geschrieben von Regina Harder

Unser Kind ist hochsensibel. Wir haben es eine Weile „geahnt“, mittlerweile wissen wir es ziemlich genau. Seine Hochsensibilität ist kein Befund, sondern eine Erkenntnis für uns. Sie macht es für uns leichter, Verhaltensweisen und Situationen besser einzuschätzen. Sie macht für uns auch vieles planbarer und das ist grundsätzlich erstmal gut. 

Erste Stolpersteine 

Die Krippen-Eingewöhnung mit 20 Monaten war der erste Stolperstein für uns. Anders als erwartet, verlief es ganz schön holprig. Neue Bezugspersonen und ziemlich viel Trubel im Alltag haben den Start in die Fremdbetreuung für uns alle sehr anstrengend gestaltet. Dieselbe Geschichte bei der Eingewöhnung in die Kita. Bis heute braucht unser Kind immer erstmal eine großzügige Ruhepause, um Kraft zu tanken, runterzukommen und sich zu entspannen. Mit viel Vertrauen und Beständigkeit im Kita-Alltag sind wir mittlerweile so weit, dass es gerne dorthin geht. Und jetzt, wo wir uns an unseren reibungslosen Alltag gewöhnt haben, droht im Sommer 2022 das nächste Abenteuer: SCHULE. 

Panikszenario Schule

In Hamburg gehen Kinder, entweder während sie in der Kita-Einrichtung oder in der Grundschule sind, zur Vorschule und werden so spielerisch auf den Schulstart vorbereitet. Um z.B. einen eventuellen Förderbedarf frühzeitig zu erkennen, werden mit den 4 ½-jährigen Kindern die jährlichen Gespräche in der Schule mit Lehrer*innen durchgeführt. 

Ich würde lügen, würde ich sagen, dass es mir nicht zeitweise Kopfzerbrechen bereitet hat. Klassisches mütterliches Panikszenario, würde ich sagen. Was ist, wenn mein tolles Kind durchs Raster fällt? Ist eine normale Schule die richtige Entscheidung für uns? Sind die Klassen nicht zu voll? Was, wenn das alltägliche Gewusel im Klassenzimmer zu ganz viel Anspannung und Unruhe bei meinem Kind führt? Wenn es gar nicht sein ganzes Potential entfalten kann, weil … ihr könnt euch das Kopfkino sicherlich vorstellen. Bis mein Mann mich mittendrin einfach mal liebevoll gebremst hat: Was ist, wenn alles total super wird? Ja stimmt, die Möglichkeit gibt‘s natürlich auch…

Einfach mal fragen

Kommunikation hilft. Fragen stellen, Sorgen ansprechen und offen für neue Lösungswege sein. Wir haben in der Kita die Gelegenheit genutzt, das Thema anzusprechen und wurden komplett überrascht. Anders als erwartet, ist unser Kind kein Einzelgänger, nicht ängstlich oder zurückhaltend, sondern ein echter kleiner Socializer. Ganz ohne Unterstützung oder Hilfe von außen hat es seinen Platz in der Gruppe gefunden. Ganz ohne mich. Irgendwie schön. Irgendwie hart. Denn klar, wir Eltern sind die Experten für unsere Kinder. Aber: Wir müssen auch loslassen und vertrauen. Und das fällt mir nicht immer leicht. 

Vertrauen

Das Thema wird natürlich gern von außen belächelt: Na klar, hochbegabt, hochsensibel, ein ganz besonderes Blümchen. Zum Glück – und das sage ich wirklich nicht oft – sind wir privat umzingelt von Grunschulehrer*innen. Die Pädadog*innen in unserem Umfeld arbeiten professionell, mit viel Herz in ihren Berufen und haben mir alle unabhängig voneinander ein gutes Gefühl gegeben: Gute Lehrer*innen können unterschiedliche Kinder durchaus händeln. Es ist logischerweise total kontraproduktiv, als Eltern den Schulstart des Kindes mit Diagnosen, ergoogleten Beschulungsmethoden und dem Wunsch nach einer Sonderbehandlung zu erschweren. Das klingt selbstverständlich, aber passiert häufiger als, ich erwartet hätte. 

Unser Weg

Ich vertraue. Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich vertraue in mein Kind. Und in unser Schulsystem. Unser Kind wird auf eine Regelschule gehen und mit mehreren Kita-Freunden in eine Klasse kommen, das wird ihm beim Start in eine völlig neue Welt helfen. Wir haben uns gegen eine Ganztagsschule entschieden, weil wir wissen, dass es nach einem Tag in der Schule erst einmal Ruhe braucht, um sich vom wuseligen Alltag mit vielen gleichaltrigen Kindern zu erholen. 

Ich erhoffe mir davon, dass wir unsere Nachmittage einfach selbstbestimmter planen können und uns das den Alltag mit unserem hochsensiblen Kind erleichtert. Mal Action, mal Verabredungen, mal Hobbies, mal Ruhe – alles ist möglich. Diese Option zu haben, ist uns wichtig. Und ansonsten lasse ich mich überraschen. Witzig, das klingt, als ob ich eingeschult werde, oder? Ein bisschen fühlt es sich auch so an. 

Ich vertraue in unser tolles, empathisches, cleveres Kind und lasse los. Also im Sommer 2022 dann.