Im Gespräch mit Chirurg Dr. med. Timo Bartels
Intimchirurgie – damit habe ich mich noch nie befasst. Während viele Frauen damit hadern, ihre Vagina überhaupt mal genauer zu inspizieren, belastet andere das äußerliche Erscheinungsbild ihres Genitals sehr. Sogar so sehr, dass sie sich einem Schönheits-Eingriff im intimsten Areal stellen. Was hat es damit auf sich? Dass habe ich Dr. med. Timo Bartels gefragt, Facharzt auf dem Gebiet der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie aus Hamburg.
Inwiefern ist die Ästhetik der häufigste Grund für eine Schamlippenverkleinerung?
Das kann man nicht 100 prozentig beantworten, weil Sie können den Damen nicht in die Köpfe schauen. Ob es jetzt rein ästhetische, oder ob es funktionelle Beschwerden sind. Ich würde aber meinen, dass ungefähr 80% ästhetisch sind und 20% funktionell. Wenn die Schamlippen so ausgeprägt und groß sind, dass sie beim Sex, beim Fahrradfahren oder beim Sport hinderlich sind, dann spricht man von funktionellen Beschwerden.
Beklagen Ihre Patientinnen oft, dass sie auch psychisch unter dem Aussehen ihrer Vagina leiden?
Absolut. Für einige Frauen ist die Scham ein großer Faktor. Sie wollen sich dann nicht mehr nackt zeigen. Daraus können Probleme innerhalb einer Partnerschaft resultieren. Oder, dass überhaupt gar keine Partnerschaft aufgenommen wird.
Wird eine Operation aus psychischen Gründen von der Krankenkasse übernommen?
Das kann man probieren, aber die Krankenkassen sind natürlich auch immer pfiffiger geworden. Also es genügt nicht, dass Sie einmal zum Psychologen gehen und da ein Gespräch führen. Die Kasse sagt eigentlich ganz klar, dass Erkrankungen der Psyche mit Mitteln der Therapie und nicht der Chirurgie zu behandeln sind. Demzufolge ist es so, wenn Sie sich zwei Jahre lang kontinuierlich in psychotherapeutischer Behandlung befinden und nachweisen können, dass Sie sich vor Allem wegen dieser Sache als Ursache therapieren lassen, dann haben Sie eine gute Aussicht darauf, dass die Kasse die Kosten einer OP übernimmt.
Inwiefern wird das Gefühl im Schamlippen-Bereich nach so einem Eingriff eingeschränkt?
Das hängt sehr stark von der Technik ab, die verwendet wird. Es gibt ganz unterschiedliche Techniken, abhängig von der Erfahrung des Operateurs. Es ist eben nicht einfach nur abschneiden und zusammennähen, sondern es gibt Möglichkeiten eine Gefühlssparende Plastik zu machen. Das heißt, dass die Labia (Schamlippe) so verkleinert wird, dass man auf die wesentlichen Bereiche der Nerven Rücksicht nimmt. Und dann ist es langfristig ganz häufig so, dass überhaupt gar keine Probleme bestehen bleiben.
Wie lange muss man nach der OP auf Geschlechtsverkehr verzichten?
Da gibt es eine konkrete Antwort – sechs Wochen.
Welche Nebenwirkungen kann diese OP hervorrufen?
Die normalen Komplikationen einer Operation, wie dass es einen Infekt, oder mal eine Wundheilungsstörung oder theoretisch eine blöde Narbe geben kann, sind nie auszuschließen. Aber auch diese Risiken sind, bei korrekter OP-Durchführung, korrekter Hygiene und korrekter Nachbehandlung der Patientinnen extrem selten. Natürlich ist es für den Körper schon so, dass man einen etwas erhöhten Anspruch hat an die Wundheilung, weil man ja innerhalb eines Feuchtgebiets operiert, wo eben auch eine dementsprechend höhere Keimbelastung vorhanden ist, aber wenn die Patientin nach dem Gang zur Toilette die Wunde einmal abduscht und hinterher ein bisschen mit desinfizierenden Lösungen mild abtupft und versucht, gerade in den ersten Tagen den Bereich nicht zu feucht zu halten, dann hat man sehr, sehr wenig Probleme. Dass langfristig Probleme entstehen, kann ich von meinen Patientinnen nicht sagen, da habe ich keine Erfahrungen gemacht.
Inwiefern zeichnet sich die Verkleinerung der Schamlippen als Trend ab?
Ich glaube einfach, dass der Trend dahin geht, dass man immer mehr mitbekommt, welche Möglichkeiten es gibt. Und wahrscheinlich Frauen, die sich vorher in Bezug auf ihre Unzufriedenheit, mit den eigenen Schamlippen ziemlich alleingelassen gefühlt haben, jetzt einfach leichter den Weg zum Arzt finden und ihre Beschwerden angehen. Nur weil man vor 30 oder 40 Jahren entweder nicht operiert hat oder nur im stillen Kämmerlein, heißt es nicht, dass die Frauen damals nicht darunter gelitten haben. Das Problem bestand immer, und jetzt ist es einfach öffentlich akzeptierter, mit diesem intimen Problem zum Arzt zu gehen.
