Notbetreuung corona

Ich möchte mir kein Urteil erlauben. Ich bin keine Expertin, keine Virologin, keine Politikerin, keine, die etwas zu sagen hat. Ich bin „nur“ eine Mama, die das Beste für ihre Kinder will und eine, die auch noch gerne arbeitet und auch ab und an alleine durchatmen möchte. Doch die momentane Situation, bedingt durch die Schließungen der Kitas, erlaubt mir, nicht meinen Bedürfnissen Raum zu schenken, sie erlaubt mir auch nicht, dass ich meinem Kind ermögliche, was es dringend braucht: soziale Kontakte. Sie ermöglicht mir nicht, zu arbeiten und ausgelassen zu sein – eher ausgelastet bis zum Anschlag. Aber so ist es nun mal gerade. Ich kann nichts dran ändern und wisst ihr was? Ich möchte es auch nicht. Denn ich bin froh, dass ich nicht in der Verantwortung bin, über viele, viele Menschenleben zu entscheiden. Ich kann es nämlich nicht und bin mir sicher, dass die, die für solche Entscheidungen verantwortlich sind, ihr Bestes tun, um keinen Fehler zu machen. Um zu verstehen, wie es wäre, wenn Kitas ihre Türen wieder für mehr Kinder öffnen würden, wenn die Notbetreuung ausgebaut werden würde (die bis jetzt nur für Eltern in systemrelevanten Berufen geöffnet hat), habe ich mich umgehört und vier Erzieher gefragt, wie es denn gerade ist… in Zeiten von Corona, Angst, Unsicherheiten und der Arbeit in einer Notbetreuung.

Vivien Schütte / Kita Hamburg

Wie viele Kinder betreut ihr?

Am Anfang der Notbetreuung hatten wir acht Kinder, nach der ersten Woche hatte sich die Kinderanzahl auf sechs eingependelt. Nach den neuen Lockerungen haben wir elf Kinder. Im Regelbetrieb haben wir zwischen 60-80 Kinder in der Betreuung.

Hattet ihr schon den Fall, dass Kinder in die Notbetreuung gebracht wurden, obwohl sie nicht notbetreut werden mussten?

Ja, wir hatten auch Eltern, die ihre Kinder abgeben haben, weil sie keine andere Art von Betreuung organisieren konnten. Unsere Leitung hat zu jederzeit den Eltern versucht zu verdeutlichen, wie ernst die Lage ist und ihnen darzulegen, wozu die Notbetreuung vorgesehen ist.

Was ist für dich die einschneidendste Auflage, unter der ihr arbeiten müsst?

Für mich wirklich einschneidend ist, dass ich weitestgehend auf Körperkontakt verzichten sollte und auch zu meinen Kollegen Abstand halten sollte, was nicht immer gegeben ist.
Grade im Krippenbereich ist Nähe ein wesentlicher Teil der Arbeit und umso schwieriger ist es, den Abstand einzuhalten. Des Weiteren sind die Hygienevorschriften noch verstärkter einzuhalten, was natürlich noch zeitaufwändiger ist und somit Zeit verloren geht, die ich eigentlich am Kind verbringen würde.

Was ist für die Kinder die einschneidendste Auflage?

Wir haben in unserer Kita nicht wirklich ein großes Außengelände.
Durch die Auflagen, dass wir nur zu zweit rausgehen dürfen und wir auch keine Kernfamilie bilden dürfen, dürfen wir auch keine Ausflüge mit den Kindern unternehmen.
Die Kinder teilen uns schon sehr deutlich mit, dass sie das doof finden, nicht wirklich rausgehen zu können. Diese Aussagen spiegeln sich auch im Verhalten der Kinder, denn sie streiten sich häufiger, da sie weniger Möglichkeiten haben sich auszupowern.

Kann die Hygiene so eingehalten werden, wie sie vorgeschrieben ist?

