An zwei Dingen kommt niemand vorbei: an der Geburt und am Tod. Darum sollten wir auch das Sterben Teil unseres Lebens sein lassen. Die Bestatterin Adriana Wolf hat klare Wünsche an eine neue Kultur von Tod und Trauer.
Er ist nicht vorhersehbar. Er trifft uns meistens unvorbereitet. Und wir können vorher nicht im Ansatz ahnen, was er mit uns macht: der Tod von Angehörigen. Noch unvorstellbarer ist es, dass wir selbst eines Tages gehen müssen – vielleicht sogar früher, als wir es je geahnt hätten.
„Die eigene Endlichkeit schreckt uns“, sagt Adriana Wolf. Sie kennt sich mit dem Thema aus, denn Adriana ist Bestatterin in Dresden. Im eigenen Unternehmen setzt sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Benjamin für eine neue Bestattungskultur ein. Warum ist ihr das so wichtig? „Es ist simpel“, sagt sie, „seit Anbeginn der Zeit verlieren Menschen andere Menschen. Darum wünsche ich mir sehr, dass wir den Tod als das betrachten, was er ist: als etwas, das zum Leben dazu gehört.“
Radikale Worte? Die wenigsten werden den Gedanken daran, geliebte Angehörige zu verlieren, als etwas empfinden, das zum Leben dazu gehört. Doch genau dieses Ausblenden der Realität führt zu vielen Problemen, weiß Adriana aus ihrem Alltag. Der Tod werde verdrängt, der Abschied als etwas begriffen, das man schnell und bürokratisch absolvieren muss. Wenn Angehörige in Adrianas Beratungsraum kommen, laufe es meistens so: „Sie haben alle Dokumente dabei und denken, sie müssen jetzt schnell die Notwendigkeiten abhandeln: Urne, Blumen, Karten. Ich sage dann immer: Ihr vergesst erst einmal alles, was ihr über Bestattungen wusstet. Und dann fangen wir neu an zu denken, was ihr braucht.“
Übergänge auf eine andere Seite
Ihre Arbeit bezeichnet Adriana dabei der einer Hebamme nicht ganz unähnlich – nur, dass sie nicht einem kleinen Menschen auf die Welt hilft, sondern einen Menschen von dieser Welt begleitet. „Geburt und Tod – beides sind Übergänge von der einen zur anderen Seite“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Ich tue das gleiche, was ich mache, wenn ich einem Baby das erste Mal begegne: Ich nehme meine Ansichten und Erfahrungen raus. Ich höre ausschließlich darauf, was die Trauernden brauchen, ganz offen und unvoreingenommen.“
Denken wir darüber nach, dass ein Mensch beerdigt wird, haben die wenigsten von uns konkrete Bilder im Kopf. Wir stellen uns vielleicht vor, dass die Person von zu Hause abgeholt und in einen Kühlraum gebracht wird. Irgendwann kommt sie ins Krematorium und wird eingeäschert oder sie wird erdbestattet. Es findet eine halbstündige Trauerfeier mit Rede statt, es wird kondoliert, ein Stück Kuchen wird zum Kaffee gereicht – und fertig.
Die meisten Menschen folgen diesem klassischen Bestattungsschema, weil sie nie etwas Anderes kennengelernt oder in Erwägung gezogen haben. Dabei tut sich in der Bestattungsbranche in Deutschland einiges. Viele Unternehmen wie das Trostwerk in Hamburg, Charon und Memento in Berlin oder Lebensnah in Berlin und Leipzig setzen sich dafür ein, dass auch das Ende so individuell verläuft wie das Leben.
Wie die schwarzen Löcher in der Seele entstehen
Adriana bedauert es, dass die Vorstellungen von Abschied und Trauer in unserer Kultur so eng sind. „Es gehört so viel mehr dazu“, sagt sie. Ein Anliegen ist es ihr, Angehörigen das Abschiednehmen zu ermöglichen. Dabei wird der Tote für eine bestimmte Zeit aufgebahrt – in den Räumen des Bestatters, aber auch zu Hause – und man kann sich in aller Ruhe verabschieden, den Toten mit waschen, versorgen, ankleiden. „Viele Menschen begreifen den Tod erst, wenn sie den Verstorbenen noch einmal sehen oder berühren“, sagt Adriana Wolf. Während man früher sagte, Kinder sollten nicht einmal zu Trauerfeiern gehen, weiß man inzwischen: Den Tod zu verdrängen, kann traumatisieren. „Das sind dann die schwarzen Löcher in der Seele“, sagt Adriana.
