geschrieben von Cara
Zuletzt geweint wegen meines unerfüllten Kinderwunsches habe ich vorgestern. Und dabei muss man dazu sagen, dass es bislang nicht mal einen Versuch gab, bei dem ich hätte schwanger werden können.
Aber fangen wir von vorne an.
Mit 17 hatte ich eine sehr romantische Vorstellung von Schwangerschaft und Eltern werden. Ich war zwar damals schon als lesbisch geoutet, aber zeitweise war mein Kinderwunsch so groß – ich habe tatsächlich Gelegenheiten genutzt und „es drauf ankommen lassen“. Rückblickend bin ich wahnsinnig erleichtert und froh, dass es nicht geklappt hat. Ich war dann aufgrund meiner schwierigen Kindheit lange in Therapie und ein Satz hat sich mir eingebrannt, den meine Therapeutin mir kaum selbst erwachsen und schon mit Kinderwunsch gesagt hat: „Der Ruf nach dem Kind ist der Ruf nach der Mutter.“ Über 5 Jahre lang habe ich meine Kindheit und meine traumatischen Erfahrungen mit meiner eigenen Mutter aufgearbeitet. Mein Kinderwunsch war mir dennoch immer ein treuer Begleiter, mal mehr, mal weniger präsent.
Heute, 10 Jahre später, ist der Kinderwunsch weiterhin da – doch er selbst und die Voraussetzungen sind gänzlich anders. Seit fast 4 Jahren bin ich mit meiner Freundin zusammen. Sie selbst ist eine „spät geoutete“ und brachte ein Kind aus ihrer ersten Beziehung mit. Dass wir uns gemeinsam ein weiteres Kind wünschen, war früh klar. Doch Patchworkfamilien brauchen ihre Zeit, um zusammen zu wachsen und zu heilen. Und dieser Wegabschnitt sollte erst der Anfang sein.
Als lesbisches Paar ist es – ganz offensichtlich – nicht möglich, mit dem romantischen Gedanken an ein gemeinsames Kind, verliebt miteinander ins Bett zu steigen und die Magie geschehen zu lassen. Ich glaube, dass allein diese Hürde Auswirkungen darauf hat, wie wir uns auf ein Kind vorbereiten. Ich habe viele Freundinnen, die frisch schwanger oder frisch Mutter sind. Manche haben eigentlich weder Platz noch die finanziellen Mittel für ein Kind. Manche hatten große Krisen in ihrer Beziehung und wollten sich gefühlt gerade trennen, da verkündeten sie mit strahlenden Augen die Schwangerschaft.
Anfangs war es nicht leicht
Wir hingegen arbeiten seit einiger Zeit noch intensiver als je zuvor an unserer Persönlichkeitsentwicklung und an unserer Beziehung. Wir sprechen über unsere Gefühle, Bewältigungs- und Konfliktstrategien, Differenzen in Erziehungsvorstellungen, finanzielle Sicherheit, Gesundheit, Aufgabenverteilung, Mental Load und vieles mehr. Wir sind in eine Wohnung gezogen, in der auch unser gemeinsames Kind gut Platz haben wird.
Anfangs war es nicht leicht, über den Kinderwunsch zu sprechen. Von meiner Seite war das ohnehin schon ein belastetes Thema und mit solchen Voraussetzungen ist es umso schwerer, sich gemeinsam in zunächst befremdliche Themen wie die Bechermethode, Spendersuche oder Stiefkindadoption einzuarbeiten. Eben nicht dem natürlichen Impuls nachgehen zu können, einfach verliebt miteinander ins Bett steigen zu können, sondern harte Fakten, astronomische Zahlen und weitreichende Verantwortung zu diskutieren. Können wir uns eine Samenspende in einer Kinderwunschklinik leisten? Sollten wir uns im Ausland umsehen? Wollen wir einen anonymen Spender? Wird meine Freundin das Kind als ihres annehmen können?
Wir machten kleine Schritte
Wir trafen uns mit einem möglichen Spender, einem Freund. Das Gespräch blieb sehr vage, unverbindlich. Per Zufall sahen meine Freundin und ich einen Film über ein lesbisches Paar, das mit einem befreundeten Spender schwanger wurde. Die gebärende Mutter verstarb, bevor die notwendige Stiefkindadoption der zweiten Mutter durch war. Sie hatte kein Sorgerecht und drohte das Kind an den Spender zu verlieren. Als der Film zu Ende war, schwiegen wir ein paar Minuten, dann war unsere Entscheidung klar: Wir gehen den Weg einer anonymen Spende in der Kinderwunschklinik.
