nackte Frau im Bett mit Spiegel in der Hand

Die Daunendecke liegt federleicht auf meinem Knöchel. Es ist noch stockfinster, es könnte zwei Uhr nachts sein oder sieben Uhr morgens. Der Zustand der Müdigkeit sagt schon lange nichts mehr über Tageszeiten aus. Mein Freund liegt regungslos mit dem Kissen über dem Kopf an der Bettkante, als ein Dröhnen im Schlafzimmer ertönt. Die Matratze vibriert leicht. Pause. Vibration. Kichern. Pause. Vibration. Kichern. „Süße, bitte. Das Kind soll nicht mit dem Vibrator spielen“, stöhnt es rechts von mir, während unser Zweijähriger erfreut in unserem Bett sitzt und sich immer wieder meinen Vibrator an seine Füße und seinen Bauch hält.

Kitzelstunde mit Sextoys. Zugegeben, speziell. Aber es schenkt uns immerhin noch ein paar Minuten morgens, und der Kleine freut sich. Außerdem ist der Spielgefährte lila, BPA-frei und mit einem Eichhörnchen versehen. Erstaunlich kindgerecht.

Die Diskussion führen wir seit Wochen immer mal wieder, und bisher gibt niemand nach. Mein Freund findet es unmöglich, dass das Kind Zugang zum Vibrator hat. Unmoralisch. Er soll versteckt in eine kindersichere Schublade. Ich wiederum möchte den Vibrator in der Bettrille behalten, damit er, wenn ich nachts todmüde ins Bett falle, schnell erreichbar ist. Wenn ich aber noch zu einer Schublade laufen muss, kann ich meine Klitoris auch gleich ghosten. Dafür fehlt am Ende des Elternalltags schlichtweg die Energie.

Außerdem kann unser Sohn eh erst wenige Worte sprechen, er kann also niemandem an der Käsetheke erzählen, dass Mama einen wackelnden Stab am Bett hat. Und – das muss natürlich gesagt sein – ist der rumpelnde Spielgefährte sauber: 1.) desinfiziere ich ihn tatsächlich ab und zu, 2.) stecke ich ihn ja eh nicht rein, sondern nutze ihn über Höschen oder Pyjama und 3.) wurde er lange Zeit noch seltener benutzt als die Therabänder von Tchibo, von denen ich dachte, sie würden mich ultra sportlich machen.

Denn so wie unser Sexleben seit der Schwangerschaft und dem Elternalltag schrumpft, so wird auch meine eigene Beziehung zu meiner Vulva immer brüchiger. „Hallo, Fremde“, möchte ich ihr manchmal zuflüstern. Denn so wie die Ordnung unseren Haushalt langsam verlassen hat, schleicht sich auch meine Libido heimlich hinaus.

Dass ich jemals so bocklos sein könnte, hätte ich niemals gedacht. Früher – vor meinem Sohn – war ich eine Verfechterin der häufigen Masturbation! Mehrmals wöchentlich, sicher. Manchmal manisch mehrmals am Wochenende? Absolut. Musste ich manchmal die Batterien aus dem Vibrator nehmen, um nicht süchtig zu werden, damit ich beim Sex wieder schneller kommen konnte und nicht „abgestumpft“ war? Oh, yes. An Tagen, an denen ich früher keinen Sex hatte, habe ich nachts masturbiert, um entspannt einzuschlafen. Nun als Mutter kann ich um 19:30 Uhr ins Bett plumpsen und direkt in den Tiefschlaf fallen.

Die Umgebung lädt auch nicht gerade zur Selbstbefriedung ein. Früher habe ich mich gerne in der Badewanne verwöhnt. Nun starre ich auf kleine U-Boote und verkalkte Spielzeugkraken. Bevor ich Mutter war, ragten meine prallen Brüste aus dem Wasser empor wie bei Abiturientinnen, bei denen ich immer wieder staunen muss, da das Dekolleté tatsächlich direkt unterm Kinn zu sitzen scheint. Wenn ich nun beginne, mich zu streicheln, fühle ich leere Tüten, und obwohl es sich schnell schön anfühlt, frage ich mich trotzdem immer wieder, ob mir jemals wieder ein alter BH passen wird, und dann ist die Stimmung dahin. Während der Stillzeit fiel mir der Solo-Sex am schwersten, denn ich brauche Nippel-Stimulation, aber so hundertprozentig wie vor der Stillzeit fühlt es sich einfach nicht an. Zumindest nicht für mich.

Ich habe früher auch wahnsinnig viele Pornos geguckt. Ich hatte sogar ein Word-Dokument mit den Links zu den besten Videos der Pornoseiten auf dem Laptop, um nicht lange zu suchen. Inzwischen läuft im Schlafzimmer mehr Peppa Pig als Youporn. Doch vor einigen Wochen habe ich das heilige Word-Dokument während des Homeoffice in einem längst vergessenen Ordner wiedergefunden.

Freundinnen, lasst euch gesagt sein: Es kann wiederkommen. Das Kommen. Die Libido. Bock zu haben, auf sich selber. Ganz allein, just me and my hand tonight. Oder der BPA-freie Partner. So wie Sex ist auch Selbstbefriedigung manchmal wie Sport: Ist man erstmal träge, hat man kein Bedürfnis sich aufzuraffen. Aber ist man im Training – halleluja – weiß man, wie gut es tut. Ich bin derzeit total im Masturbations-Flow. Meistens allein, manchmal darf mein Freund zugucken. Ich habe das Gefühl, dadurch auch über den Tag mehr Energie zu haben. Mich wieder zu spüren. Vielleicht, weil Orgasmen Stress lösen?

Wenn mich mein Musiklehrer mit dem weißen Bart in meinen Gedanken von hinten an der Orgel nimmt, vergesse ich, dass ich mich noch zwischen Klettverschluss oder Schnürbandschuhen entscheiden muss. Wenn ich den „Stiefbruder“ auf der Waldlichtung reite, sind die hartnäckigen Kürbisflecken am Hochstuhl passé. Und auch der Gedanke an lästiges Kindernägelschneiden verblasst, wenn ich meine Beine im Whirlpool um den stillen Nachbarn schlinge.

In erster Linie erstaunt es mich, dass ich Bedürfnisse wie „genug Trinken“ oder „mehr Zeit mit Freunden verbringen“ nicht im Alltag etablieren kann, aber die Onanie schon. Zumindest gerade. Leben wir nicht alle sowieso in der typischen „Es-ist-alles-nur-eine-Phase“? Dann kann es gern auch eine Vibrator-Phase sein. Und mein Kind? Das braucht eine glückliche, ausgeglichene Mama. Dafür muss mein Freund – zumindest noch ein paar Wochen – über die „Vibrator-Füße-Kitzeln-Phase“ hinwegsehen. Wir werden es unserem Sohn nie verraten. Und ihr auch nicht. Deal?