Als Nina mir sagte, dass der Themenmonat „Loslassen“ lauten würde, sah ich sofort ein Loch vor mir. Ein Loch, das sich weitet. Mein Arschloch. Loslassen im Bett – das bedeutet für mich: dem Drang widerstehen, meinen Schließmuskel anzuspannen. Analsex gehört nicht zu unserem Alltagsliebesleben. Anale Randale sind bei uns so wie „Wetten, dass…“: etwa alle zwei Monate, etwas unangenehm, aber auch geil. Definitiv unterhaltend. Und man erzählt es den Arbeitskollegen nicht. 

Erotik durch die Hintertür: Es ist oft noch ein Tabuthema, dabei ist Analsex in vielen Schlafzimmern der Republik äußerst beliebt. Wie fühlt sich Analsex an? Und warum ist Loslassen – auch bei anderen Fantasien – so wichtig? Ein Loblied auf die Popo-Party.

Ohne Gel, ohne mich

Wir haben in unserer Beziehung sehr lange gewartet, bis wir das Tor zum Enddarm geöffnet haben. Ich war immer davon überzeugt, dass es nur so wenige „erste Male“ gibt, dass wir nicht sofort jegliche Fantasien im ersten halben Jahr abfrühstücken müssten. Ich glaube, wir waren drei Jahre zusammen. Ich weiß aber defintiv noch, dass ich beim Eindringen dachte: never. Das passt never ever. Aua.

Im Nachhinein weiß ich, dass wir überstürzt gehandelt haben. Dass mein Arsch sanft auf dieses Abenteuer vorbereitet werden muss, ob mit Finger oder ButtPlug – Hauptsache mit genügend Gleitgel. Ohne Gel, ohne mich. Immerhin kann sich mein Po nicht selber befeuchten. Ich habe noch nie eine Analdusche genutzt, und es ist wirklich noch nie Kacke rausgekommen. Und mein Freund hatte auch noch nie Darmreste an der Eichel. Aber ich achte tatsächlich darauf, dass ich mein großes Geschäft an dem Tag schon erledigt habe und keinen Drang verspüre. Und dann heißt es: loslassen.

Das Arschloch öffnen, als würde man auf dem Klo sitzen. Ja: Kacken. Eindringen fühlt sich hier an wie Kacken. Macht ja auch Sinn: Ob die Wurst rein- oder rausgeht, die gleichen Nerven werden stimuliert. Und wenn normaler Sex auch mal Kaninchengeschwindigkeit haben darf, ist beim Analsex – zumindest bei uns – Blauwaltempo gefragt. Ganz, ganz sutsche. Ich bekomme dann Gänsehaut und muss tief atmen und möchte, dass dieses Gefühl nie vergeht. Alles ist intensiv. Alles prickelt. Ich bin komplett ausgefüllt. Ich muss nur immer wieder den Drang, ihn rauszupressen, unterdrücken. Wenn ich meinen Schließmuskel zusammenziehe, wird es noch enger für meinen Freund. So kann ich etwas steuern, wie schnell oder langsam er zum Orgasmus kommt. Ich selber könnte durch Analsex nie den Höhepunkt erreichen, aber ganz wunderbar: Es eignet sich hervorragend, um einen Vibrator an die Klitoris zu halten. Dann wird aus Kacken … Kommen.

Perfekt für Einsteiger: Tamponsex

Wir benutzen dabei immer ein Kondom. Dann kann er im Zweifel nach dem Analsex das Gummi abstreifen und sofort nochmal vaginal eintauchen. Und hier noch ein Tipp, der bisher alle meine Freund*innen überzeugt hat: Tamponsex. Einfach Tampon in den Po und normal vögeln. Ist der Wahnsinn! Außerdem kann man gut mit den S-Größen anfangen und sich bis Super-Plus vorarbeiten. Analsex hat übrigens ganz wunderbare Synonyme: Darmgartenparty. Hecklukenverkehr. Popopiraterie. Schokostich. Wenn das nicht nach mehr einlädt?

