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geschrieben von Roman / @roman.wiedasbuch

„Und? An wem liegt es? An Ihnen oder Ihrer Frau?“ 

Es war ein Thema, das von Beginn an Raum in unserer Beziehung hatte.

Ja, wir wollten Kinder und ja, es war kompliziert. Aber uns war auch klar, dass dies ein Weg ist, den wir beide gemeinsam gehen wollten. Und auch damals stand fest, dass eine Adoption der richtige Weg ist, ob wir ein leibliches Kind bekommen oder nicht. Denn wir wollten beides, Leben geben und Leben schenken.

Ich nehme euch mit auf eine Reise. Die Reise von mir, meiner Frau, meinen Gefühlen, einer Schwangerschaft von 5 Tagen und am wichtigsten: Die Reise zum Papa werden.

Der Traum: Ein leibliches und ein adoptiertes Kind

Klare Worte: „Sollte das hier wirklich so ernst sein, wie es sich anfühlt, dann musst du wissen, mit mir wird es schwer, ein Kind zu bekommen.“ Diese Worte fielen sehr früh in unserer Beziehung. Auch wenn es damals noch kein akutes Thema war, wollten wir beide doch das gleiche: Kinder. Jetzt nicht sofort, aber wir wollten welche. Ein leibliches und ein adoptiertes. Ganz einfach, weil es sich richtig anfühlte und wir einem Kind Liebe schenken wollten, das einen schweren Start ins Leben hatte. Doch erst ein leibliches Kind, um erstmal in die Elternrolle zu wachsen und dem Adoptivkind eine Familie bieten zu können (damals dachten wir auch noch, eine Familie ist man erst mit Kind).

Und so ließen wir irgendwann die Verhütung weg, immer mit dem Wissen, dass es ja ein schwieriges Unterfangen wird und wir also entspannt schonmal mit dem „Üben“ beginnen konnten. Schließlich wussten wir auch nicht, wie lange es dauern könnte. Wussten nicht, dass wir eine Hochzeit, zwei Wohnungen und drei Jahre später immer noch am gleichen Punkt sein würden, ohne Ergebnis. 

Fehlersuche

Also taten wir das, was wir schon öfter angesprochen hatten, und gingen auf „Fehlersuche“. Naja, eigentlich wussten wir schon, woran es wohl liegt, aber wir wollten alles andere ausschließen. Mit einer Bestätigung standen wir dann in einer Kinderwunschklinik zu einem Informationstermin. Entgegen vielen Erzählungen und unserer Erwartung saßen wir einer empathischen Ärztin gegenüber, die uns unsere Optionen aufzeigte und ihre Empfehlung aussprach. Und so wurde 30 Minuten später aus der Information ein Rezept und eine teure Rechnung in der Apotheke.

Nun gut, jetzt wurde es also ernst. Ich war ziemlich aufgeregt und war mir sicher, jetzt wird es was. Letzen Endes war es nichts Besonderes. Es war Stress. Medikamente zur rechten Zeit verabreichen. Kontrolle in der Klinik. Und die dauerhafte Anspannung, ob es denn auch mit den Komplikationen gut gehen würde. Es fühlte sich einfach nicht richtig an. Long Story Short: Eine Woche vor Weihnachten saßen wir da, uns im Arm und ein negativer Test in der Hand. Ernüchterung. Trauer. Ein tiefer Fall. Die Entscheidung: Wir versuchen es noch einmal. Aber nicht sofort.

„Und? An wem liegt es? An Ihnen oder Ihrer Frau?“ 

Als ob die Frage nach der Kinderplanung schon nicht persönlich wäre. Die Neugier mancher Menschen macht auch vor den Schlafzimmern nicht Halt. Zu interessant, was sich in dem Leben Anderer abspielt. Doch diese Worte verletzen. Mich mittlerweile nicht mehr. Doch sie haben es lange genug getan. Lange Zeit tat es weh, wenn immer ein Mensch wissen wollte, wann die Kinder kommen, warum es nicht funktioniert und am allerschlimmsten diese Schuldfrage. Natürlich hatte niemand Schuld, es geht auch niemanden etwas an und eine Rolle spielt es auch nicht. 

