geschrieben von Alina Peeling

Ich stehe unter der Dusche. Schaum auf dem Kopf, Dampf an der Decke, die ausfallenden Haare in der Po-Ritze. Hormonabfall nach der Schwangerschaft. Ich bin nun seit fünf Monaten eine Mama. Die vier schönsten Buchstaben. Die zauberhafteste Schublade, in die ich bisher gesteckt wurde. Und während ich dusche, trällert Taylor Swift aus dem Radio: „Honey, life is just a classroom“. Ich nicke begeistert und denke: Ohgott. Stimmt.

Alles beginnt mit der Geburt, der Einschulung. Das neue Kapitel wird im Umfeld beklatscht, Geschenke häufen sich auf dem Wohnzimmertisch. Alles ist bunt und spannend. Hallo, neue Welt. Man ist wahnsinnig stolz auf diesen Meilenstein. Nach langem Abwägen, welche Klinik bzw. welche Grundschule, betreten wir stolz das Gelände, mit Schultüte oder eben Säugling im Arm. Jetzt kommt eine prächtige Zeit!

Aus der Zauber

Denkste. Wir merken schnell, dass die Zeit für einstige Hobbys kürzer wird. Dass der Druck von außen steigt. Dass wir plötzlich bewertet werden. Wir werden dabei schnell schludrig. Zu Schulbeginn ist noch jede Mappe farblich sortiert, mit Moosgummifiguren beklebt, die Stifte angespitzt, das Radiergummi sauber, beziehungsweise: Der Wickeltisch ist sortiert, die winzigen Bodys werden akkurat gefaltet, hach, alles so idyllisch hier. Der Windeleimer wird gewissenhaft gewechselt. 

Wochen später: Die Baby-Pyjamas liegen bei den Mützen, der Windeleimer quillt stinkend über, feuchte Beißringe voller Fusseln sammeln sich auf dem Teppichboden und zwischen den Feuchttüchern liegt das noch-nicht-desinfizierte Fieberthermometer. Der Zauber ist vorbei, die Realität hat es sich gemütlich gemacht, so richtig mit Schweißfüßen auf dem Wohnzimmertisch. Immer mehr Stabilos mischen sich zwischen die Buntstifte, während in der Federmappe ganz unten die Tinte aus dem Lami läuft. 

Von Jahr zu Jahr kommen wir in eine neue Klasse mit neuen Herausforderungen, neuem Lernstoff. Auch Kinder werden komplexer. Es beginnt mit der Frage: Wie halte ich eigentlich den wabbeligen Kopf des Säuglings? Und gipfelt in komplexen Zusammenhängen: Wie sorge ich dafür, dass meine Tochter durch das Netz oder die Gesellschaft keine unrealistische Vorstellung eines Frauenkörpers bekommt?  

Ein Klick aufs Herz

Währenddessen schielen wir auf dem Schulhof des Lebens immer wieder auf die Modelle der Anderen: Scout, 4You, Ergobag. Beziehungsweise Bugaboo, Joolz, Cybex. Heißer Scheiß. Und hat die Muddi dort drüben etwa eine Rookie-Trage, während ich meinen ausgeblichenen Kleinanzeigenbeutel vor mir her schuckel? Es gibt sie eben auch noch heute. Die coolen Kids, die man nicht cool finden möchte, aber ihnen dann doch heimlich auf Social Media folgt. Diese Familien, bei denen auch ohne Filter alles paradiesisch scheint. Harmonisch. Liebevoll. Durchgestylt. Und zu den wunderschönen Fotos gesellt sich zur Krönung auch noch ein cleverer Text. Man möchte vor Neid platzen, am Ende bleibt Bewunderung. Und ein Klick aufs Herz.

Fremde Eltern sind für mich oft der Typ „nervige Mitschüler“. Ständiges Schnipsen, ungefragt. Besserwisserei. Perfekt geführte Hausaufgabenhefte, die einen unter die Nase gerieben werden. Diese Menschen, die nach einer Klassenarbeit sagen „Ohgott, ich wusste gar nichts“ und dann ihre 100 Punkte absahnen. Ekelhaft. Oder scheinheilige Nachfragen: „Bist du dir sicher, dass du Kunst als Leistungskurs nehmen willst?“ „Ach, du steigst jetzt schon wieder in deinen Job ein?“ Halt die Fresse, Kathrin. Zum Glück gibt es Urlaube, kleine Klassenreisen. Raus aus dem Trott, Zeit in der Gemeinschaft verbringen, mit unserer Familie oder Ersatzfamilie – den Freunden. Wegbegleiter sind dabei inspirierende Lehrer (für mich meine Hebamme, ohne die diese Schwangerschaft und Babyzeit nicht das gleiche gewesen wäre) oder eben auch mangelhafte Lehrkräfte, die mal wieder eine Fortbildung gebrauchen könnten (wie meine Kinderärztin, die mich nach vier Monaten zur Beikost drängen wollte). 

Zu faul fürs Wickeln

Elternsein gleicht auch einem Stundenplan: Mathe? Cool. Physik? Scheiße. Aber wir können halt nicht immer Sport & Kunst haben. Gesellschaftskunde & Chemie sind Teile des Deals. Wie bei Babys: Schmusen & dran riechen? Oh yes. Wäsche waschen und in den Schlaf schuckeln? Oh no. Dabei muss man sich als Mutter sowie Schülerin eingestehen, wenn man etwas nicht draufhat. Bei mir zum Beispiel ist es das Wickeln. Ich bin zu faul dafür. Ich finde es nicht schlimm, wenn mein Sohn in einer vollen Windel liegt – solange er sich nicht meldet. Immerhin sind die Teile doch für bis zu 12 Stunden ausgelegt. Dann wird das gerne mal bis 11 ½ ausgereizt. Ich nehme oft zu wenig Windeln auf Ausflüge mit. Ich putze nicht gründlich genug die Kacke aus seinen Speckfalten weg. „Sie war stets bemüht“ wäre eine Lüge. Am Wickeltisch würde ich mir als Mutter eine 4+ geben. Dafür kann ich ganz toll streicheln. Verwöhnen nach dem Baden: 1-. Fingernägelschneiden: 3+. Kitasuche: 6. Textsicherheit bei Disneyliedern: 1+. Doch ich bin mir sicher, selbst wenn wir als Eltern am Ende des Tages oft denken, durchgefallen zu sein, dass unsere Kleinen mit leuchtenden Augen zu uns aufschauen und uns eine Bestnote geben würden. Mit Sternchen. 

Denn auch wenn andere Muttis schönere Stullen schmieren oder fantasievoller im Rollenspiel sind: Die Kleinen spüren große Liebe. Wenn das Mami-Sein morgens mit einem Gong eingeleitet werden würde, dann würde ich unter meiner Daunendecke die Augen rollen, mich zu meinem Baby umdrehen, in das breite Grinsen blicken und wissen, dass die Sekunden bitte stehenbleiben sollen. Kein Tag soll unvergessen bleiben. Denn am Ende werden wir – trotz Hormonchaos, Verzweiflung und so manchen Tiefpunkten – auf die Zeit mit unseren Babys, Kleinkindern und Teenagern wie auf die goldenen Jahre auf dem Schulhof zurückblicken. Ja, es war die schönste Zeit.