geschrieben von Miriam Oser-Soto
Als ich meinen Mann kennenlernte, hatte ich gerade mein Studium angefangen. Kinder standen noch lange nicht zur Diskussion bei mir – und doch taten sie es plötzlich, denn er hatte schon zwei.
Ich hätte das natürlich ignorieren können – wer wusste damals schon, ob das mit uns überhaupt etwas werden würde? Außerdem wohnten die Kinder nicht bei ihm, warum sollte ich mir also den Kopf zerbrechen? Warum sollten diese Kinder, die ich nicht kannte, eine Rolle in meinem Leben spielen? Die Antwort ist und war einfach: Weil seine Kinder der wichtigste Teil seines Lebens sind. Sollten wir ein Paar werden und unser Leben miteinander teilen, würden sie auch Teil meines Lebens werden. Die Frage war nur, wie wir uns organisieren würden.
Eigentlich wollten wir uns beide genügend Zeit nehmen, herauszufinden, was aus uns werden könnte. Doch Kinder machen Beziehungen ernsthafter, egal ob es die eigenen sind oder der Partner sie mit in die Beziehung gebracht hat. Wenn Kinder im Spiel sind, muss man sich Gedanken machen, die man sich vielleicht sonst nie gemacht hätte oder zumindest nicht so früh: Haben wir eine gemeinsame Zukunft? Wann ist der richtige Zeitpunkt, die Kinder zu treffen? Wie soll ich mit ihnen umgehen? Denn Kinder können – und sollten! – der Test für die neue Beziehung sein.
Diesen Test bestanden meine Stieftöchter und ich gemeinsam. Schon bevor ich sie kennenlernte, war mir und meinem Mann klar: Wenn die Kinder und ich uns nicht verstehen, ist es vorbei. Aus eigener Erfahrung war uns das beiden wichtig und hätte wahrscheinlich auch unausgesprochen gegolten. Das ist das erste Patchworkfamiliengesetz: Wenn die Kinder nicht mit dem neuen Partner können – oder andersherum – ist am Ende niemand glücklich. Wir hatten Glück: Meine Stieftöchter und ich verstehen uns so gut, wie ich es mir zwar gewünscht, aber nie erwartet oder für selbstverständlich gehalten habe. Ich bin sehr froh, dass es meinen Mann nur im Dreierpack gab.
Für mich galt von Anfang an: Die beiden geben die Richtung vor. Zum Beispiel bei der Frage, ob sie mich dabeihaben oder lieber nur Zeit mit ihrem Vater verbringen möchten. Zur Rolle als Stiefmutter oder -vater gehört es nämlich auch, den Kindern Luft zum Atmen zu geben und sich nicht aufzudrängen. Wenn die Kinder einfach mal Zeit mit ihrem Papa verbringen möchten, ist das ok und hat nichts mit mir persönlich zu tun. (Wir verbringen übrigens auch Zeit zu dritt, ohne Papa. Der ist dann auch nicht beleidigt.)
Im Übrigen habe ich die beiden auch bei der Frage, ob ich die beiden als „meine“ bezeichnen darf, entscheiden lassen. Stelle ich sie als „meine Töchter“ oder „meine Stieftöchter“ vor? Meine beiden Mädels und ich haben uns auf das „Stief“ geeinigt – ihnen war es wichtig und für mich ist es in Ordnung. Sie haben ihre Mama, die sie lieben. Ich muss mich da nicht dazwischendrängen – so würden wir es alle drei empfinden. Ich übernehme natürlich trotzdem die Mutterrolle, wenn sie bei uns sind. Sie wissen, dass ich für sie da bin, wenn sie mich brauchen. Das „Stief“ ordnet ein, sorgt aber nicht für emotionale Distanz, wo es wegzulassen sich für uns gezwungen anfühlen würde. Das muss niemand verstehen, der das anders sieht und handhabt, für uns funktioniert es aber gut. Eine Bekannte sagte mir vor ein paar Jahren, sie fände es beeindruckend, dass ich die beiden so angenommen habe, weil das nicht selbstverständlich sei. Auch wenn ich weiß, dass das als Kompliment gemeint war, hat mich der letzte Teil traurig gemacht. Kinder können sich ihre Eltern (oder deren Partner) nicht aussuchen. Trennung, Scheidung oder sogar der Tod eines Elternteils sind traumatische Erfahrungen. Natürlich sind Beziehungen oft „einfacher“, wenn man sich die schwierigen Fragen nicht gleich zu Beginn stellen muss und sich aufeinander konzentrieren kann. Aber Kinder sind immer auch eine Bereicherung, egal ob es die (biologisch) eigenen sind oder nicht. Und sie haben immer verdient, dass man sich für sie ins Zeug legt. Dass mein Mann schon Kinder hatte, hatte auch noch einen weiteren Vorteil: Ich wusste schon, bevor wir gemeinsam ein Kind bekommen haben, wie er als Vater ist. Und mir ist bereits vor vielen Jahren aufgefallen: Manche typischen Sätze von Eltern hört man als Kind nicht gern – und trotzdem wiederholt man sie als (Stief-) Mutter fast täglich.
Wow. Dieser Text beschreibt so gut wie sich mein Leben in den letzten 2 Jahren geändert hat. Von meinem Bachelorstudium hin zu Bonusmama für die 8 jährige große Tochter meines Freundes und seit nun 4 Monaten auch Mama unseren gemeinsamen Sohnes.
Bei uns ist es ähnlich. Die Mama der Großen bleibt die Mama und ich bin einfach Leni. Aber wenn wir in der Stadt unterwegs sind unter zb eine Kassiererin fälschlicherweise annimmt ich sei die Mutter, ist das für sie überhaupt kein Problem, sondern sie findet es witzig 🙂
Hier funktioniert es auch wunderbar und niemand (zumindest nicht soweit ich weiß) fühlt sich durch wen anders ersetzt.
Liebe Grüße und alles Gute für euch.
Beeindruckend, wirklich ein Einzelfall, denke ich.
Meine Stieftöchter waren damals 11 und 14 Jahre alt, als wir uns kennen lernten.
Bis zu meinem 1. eigenen Kind war Patchwork kein Thema bei uns, danach schon.
Die beiden wurden mit unterschiedlichen Werten (zu meinen) erzogen und ich wollte mich nie als ihre Mutter sehen. Auch nicht als Stief oder Bonus oder Sozial.
Ich sehe mich als Mischung aus Tante, Freundin, Bekannte, Cousine — aber mütterlich bin ich nicht. Dazu sind sie jetzt auch einfach zu alt und ich fand es immer anmaßend, denn sie haben eine Mutter und die macht einen hervorragenden Job.
Wenn sie hier sind, sind sie in erster Linie wegen ihres Vaters hier, daher erziehe ich auch nicht. Das ist nicht meine Aufgabe.
Das klingt vielleicht hart, aber nur so geht es für mich — ich hab mich da 3 Jahre lang dran abgearbeitet und nehme mich jetzt zurück.