Jeder hat seine eigenen Grenzen und Fantasien. Ich zum Beispiel genieße Analsex sehr, aber würde niemals – Stand jetzt – das Arschloch meines Freundes lecken. Eine enge Freundin von mir tut das sogar bei One Night Stands. Sie liebt es. Da sträubt es sich in mir. Sie hingegen verzieht das Gesicht, wenn ihr jemand eine Dirty-Talk-Nachricht schickt. Ist ihr zu unangenehm. Fantasien sind wie Querdenker: irrational.

Sex in der DDR-Grenzuniform

Mein Freund und ich haben keinen extravaganten Sex. Immer, wenn wir mal eine neue Stellung ausprobieren, brechen wir nach wenigen Sekunden ab, weil irgendwem der Muskel zwickt oder der Penis rausflutscht oder das Feeling mal so gar nicht aufkommt. Unser Sex ist durchschnittlich kurz: fühlt sich ewig an, aber ein Blick auf die Uhr verrät: Ekstase in 7 Minuten. Seit wir ein Kind haben, schlafen wir auch nur noch auf dem Sofa miteinander. Im Schlafzimmer schläft der Nachwuchs, im Bad treten wir auf Badewannenspielzeug und würde ich mich auf der Küchenarbeitsplatte nehmen lassen, hätte ich Karotten-Pastinaken-Brei an der Arschbacke. Bei einer Fantasie allerdings weiß ich, dass sie nicht in jedem Wohnzimmer stattfindet: unsere Lust nach Kostümen.

Kostüme klingt vielleicht etwas pompös. Sagen wir: Gadgets. Wir haben einige: ein Arzt-Stethoskop, Tribal-Klebetattoos für ein kurzweiliges Arschgeweih (so werde ich zur dirty 90s bitch), einen alten Netz-Jutebeutel für die Brüste (sieht aus wie bei Waterworld), eine DDR-Grenzuniform, einen Rennfahrer-Overall vom Flohmarkt, Federn zum Streicheln oder in die Haare stecken, eine Kapitänsmütze, einen Schnubbi zum Ankleben, eine lila Perücke (Freund ist Futurama-Fan) und mein Lieblings-Accessoire: la coeur de la mer. Die Kette aus Titanic. Natürlich made in China. Trotzdem hat mich mein Partner schon gezeichnet und danach beglückt wie Jack Dawson. Bei der Zeichnung war ich allerdings nur erstaunt, wie präzise er meine Speckrollen skizziert hat. Die Zeichnung haben wir weggeschmissen. Aus Angst, dass falls uns mal etwas zustößt, unsere Familien dieses Bild finden und verstört sind. Wie sehr sie unsere Kostümschublade verstören wird, verdrängen wir. Hoffentlich ist das Kind bis dahin im karnevalsfähigen Alter.

Öffnet eure Arschlöcher

Letzte Woche hatte wir erstmals „Bankersex“. Ein schlimmes Klischee. Mein Freund hat mich mit dem Bargeld aus seiner Sparbüchse gestreichelt. Erst aus Spaß, dann wurde daraus schnell Ernst. Wir hatten wunderbaren Sex auf den Scheinen. Nur bei dem Satz „Ich komme gleich zum Jahresabschluss“ mussten wir dann beide lachen und kurz pausieren.

Anyway. Was ich sagen möchte ist: lasst los. Let it go. Wie Elsa. Nicht nur den Haarzopf öffnen, sondern auch eure Arschlöcher. Vor allem die Scham. Öffnet euch eurem Partner. Sagt, was ihr euch wünscht. Sagt, woran ihr beim Masturbieren denkt. Und wenn ihr es nicht genau wisst, fragt bei ihm oder ihr nach. Denn selbst, wenn mich persönlich die lila Perücke nicht erregt, erregt es mich, wenn mein Partner erregt ist.

Für mich gab es erst eine Sache, bei der ich die Grenze ziehen musste: die Bitte, ob ich beim Sex den Pelzmantel vom Dachboden anziehen kann. Ein Familienerbstück. Von meiner Oma. Nein, danke.