Ja genau. Auch 18 Monate später gab es noch keinen zweiten Versuch, aber etwas anderes reifte. Etwas was vorher schon da war und nur darauf wartete, ausgesprochen zu werden. „Vielleicht lassen wir den zweiten Versuch einfach und gehen den Weg einfach weiter. Wir können ja mal gucken, wie das genau mit der Adoption abläuft?“ Und an dieser Stelle empfehle ich jedem: Informieren im Internet ist eine super Sache, aber in Foren wimmelt es leider von toxischen Beiträgen, die einem schnell den Mut nehmen können. Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, ich habe nicht einmal ein schlechtes Gefühl während der Überprüfung gehabt.

Weitere vier Monate vergingen und schließlich machten wir Nägel mit Köpfen. Wir schrieben eine Mail an das Jugendamt. Wir erklärten, dass wir adoptieren wollen und gerne einen Termin für ein Gespräch hätten. Die Antwort mit Terminvorschlag kam zwei Tage später und wir bestätigten diesen sofort. Nun war wieder Warten angesagt. Wir machten uns schlau, was wir alles an Papieren brauchten und überlegten, was wohl die Mitarbeiter*innen von uns wissen oder sogar hören wollten. Für uns stand fest: Wir bleiben ehrlich und authentisch.

Auf zum Jugendamt

Am Tag des Termins waren wir super aufgeregt, überlegten, was wir anziehen. „Schon schick, aber nicht zu schick, sonst kommen wir da an wie zu einem Bewerbungsgespräch.“ Doch genauso fühlte es sich an, wie das Bewerbungsgespräch für den Job, auf den man lange gewartet hat. Zwei 29-Jährige, die auf Biegen und Brechen erwachsen, seriös und gefestigt erscheinen wollen.

Also fuhren wir zu unserem zuständigen Jugendamt. Eine halbe Stunde zu früh und total aufgeregt. Ich weiß nicht, wann ich jemals so nervös war. Weder vor einer Klausur, vor meiner Führerscheinprüfung oder meinem Staatsexamen. Das alles war nicht mal im Ansatz so eine Anspannung wie bei diesem Termin. Was dann kam, war nun nicht das, was wir erwartet hatten. Die beiden Damen, die uns empfingen, wollten uns erstmal aufklären, wie eine Adoption abläuft, was es bedeuten kann und fragten nach, ob wir denn uns Gedanken gemacht hätten, ob das in Frage kommt für uns. In mir gab es die ganze Zeit nur einen Gedanken: „Kommt zum Punkt. Was braucht ihr von uns? Wann kann es losgehen?“

Fragen über Fragen

Nachdem wir glaubhaft versichert hatten, dass wir uns über alles bewusst waren und lange überlegt hatten, erfuhren wir endlich, was wir brauchen und wie der grobe Fahrplan ist. Führungs- und Gesundheitszeugnisse, Einkommensnachweis und einen Lebensbericht. Klingt einfach. Aber habt ihr schonmal euer Leben in einem Text zusammengefasst? Wer ihr wart? Wer ihr seid? Und wie ihr überhaupt zu der Person geworden seid, die ihr seid? Die Höhen und Tiefen. Alles was man für wichtig hält. Und der Abschluss: Wie haben meine Frau und ich uns kennen und lieben gelernt? Was ist mit unserem Wunsch nach einem leiblichen Kind?

Ihr denkt jetzt vielleicht, dass das ganz schön viele persönliche Informationen sind, dass wir einen „Striptease“ machen mussten. Doch ganz nüchtern betrachtet ist es doch nur fair dem Kind gegenüber, wenn es statt/zusätzlich zur Ursprungsfamilie eine Herzfamilie bekommt, und dass diese eben auch wichtige Aspekte erfüllt: Sicherheit, Gesundheit und eine Geschichte, die noch kein Ende hat.