Wir versuchen schon darauf zu achten, auch den Kindern beizubringen, wie wir uns verhalten sollten, wenn wir niesen oder husten, gründlich die Hände zu waschen und in die Armbeuge zu husten. Dennoch muss ich sagen: Es ist schwierig, alles zu hundert Prozent einzuhalten. Ich kann nicht immer den Abstand wahren oder meine Hände das hundertste Mal waschen, nachdem ich ein Kind gewickelt habe, weil meine Hände vom Waschen und ständigen Desinfizieren zwischenzeitlich blutig geworden sind, trotz ständigen Eincremens.

Gibt es sonst noch etwas zu sagen?

Ich würde gerne noch sagen, dass es für uns alle eine große Herausforderung ist und keiner eine Generallösung parat hat, damit alle Partein zufrieden gestellt sind.
Es werden Erzieher/innen zu IT Spezialisten, um mit den Kindern zu Zoomen, Facetimen oder sie packen Digitale Pakete mit Bastel-, Sing- und Alltagsangeboten, damit die Bezugsarbeit weitergehen kann.
Es wachsen Eltern über sich hinaus, um allen Seiten gerecht zu werden, Job, Familie & sich selbst.

Doch bei all diesen Strapazen und eventuell langsam blank liegenden Nerven, bitte ich wirklich darum, die Notbetreuung nur in Anspruch zu nehmen, wenn es nicht anders machbar ist, denn umso mehr Kinder, desto mehr Erzieher werden in der Kita gebaucht und somit die Anzahl der Leute innerhalb des Hauses gesteigert. Und dazu kommt, dass es innerhalb eines Teams auch mehrere Kollegen gibt, die entweder, selbst zur Risikogruppe gehören oder mit einer im selben Haushalt leben und deshalb der Arbeitsstelle fernbleiben müssen. Somit sind es zurzeit die immer selben Personen, die die Notbetreuung leisten

Jonas Koziorowski / Kita NRW

Wie viele Kinder betreut ihr? 

Normalerweise sind wir 90 Kinder in vier Gruppen. Bis zu dieser Woche waren es maximal fünf Kinder ingesamt. Mal kamen alle fünf, mal nur zwei bis drei. Seit diesem Montag betreuen wir in einer neuen Kleingruppe zwei Kinder, zu denen seit heute noch zwei Kinder gestoßen sind. Also aktuell neun. Ab nächster Woche werden aber voraussichtlich noch drei bis vier weitere Kinder kommen.

Hattet ihr schon den Fall, dass Kinder in die Notbetreuung gebracht wurden, obwohl sie nicht notbetreut werden müssen?

Nein, dadurch, dass die Eltern ein unterschriebenes Schreiben des Arbeitgebers vorlegen mussten, haben wir nur Kinder betreut, deren Eltern wirklich Anspruch auf Notbetreuung haben.


Was ist für dich die einschneidendste Auflage,  unter der ihr arbeiten müsst?

Puh, kann ich gar nicht genau beantworten, weil Empfehlungen zum Mindestabstand, etc. gar nicht von uns als Erzieher eingehalten werden können. Ist ein Kind traurig und braucht mich, nehme ich es wie früher auf den Arm und bin für es da!

Was ist für die Kinder die einschneidendste Auflage?

Dass sie ohne ihre Freunde sind und sie nur in Kleingruppen spielen dürfen, also nicht mit Kindern, die erst jetzt in die Notbetreuung kommen, in Kontakt kommen dürfen, wegen der Vermeidung neuer Infektionsnetze.

Wie geht es den Eltern mit den Auflagen? 

Bis jetzt haben wir noch kein negatives Feedback bekommen und stoßen auf viel Verständnis.
Am Anfang war es ungewohnt für die Eltern, die Kinder an der Tür abgeben zu müssen, aufgrund des Betretungsverbots. Aber das ist mittlerweile „normal“ geworden und alle haben sich dran gewöhnt.


Kann die Hygiene so eingehalten werden, wie es vorgeschrieben ist?