In südeuropäischen und -amerikanischen Ländern wird mit dem Thema Tod ganz anders umgegangen. Dort ist die Tradition des Abschiednehmens am offenen Sarg ebenso selbstverständlich wie lautes, emotionales Trauern, das sich über Wochen und Jahre ziehen kann. Anders bei uns, wo sich Menschen nach dem Verlust eines Angehörigen oft schon Tage später wieder in den Alltag integrieren. Das erlebt Adriana oft: „In Deutschland wird gesagt: ‚Wein doch nicht, es wird bald wieder gut.‘ Oder: ‚Es geht vorbei‘. Dabei ist Trauer gelebte Liebe – und würden wir einem Liebenden sagen: ‚Das hört schon wieder auf‘?“
Aber wie schaffen wir es, den Schrecken vor dem Tod zu verlieren? Adriana wünscht sich, dass wir alle mehr darüber reden, uns gegenseitig fragen, wie wir beerdigt werden wollen. Und: Wir sollten Beerdigungen nicht meiden, sondern sie als Teil des Lebens begreifen. Wenn wir selbst einen Angehörigen beerdigen müssen, können wir beim Bestattungsunternehmen um eine Abschiednahme bitten. Wir können insistieren, dass die Bestattung so abläuft, wie es zu uns passt – und nicht wie wir denken, dass eine Bestattung sein muss.
Was ist vorzubereiten für den Fall des eigenen Todes?
Es klingt im ersten Moment vielleicht morbide, aber du solltest Folgendes klären: Wenn ich morgen sterbe, ist alles beisammen, sodass meine Angehörigen meinen Abschied vorbereiten, sich nicht um nervige Bürokratie kümmern und in Ruhe trauern können? Dazu gehören folgende Dinge:
- Habe immer das letztgültige Meldedokument griffbereit: Geburtsurkunde, ggf. Heiratsurkunde oder Scheidungsurteil.
- Lege ggf. Unterlagen für eine Sterbegeldversicherung griffbereit.
- Stelle Post- und Bankvollmachten für deine Angehörigen aus.
- Verfasse ein Dokument, in dem deine speziellen Vorstellungen für dein Grab oder die Trauerfeier stehen. Wer soll benachrichtigt werden? Wer soll zur Bestattung kommen? Wo möchtest du begraben werden? Möchtest du begraben werden, oder lieber eingeäschert?
- Gerade wenn du in einer Beziehung, aber nicht verheiratet bist: Lege das Totenfürsorgerecht für deinen Partner oder deine Partnerin fest – ansonsten müssen sich automatisch deine Eltern um deine Bestattung kümmern. Vielleicht entstehen dann Konflikte, die ganz sicher nicht beim Trauern helfen.
- Wenn du Kinder hast, sorge auch dafür, dass für sie gesorgt ist, falls im schlimmsten Fall auch dein Partner oder deine Partnerin verstirbt.
Wichtig zu wissen für Singles ohne Kinder
Bist du Single, hast keine eigenen Kinder und möchtest nicht, dass deine eventuell schon älteren Eltern mit dem Thema belastet werden? Dann suche eine Person aus deinem Freundeskreis aus, der du das Totenfürsorgerecht übergeben möchtest. Besprich mit dieser Person, welche Vorstellungen du für deine eigene Bestattung hast und und lege dies schriftlich fest. Auch alle anderen notwendigen Vollmachten (Vorsorgevollmacht, Bank- und Postvollmacht) solltest du als Single unbedingt festlegen. Und ja: Du solltest auch ein Testament machen. Bei deinem Tod erben automatisch deine Eltern alles – falls diese nicht mehr leben, fiele dein Nachlass an den Stamm der Großeltern. Dazu gehören Onkel, Tanten, Cousinen etc. Gibt es auch diese nicht, erbt der Staat alles. Du solltest also durchaus einen Gedanken daran verschwenden, wem in deinem engeren Kreis du ein mögliches Vermögen überlassen möchtest – und dies dann notariell festlegen.
Und zuletzt:
Sprich in deinem Umfeld über den Tod. Niemandem ist geholfen, wenn das Thema Sterben ein Schreckgespenst bleibt, das nicht passieren darf. Denn es ist das einzige, das – wie die Geburt – alle Menschen ausnahmslos verbindet.