Wir machten kleine Schritte. Nachdem klar war, dass ich das Kind bekommen werde, vereinbarte ich einen Termin beim Frauenarzt. Wenn ich meinen heterosexuellen Freundinnen davon erzählt habe, verstehen sie diese ganzen Vorbereitungen nicht. Ich verstehe deren Leichtfertigkeit nicht. Vielleicht ist es auch mein Neid, auf ein Privileg, das sie nicht wertzuschätzen scheinen.
Ich weine oft über die Schwere der ganzen Thematik und der vielen Entscheidungen. Noch mehr weinte ich, als sich nach dem Frauenarzt herausstellte: Ich habe Endometriose, eine chronische Entzündungskrankheit, die sich negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken kann. Ich musste operiert werden, danach wurde mir gesagt, je eher wir mit der Kinderwunschbehandlung beginnen würden, umso besser.
Soweit sind wir aber noch nicht. Damit meine Freundin unser gemeinsames Kind rechtmäßig adoptieren kann, müssen wir verheiratet sein. Natürlich könnten wir auf die Schnelle zum Standesamt fahren und das als eins von vielen To-Dos abhaken. Aber wir wollen auch nicht, dass diese Reise ein stupides Abarbeiten von Terminen und Aufgaben ist.
Jeder Versuch wird uns etwa 1000€ kosten
Wir haben uns viel im Internet informiert, mit anderen ausgetauscht und wissen, zu welcher Klinik wir gehen werden. Wir wissen auch, welche Kosten dafür auf uns zukommen werden und sparen dafür. Da ich mit der Endometriose schon eine mögliche Schwierigkeit habe, versuche ich gegen mein Übergewicht anzukämpfen, mich überhaupt gesundheitlich perfekt aufzustellen. Jeder Versuch wird uns etwa 1000€ kosten, die wir als lesbisches Paar aus eigener Tasche zahlen müssen. Wohingegen eine mit einem Mann verheiratete Frau, die die gleichen Voraussetzungen hat wie ich, einen Antrag auf Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse stellen könnte. Seit 2016 können auch unverheiratete Paare finanziell unterstützt werden, denn laut der Bundesförderrichtlinie soll der Kinderwunsch von Eltern nicht am Geld scheitern. Auch wenn seit 01.10.2017 die Ehe für alle gilt, so werden wir als gleichgeschlechtliches Paar dennoch strukturell an mehreren Stellen diskriminiert. Aktuell liegt jedoch ein Gesetzesentwurf vor, nach dem bei einem verheirateten lesbischen Paar die sogenannte „Mit-Mutterschaft“ die diskriminierende, langwierige und bürokratische Stiefkindadoption ablösen würde. Ich hoffe sehr, dass dieses Gesetz bis zur Geburt unseres Kindes durchgesetzt wird, sodass uns diese Hürde genommen wird.
Bis dahin haben wir noch genug zu tun. Und was ich uns als Paar und Eltern am meisten wünsche, sind Momente der Leichtigkeit und Zuversicht zwischen all den Terminen, Auflagen und Formalitäten. Dass wir dennoch einander und unsere Liebe als Ursprung des gemeinsamen Kinderwunsches nicht aus den Augen verlieren, selbst wenn wir dafür wahnsinnig viel im Blick behalten müssen.
Mehr von Cara findet ihr hier.
Danke für den tollen Text und das Kennenlernen dieser Seite der Medaille.
Sehr gerne! Danke liebe Cara!
Was für ein schöner und irgendwie auch trauriger Artikel. Neben euren persönlichen Voraussetzungen (z.B. die Endometriose), hat mich wirklich erschreckt, dass ihr keine finanzielle Unterstützung bekommt, das wusste ich nicht. Ich wünsche euch viel Erfolg auf eurem gemeinsamen Weg und vor allem auch, dass die Mit-Mutterschaft bald durchgesetzt wird!
Danke, liebe Cara, für diesen tollen, emotionalen und auch sachlichen Text. Tatsächlich habe ich mir als Mutter in einer Heteroehe noch nie darüber Gedanken gemacht, wie es für Schwule und Lesbische Paare genau ist mit dem Kinderwunsch. Danke, dass du das schilderst und zeigst wie ungerecht doch alles ist. Ich glaube auch, dass wir Mütter/ Frauen in einer heterosexuellen Beziehung uns meist nicht bewusst sind, welche Privilegien wir haben.
Umso wertvoller ist deine Offenheit. Du bist eine Bereicherung! Alles Liebe für euren Weg!