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Es ist nur eine Phase… Ja, diesen Spruch kennen wohl alle Eltern, denn wenn unsere Kinder schlechte Laune haben, ist meistens ein Entwicklungssprung schuld. Doch nicht nur unsere Kinder springen immer wieder in ihrer Entwicklung. Auch wir Erwachsenen verändern uns und entwickeln uns – im besten Fall – jeder Tag ein weniger weiter. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren, unser Gesicht bekommt Falten, unsere Haut wird krauser, das Bindegewebe schlechter, Erinnerungen werden kreiert und abgespeichert, Erlebnisse in gut und schlecht geordnet, von denen wir die nächsten Jahre zehren werden. Alles was wir sind, ist ein Prozess. Unser Leben eine Reise, die den Entwicklungssprüngen unserer Kinder sehr ähnlich ist. Denn auch bei uns heißt es im Nachhinein oft: es war nur eine Phase…

Es war ein Mann, eine Musikrichtung, eine Freundin, eine andere Clique, es war ein Modetrend, eine Begegnung, ein Ort, der uns geprägt hat. Oft sehen wir erst später, mit etwas Abstand, was wir in der Phase unseres Lebens waren. Ob wir uns gefallen haben, ob wir gerne mit uns befreundet gewesen wären, kann man meist erst reflektieren, wenn es zu spät ist. Und dennoch lernt man so viel von sich, wenn man sein komplettes Leben betrachtet.

Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, die mir ab und an in den Kopf schießt. Ich war im Urlaub auf Ibiza. Ein Bekannter hat dort eine Party geschmissen und mich eingeladen. Durch viele Verstrickungen, bin ich an einem Abend mit Leuten, die ich nicht wirklich kannte, in einem Club gelandet, der als einer der besten Clubs der Welt gilt. Dort haben wir gefeiert und Cocktails für 40€ getrunken. Dort fühlte man sich erwachsen und ein wenig stolz an so einem tollen Ort sein zu dürfen. Irgendwann an diesem Abend kam ein Mann aus unserer Runde zu mir – er war doppelt so alt wie ich – und sagte zu mir, dass er es sehr schade fände, dass ich in so jungen Jahren schon in solch einem Club wäre, denn nun hätte ich mit 20 Jahren schon alles in meinem Leben gesehen – besser würde es nicht werden.

Heute, ca. fünf Jahre später, muss ich müde über diese Nacht lächeln und auch über das, was der Mann zu mir gesagt hat. Denn dieser Club, diese Welt dort auf dieser Insel, ist in keiner Weise mit dem zu vergleichen, was ich jeden Tag zuhause habe: meine glückliche Familie um mich. Früher hätte ich mir nicht vorstellen können, wie wenig ich eine wilde Partynacht doch brauchen würde, wenn ich dafür ein schnarchendes Kleinkind neben mir habe und einen Mann, der mich aufrichtig liebt. Was ich mich aber frage, ist, ob der Mann aus dem Club auch so etwas wie eine glückliche Familie hat und ihm der Club auf Ibiza trotzdem mehr gibt? Ich hoffe nicht. Denn das wäre das Traurigste, was ich je gehört habe.

Früher, als ich mir mein späteres Leben ausgemalt habe – in einer Zeit, in der mein jetziges Leben für mich noch nicht begonnen hatte, da Schule und Studium gefühlt nur die Vorbereitung waren – schien mir immer klar zu sein, was ich mal würde sein wollen. Ein Ich, dass sich jetzt für mich wie ein anderes Leben anfühlt.

Ich habe oft versucht, das Richtige zu finden. Ob es um einen Mann ging, um einen Freundeskreis, um einen Kleidungsstil. Oft habe ich versucht mich zu verkleiden. Verstanden habe ich das erst, als ich schon wieder wer ganz anderes war. Es hat gedauert, bis ich zur jetzigen Nina wurde und ich bin gespannt, wie ich mein jetziges Ich in ein paar Jahren sehen werde. Wie ich wachsen werden, aus was ich lernen werde. Ich versuche keine Angst davor zu haben, dass ich ein Prozess bin, sondern mit einem zwinkernden Auge auf Dinge zu blicken, die mir an mir nicht gefallen habe. Aus Fehltritten lernt man doch bekanntlich am besten.

Jetzt, genau heute, bin ich erfüllt und vollkommen da. Ich habe ab und an noch mit der ein oder anderen Sache zu kämpfen – so wie wir alle – und doch würde ich nichts austauschen oder anders haben wollen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich in meinem Leben an einer Kreuzung hätte anders abbiegen können und somit die ein oder andere Sache leichter werden würde, würde ich es tun, aber nur, wenn ich wüsste, dass mein Leben genauso aussehen würde, wie heute.

Ich fühle mich wie in der besten Phase meines Lebens und hoffe sehr, dass diese noch sehr lange anhält und auch wenn nicht, mache ich mir eine Flasche Wein auf, stoße auf das an, was war und mache weiter. Ich bin gespannt auf alles was kommt! Vielleicht wird es ja noch besser…