Wir haben strenge Hygiene- und Kontrollpläne, auf die wir achten. Regelmäßig Hände waschen, Umgang mit Spielzeugen, etc.
Aber auch schon vorher war es bei uns so, dass wir den Anforderungen entsprechend gearbeitet haben. Zusätzlich waschen wir jetzt mit den Kindern regelmäßig die Hände und haben versucht, es ihnen spielerisch nahe zu bringen. Aber was Abstand, Nase putzen, Körperkontakt zu Kindern angeht natürlich überhaupt nicht …

Erzieherin / Kita Bayern

Wie viele Kinder betreut ihr?

Wir sind eine Kinderkrippe, in der 36 Kinder in der Regel betreut werden. Aktuell sind es 1-2 Kinder, ab nächster Woche dürften 9 Kinder kommen.

Hattet ihr schon den Fall, dass Kinder in die Notbetreuung gebracht wurden, obwohl sie nicht notbetreut werden müssen?

Bisher gab es nur einen Fall, wo ein Elternteil systemrelevant im Gesundheitsbereich tätig ist und der andere Student ist. Sie sind also berechtigt, könnten aber als Studenten es sicher auch anders handhaben, wäre es ihnen wichtig das Kind nicht in die Notbetreuung zu schicken.

Was ist für dich die einschneidendste Auflage, unter der ihr arbeiten müsst?

Bis jetzt war immer ein Pädagoge mit den ein bis zwei Kindern alleine in Betreuung. Das ist schon echt eine Herausforderung, da der Fokus immer auf einem Kind liegen soll. Und wir sind immer im zwei Wochen Rhythmus in der Notbetreuung. Heißt: zwei Wochen Kinderdienst, zwei Wochen andere Tätigkeit. Das ist so, da wir aufgrund einer möglichen Infektion, die Teams austauschen müssen und die anderen erstmal in Quarantäne sind. Das finde ich tatsächlich sehr kräftezehrend. Außerdem können wir den Abstand zum Kind nicht eingehalten und einen Mundschutz haben wir auch nicht.

Was ist für die Kinder die einschneidendste Auflage?

Für die Kinder bei uns finde ich es insofern schwierig, da kein regulärer Gruppenalltag besteht. Es sind wechselnde Pädagogen und insofern nicht immer einer der Bezugsbetreuer da, wie es sonst bei uns in der Kita ist. Für manche Kinder völlig ok, andere Kinder haben damit sehr zu kämpfen und weinen viel.

Keine Gemeinschaft, nicht viele Kinder – sondern Pädagogen zum Spielen. Und der Umfang der Angebote und der Gestaltung des Alltags ist doch eher standardisiert auch wenn man den Alltag mit bekannten Ritualen gestaltet.

Kann die Hygiene so eingehalten werden, wie sie vorgeschrieben ist?

Hygiene kann eingehalten werden, da wir in jedem Zimmer Waschbecken, Seife, Desinfektionsmittel und Einmalhandtücher haben. Auch Handschuhe stehen ausreichend zur Verfügung. Wenn man mal vom Mundschutz absieht…

Was gibt es sonst noch zu sagen?

Eltern kontaktieren uns täglich und bitten darum, ob sie nicht endlich auch systemrelevant sind und ihr Kind bringen könnten. Schwierig für uns! Und schwierig, finde ich tatsächlich auch, dass ein Elternteil in einem systemrelevanten Beruf auslangt. Heißt, dass der andere Elternteil, der Home Office macht, aufpassen könnte – dafür dann aber nicht ausreichend arbeiten kann.

Dies wären Kinder, die nicht in die Notbetreuung gebracht werden müssten und hier geht es auch um den Schutz der Erzieher und der anderen Kinder, die keine andere Möglichkeit haben und dem ausgesetzt sind.

Ich würde selbst, da ich systemrelevant bin (da ich in der Notbetreuung arbeite), meine drei Kinder niemals in drei unterschiedliche Notgruppen schicken. Mein Mann kann Home Office in der Zeit. Klar, ist es anstrengend, aber ich definiere Notbetreuung wirklich so, dass sie nur zieht, wenn es keine andere Möglichkeit der Betreuung aufgrund der Berufstätigkeit beider Elternteile gibt.

