denn dabei geht es nicht darum, ob er oder sie ein schlechter Vater oder eine schlechte Mutter ist, sondern dabei geht es um ganz persönliche Verletzungen, die entsprechend aufgearbeitet werden müssen.

10. Schau mit Dankbarkeit auf deinen Ex-Partner oder deine Ex-Partnerin

Zuletzt die Antwort zu einer Frage, die mir oft von Müttern und Vätern in Trennungssituationen gestellt wird: Wie schaffe ich die Trennung mit Respekt? Dazu gibt es eine gute Methode. Schau auf die Beziehung und überlege dir vier Dinge: Wofür bist du deinem Ex-Partner oder deiner Ex-Partnerin dankbar? Was bedauerst du? Was nimmst du aus der Beziehung mit? Was wünschst du deinem Ex-Partner oder deiner Ex-Partnerin?

Über diese Fragen nachzudenken, öffnet dein Herz, bringt dich deinem Ex- oder deiner Ex-Partner:in wieder näher und hilft dir dabei, den anderen mit Respekt zu behandeln. Dazu gilt auch das Gesetz der Reziprozität: Wie du in den Wald hineinrufst, so schallt es heraus.

Fazit: Eine Trennung ist nicht nur ein Scheitern

Möglicherweise fühlt es sich im Moment so an, doch wenn ihr es richtig angeht, ist eine Trennung nicht nur ein Scheitern, sondern auch ein Neuanfang und eine Gelegenheit, etwas besser zu machen. Je mehr ihr aus der Trennung und den Fehlern der Vergangenheit lernt, umso besser sind die Chancen auf glücklichere Beziehungen in der Zukunft. Versucht herauszufinden, welche Muster es sind, die eure Beziehung haben scheitern lassen, ganz besonders dann, wenn ihr schon mehrfach derartige Trennungen erlebt habt, und arbeitet dann daran, diese Muster aufzulösen.

Quelle: Webinar Dominik Borde (abrufbar in der geschlossenen Facebook-Gruppe “Level Up Your Love – Beziehungscoaching”)

Beziehungscoach Dominik Borde von der Beziehungs Academy SozialDynamik