Vor kurzem las ich einen Post auf Instagram über jemanden, der sagt, dass er keine Freundschaften brauche. Ich wunderte mich kurz, versuchte mich in die Situation hineinzuversetzen. Und ehrlich gesagt kann ich bis heute nicht richtig nachvollziehen, wieso man es bevorzugt, keine Freunde zu haben. 

Freundschaften sind für mich nicht wegzudenken. Ich liebe es, mich mit meinen Freunden und Freundinnen auszutauschen, jemanden zu haben, den ich anrufen kann, wenn ich Hilfe brauche, oder dass ich angerufen werde, wenn jemand meiner Freunde mich braucht. Ich liebe es, nie alleine zu sein, denn man weiß, dass es Menschen gibt, die da sind und zu einem stehen. Und ich liebe es, dass ich in dem letzten Jahrzehnt gelernt habe, wie ich mit Freundschaften umgehe. Denn … und das ist vielleicht eine der wichtigsten Erkenntnisse meiner 20er: Freundschaften dürfen sich verändern, sich auflösen, neu entwickeln und eine andere Dynamik bekommen.

Das war es dann jetzt

Ich weiß noch genau, wie sehr es früher weh getan hat, als ich Freundschaften verloren habe. Eine ehemalige Freundin von mir schrieb wütend (als wir Streit hatten), dass sie mir nun mal gerne alles sagen wollen würde, was sie schon immer an mir störte – und uns war beiden klar: Das war es dann jetzt. Eine andere ehemalige Freundin von mir erzählte in unseren Kreisen unerklärliche Lügen über mich herum, die natürlich irgendwann zu mir durchsickerten. Daraufhin bin ich verbal auf die losgegangen, die mit dieser Person über mich sprach. Beide der hier genannten Freundschaften verlor ich vor 5 Jahren … seitdem habe ich einiges dazugelernt. 

Meine Impulsivität zügeln

Ich bin ein impulsiver Mensch, leidenschaftlich und schwanke gerne in beide Richtungen. Wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich das. Genauso in die andere Richtung: Wenn ich etwas oder jemanden großartig finde, sage ich es genauso schnell. Doch mit der Zeit bin ich vorsichtiger geworden. Habe einfach weniger Kapazitäten für beide Extreme und habe gelernt, dass es in Freundschaften – genauso wie in Liebesbeziehungen – wichtig ist, abzuwarten, abzuwägen und immer das große Ganze im Blick zu haben: die Wichtigkeit dieser Freundschaft.

Wegbegleiter

Freunde sind für mich Begleiter. Menschen, die einem guttun, die einen nehmen, wie man ist. Doch wir verändern uns, entwickeln uns weiter. Jeder von uns und daher kann es passieren, dass wir uns ebenso in andere Richtungen entwickeln. So kann es dazu kommen, dass Freunde zu Wegbegleitern für eine bestimmte Zeit werden und wir uns entwöhnen – voneinander, andere Ansichten entwickeln, andere Werte bekommen, nicht mehr kompatibel sind. Das kann ganz klassisch aufgrund von anderen Lebenssituationen sein (ein Kind oder eine Beziehung kommt dazu) oder aufgrund von politischen Ansichten oder einem Job, der einen total einnimmt oder verschluckt. In solchen Momenten trennen sich des Öfteren die Wege von Freunden, die sich vielleicht aber auch wieder kreuzen werden. Vielleicht auch nicht und das muss okay sein. 

Akzeptanz

In den letzten zehn Jahren habe ich gemerkt, dass das okay ist und musste lernen, Dinge runterzuschlucken. Ich habe versucht, nicht immer sofort das Gespräch zu suchen, sondern die Füße stillzuhalten, wenn mich etwas stört. Damit meine ich übrigens nicht, dass ich alles akzeptiere, aber eine Freundin oder ein Freund muss nicht alles in einer Person für mich oder dich sein und somit auch nicht alles zu 100 Prozent so machen, wie ich oder du es gut finden. Akzeptanz ist hier das Schlüsselwort (für mich). 

Verschiedene Arten von Freundschaften

Heute habe ich noch Kontakt mit ehemaligen Freunden, die zu entfernten Bekannten geworden sind, oder Bekannte, die für immer Bekannte bleiben. Und natürlich zu meinen engen Freunden und Freundinnen, die ich an zwei Händen abzählen kann. An einer Hand halte ich meine Freunde, denen mein Alltag so bekannt ist wie mein eigener, mit denen ich mich regelmäßig zum Kaffee, Essen, Spazieren oder Telefonieren verabrede. An der anderen Hand halte ich meine Freunde, die nicht immer da sein müssen, die auch nicht immer da sein können, die gerade ein anderes Leben führen als ich, die weiter weg wohnen, die ich vielleicht nur zweimal im Jahr sieht, von denen ich aber weiß: Wir beide bleiben zusammen. 

Und dann gibt es da eben die ehemaligen Freunde, die ich gehen lassen habe oder die mich gehen lassen haben. Freundschaften, die kaputtgegangen sind. Schmerzhaft waren diese Trennungen alle, aber nun kann ich sagen: Ich weine niemandem hinterher und jede dieser drei ehemaligen Freundinnen würde ich heute bei einem Kaffee sagen können: „Danke für diese schöne Zeit. Du warst mir eine gute Freundin, eine gute Wegbegleiterin.“

Fazit:

Ich lege es ab, das Freundschaftarmband, wenn es sein muss. Oder knote es noch fester zu. Ich löse es sogar, wenn es sein muss oder klebe es zusammen, falls es anfängt zu bröckeln. Was ich aber nicht mehr mache, ist, es aufzuschneiden. Und so fahre ich gut.