Annika Meyer / Kita Bayern

Was ist für dich die einschneidendste Auflage, unter der ihr arbeiten müsst?

Auflagen…es wäre schön, wenn es welche seitens der Regierung gäbe. Vom Bundesministerium sollte es bis zum 27.04. Informationen geben zu der Ausführung der Notbetreuung. Etwas zu spät… Wir müssen uns deshalb – zu unserem eigenen Schutz – selbst Auflagen schaffen. Diese fangen damit an, dass wir keine Tür- und Angelgespräche mehr bei der Übergabe führen, sondern eine Art “Übergabeheft” für jedes Kind erstellt haben, in welchem die Eltern Informationen eintragen, welche für uns wichtig sind und umgekehrt. Die Eltern dürfen die Einrichtung nur mit Mundschutz betreten, den Mitarbeitern ist es freigestellt, ob sie Mundschutz tragen wollen oder nicht, da sich das Tragen von Mundschutz mit Krippenkindern sehr schwierig gestaltet. Die Kinder haben uns seit sechs Wochen nicht mehr gesehen und sollen jetzt zu entfremdeten Personen gehen, welche auch noch alle halb vermummt sind? Es ist wohl jedem (mit normalem Menschenverstand) bewusst, dass dies mit Kleinkindern nicht umsetzbar ist. Hier stellen wir, wie so oft, das Wohl des Kindes vor unser Eigenes.

Was ist für die Kinder die einschneidendste Auflage?

Die allgemeinen Regeln sind: Die Kinder kommen in fünfer Gruppe. Diese dürfen sich nicht vermischen, dürfen nicht gemeinsam den Garten betreten oder gemeinsam das Badezimmer. Wir haben zwei Badezimmer für insgesamt vier Gruppen und wissen noch nicht, wie wir es machen, sobald wir 16 Kinder angemeldet haben und somit alle Gruppen eröffnen müssen. Für fünf Kinder benötigen wir genauso viele pädagogische Fachkräfte, wie für die gesamte Gruppe bei Normalbetrieb.

Und die Kinder kommen nicht in ihre normale Gruppe, sondern in die “Notbetreuungsgruppe”, das heißt, dass die Kinder womöglich nicht von ihre/m Bezugserzieher/in betreut werden und evtl. müssen wir die Kinder somit sogar neu in die “Notbetreuungsgruppe” eingewöhnen. Wenn wir jetzt mal ein paar Monate nach vorne schauen, sind diese Kinder womöglich drei Monate in ihrer neuen “Notbetreuungsgruppe” und müssen dann, sobald wir wieder regulär öffnen dürfen, wieder in ihre normale Gruppe gehen. Also wieder eine neue Eingewöhnung. Und das soll zum Wohle der Kinder sein?

Unser Anspruch ist es, immer zum Wohl der Kinder zu handeln. Und mir bricht es das Herz, wenn wir dies momentan nicht zu 100% tun können. Und genauso wie uns, sind den Eltern die Hände gebunden, denn diese haben meist keine andere Wahl, als ihr Kind in die Notbetreuung zu geben.

Kann die Hygiene so eingehalten werden, wie es vorgeschrieben ist?

Nein, definitiv nicht. Wir werden versuchen, regelmäßiger mit den Kindern Händewaschen zu gehen, als unter normalen Umständen. Ob das was bringt? Keine Ahnung. Besonders Krippenkinder brauchen viel Nähe und Zuwendung – und unter diesen Umständen noch viel mehr als sonst.

Schutz der Mitarbeiter fängt bereits beim Desinfektionsmittel an. Wir haben keinerlei Chance an dieses zu kommen, denn es ist für die Pflege und die Krankenhäuser reserviert. Aber auch wenn wir es in Massen hätten, wäre dies nicht genug Schutz. Aber wir können uns auch nicht komplett vermummt mit Mundschutz, Schutzkleidung, Schutzbrille usw. vor die Kinder stellen…