Abgesehen davon bekamen wir einen Fragebogen mit, um unsere Vorstellungen zum Kind zu konkretisieren. Fragen nach dem Alter und dem Geschlecht, aber auch unsere Meinung zu geistigen oder körperlichen Behinderungen von Eltern oder Kind, Alkohol- oder Drogenkonsum der Mutter, sogar eine Minderbegabung der Eltern war Thema. Viele Fragen mit den Kästchen Ja oder Nein, deren Antworten aber nicht einfach schwarz oder weiß sind. Ein sehr skurriles Gefühl, diesen Fragebogen auszufüllen, als ob man ein Kind bestellt, aber doch nur eine grobe Richtung hat, wo es hingehen könnte. Wir waren uns aber einig in so ziemlich allem und machten uns eigentlich nur Gedanken, ob wir dem Kind unter den vorgegebenen Bedingungen gerecht werden könnten.

„Das sind wir“

Das Wesentliche meines Lebens. Tränen? Gab es beim Schreiben einige. Bei uns beiden. Immer wieder die Gedanken, ob wir etwas falsch formuliert haben oder doch besser weglassen sollten. Doch wir sagten uns immer wieder: „Das sind wir. Und nur so wollen wir Eltern werden. So wie wir sind.“

Anderthalb Monate dauerte es, die Berichte zu schreiben und alle Papiere zu organisieren, bis zu unserem kirchlichen Hochzeitstag. An diesem Tag packten wir alles in einen Umschlag, um ihn beim Jugendamt einzuwerfen. Und wirklich, mehr als alles, was in der Kinderwunschklinik und während der IVF passierte – das hier fühlte sich von Anfang an richtig an. Kaum vorstellbar, dass das simple Einwerfen eines Umschlags bei einem Amt solche Glücksgefühle und Schmetterlinge verursachen kann. Ganz eindeutig: Das war unser Weg. 

Vier Wochen später…

Anfang Oktober, Lea und ich sitzen auf dem Flur des Jugendamts genau vor dem Raum, in dem gleich das erste Gespräch stattfinden soll. Die Aufregung, kaum zu beschreiben. Unsere Sachbearbeiterin Frau T. ruft uns rein und bietet uns etwas zu trinken an. Sie fängt an, zu erzählen, worum es in dem Gespräch gehen soll: Uns als Menschen mit unseren Lebensberichten als Leitfaden. 

Etwas eingeschüchtert von unseren Informationen aus dem Internet beginnen wir. Erst Lea. Dann ich. Auch wenn ich schon schweißgebadet bin, bis Lea überhaupt fertig ist, fühlt es sich trotzdem gut an, hier zu sitzen. Es ist eine angenehme Atmosphäre und unsere Sachbearbeiterin ein empathischer, lieber und vor allem sympathischer Mensch. Sie hört zu, fragt hier und da nach und erzählt auch ein bisschen von sich. Knappe zwei Stunden reden wir, dann ist der Termin vorbei, wie im Flug. Wir sitzen danach in einer Bar und reden über den Termin. Können es kaum fassen, wie schnell die Zeit verging, wie nett die Sachbearbeiterin ist und über das Thema des nächsten Mals: Unser Genogramm. Wie sind unsere Familien aufgebaut, wer ist für uns prägend gewesen und was ist unsere Vorstellung von Familie. 

Wir machen es uns gemütlich, wenn wir schon über persönliche Themen sprechen.

Zwei Wochen später ist es soweit und wir sind vorbereitet: Süßigkeiten, Knabberkram und unser Lieblingstee sind ab sofort immer dabei. Wir machen es uns gemütlich, wenn wir schon über persönliche Themen sprechen. Unsere Sachbearbeiterin schmunzelt, als wir startklar sind. Wir erklären ihr, dass wir uns wohlfühlen in den Gesprächen und einfach so sind, wie wir sind. Sie trinkt einen Tee mit. Und wir reden, diesmal keine zwei Stunden, aber fast. 

Es ist schon etwas seltsam, unser Genogramm zu analysieren, zu sehen wie diese Frau Striche zieht, Notizen macht und bei den wichtigen Menschen wissen will, ob sie von der Adoption wissen und wie sie dazu stehen. Natürlich wissen es alle eigentlich, also jeder, der es muss. Die Meinungen sind eigentlich alle positiv und bestärkend, aber es schwingt auch immer die Mahnung mit, dass wir doch gar nicht wissen, was da auf uns zukommt. Als wüsste das irgendein schwangeres Pärchen auf dieser Welt. 

Teil 2 lest ihr morgen…

© @marinieren