Gibt es konkrete Zahlen?
Es ist sicherlich nicht der häufigste Eingriff, aber man kann schon sagen, dass die Operationen in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Es gibt erst seit wenigen Jahren überhaupt eine Vereinigung, die sich mit Intim-Ästhetik befasst. Das erste Treffen hat erst vor zwei Jahren in Dresden stattgefunden. Aus meiner Erfahrung ist es so, dass viele Gynäkologen sich damit nicht auskennen, auch plastische Chirurgen nicht, die sich in die Thematik nicht ausreichend reingearbeitet haben. Diese Ärzte bieten eine Schamlippenverkleinerung auf einem unterdurchschnittlich guten Niveau an, und das genügt nicht.
Verschiedene Stimmen meinen ja, dass der Trend zu kleinen Schamlippen von der Porno-Industrie verstärkt wird. Inwiefern stimmen Sie dem zu?
Das würde ich nicht sagen. Das ist ein sehr spezielles Gebiet und es ist ja meistens so, dass Pornografie nicht überwiegend von Frauen geschaut wird. Sicherlich auch, aber ich glaube schon, dass gerade die Darstellung der Frau und der Intimität in diesen Filmen jetzt nicht zwangsläufig dazu führt, dass Frau sagt: „Oh so muss das eigentlich aussehen, jetzt geh ich da mal hin und lass mich operieren.“ Das halte ich für Quatsch.
Gibt es neben der Schamlippenverkleinerung andere OP-Trends im vaginalen Bereich?
Neben der Labienplastik der inneren Labien ist es so, dass sich mit dem Älterwerden das Genital insgesamt verändert, beispielsweise verlieren die äußeren Schamlippen an Volumen. Wenn man da von Ästhetik ausgeht ist das, was angestrebt wird, die sogenannte ‚Cameltoe‘. Dass also die äußeren Schmalippen die inneren umschließen. Durch den Alterungsprozess ist das aber immer nur eine Momentaufnahme. Wenn die großen Labien also ihr Volumen verlieren, kann man da ansetzten, dass man sich Mikrofett aus einer anderen Zone des Körpers, beispielsweise der Knie- oder Oberschenkelinnenseite entnimmt. Dieses Fett wird dann aufgearbeitet und in den Bereich der äußeren Labien wieder eingebracht. Das bringt einen wirklich deutlich verjüngenden Effekt mit sich.
Die gleiche Methode kann auch bei Frauen, die Probleme mit Trockenheit im Intimbereich haben, angewendet werden. Hier wird das Fett an die Innenwand, unter die Schleimhaut transplantiert, dass führt in einer sehr häufigen Zahl der Fälle zu einer verbesserten Lubrikation (Feuchtheit) und zu einem besseren Gefühl beim Akt selber.
Würden Sie das Anal-Bleaching auch als einen Trend einschätzen?
In den USA mehr als in Deutschland. Es kommt gerade ein kleines bisschen, sicherlich ist das auch ein wenig szene-geprägt. Tatsächlich könnte ich mir da am ehesten vorstellen, dass digitale Medien als Vorbilder mit hineinspielen. Dass man da irgendwie sagt: „Ach, guck mal, dass muss ja gar nicht so dunkel sein, dass kann auch irgendwie frischer aussehen“.
Was ist der absurdeste Wunsch, den Sie in der Intim-Chirurgie verwirklicht haben?
Tatsächlich sind meine Patientinnen ziemlich normal, würde ich sagen. Das spiegelt auch die Erkenntnis wieder, das typischerweise der Wunsch nach extremen Veränderungen in diesem Gebiet sehr selten vorkommen. Ich weiß von ein paar Kollegen aus Amerika, dass es dort einige Patient:innen gibt, die quasi vollkommen geschlechtslos sein wollen – Männer wie Frauen. Die sich also aller sekundärer Geschlechtsmerkmale entledigen lassen wollen. Aber ich kenne persönlich keinen Chirurgen, der sowas machen würde und die Fälle, die dann doch mal im Fernsehen zu sehen sind, finde ich bedauerlich, dass sich dann doch jemand gefunden hat, der das operiert – das war in Mexiko. Kann man nicht unterstützen.
Stehen Sie hinter allen Operationen, die sie vollziehen?
Absolut. Ich bin Arzt. Sie kommen mit einem Befund zu mir und sagen: „Das und das belastet mich aus diesen und diesen Gründen!“. Dann müssen wir uns das zusammen angucken, ich beurteile, ob es medizinisch möglich ist, ob es sinnvoll ist und ob es durch die Maßnahme langfristig zu Schäden kommt.