In Anlehnung an Emma Watson, die ich persönlich super gerne mag
geschrieben von Johanna // @frau.paul
Wenn ich 27 oder 28 Jahre alt bin, werde ich heiraten. Und wenn ich dann Anfang 30 bin und wir die ersten Ehejahre als Paar genossen haben, dann werde ich schwanger sein und ein Kind bekommen. Zuerst einmal eins, aber vielleicht auch zwei. Wir werden in einem Haus wohnen, auf jeden Fall mit Garten, in dem Obstbäume stehen, zwischen denen man eine Hängematte aufhängen kann. In dem Garten wird es eine Schaukel für die Kinder geben, wir werden einen Strandkorb haben und einen Hund. Wenn die Kinder größer sind, kommt ein zweiter Hund dazu.
So oder so ähnlich habe ich mir vor noch 10 Jahren mein Leben ausgemalt. Für mich stand alles fest: wie mein Hochzeitskleid auszusehen hat, wer meine Trauzeugin sein wird, wie ich arbeiten werde, wenn der Nachwuchs da ist. Ich hatte meine komplette Lebensstruktur vordefiniert und ganz genaue Vorstellungen – das Ganze allerdings, ohne einen Partner zu haben. Die Option, dass ich einen anderen Weg gehen könnte, war für mich undenkbar.
Nicht ein Moment, sondern ein Prozess
Mein persönlicher Meilenstein „Ende 20“ rückte immer näher, irgendwann wurde ich 27, war noch immer Single und vom Heiraten und Kinderkriegen so weit entfernt wie nur irgendwie vorstellbar. Ich glaube, das war die Zeit, in der sich so allmählich ein Umdenken einschlich. Zuerst wurde ich fast schon panisch, hatte Gedanken wie: „Was ist, wenn ich niemanden finde?“ oder „Ich will nicht alleine sterben“. Ich begann, mein Leben, meine Lebenssituation und meine innere Einstellung zu reflektieren. Ich las endlich die Ratgeber von der Autorin Talane Miedaner, die mir nach einer Trennung, als ich 25 war, wärmstens empfohlen wurden – die ersten Lektüren dieser Art meines Lebens. Durch diese Bücher stellte ich Gedankenstrukturen und meine Einstellung infrage. Die Erkenntnis, dass meine absolut selbstverständliche Realität immer unwahrscheinlicher wurde, tat anfangs sehr weh.
Es gab keinen konkreten Wendepunkt in meinem Leben. Keinen Moment, in dem ein Schalter umgelegt wurde und in dem sich meine Einstellung und Erwartungshaltung an meine Zukunft radikal änderten. Es war ein langer Prozess mit Höhen und Tiefen. Es war ein Prozess, der meine Einstellung zum Thema Beziehung und Beziehungsstatus grundlegend änderte.
Schokostreusel auf der Sahnehaube
Heute bin ich fast 31 Jahre alt. Ich bin Single und – ja wirklich! – absolut zufrieden damit. Ich bin so zufrieden mit dieser Situation, dass ich nicht versuche, sie aktiv zu verändern. Das bedeutet nicht, dass ich eine Beziehung ablehne, aber ich sehe sie als eine Art Bonus, als die Schokostreusel auf der Sahnehaube. Es ist sehr spannend zu beobachten, wie meine Umgebung mit meiner Einstellung umgeht. Vor allem neue, aber auch alte Bekanntschaften können meine Ansicht häufig nicht verstehen und zeigen das mal deutlicher, mal weniger deutlich.
Man wird mit Aussagen konfrontiert wie beispielsweise „Unverhofft kommt oft!“, „Du hast den Richtigen nur noch nicht getroffen!“ oder „Also, dass DU Single bist, wie kommt das denn? Du bist doch so hübsch!“ Immer wieder werde ich auch von Personen in meinem näheren Umfeld gefragt, ob sich mein Leben in puncto Partnerschaft geändert habe. Besonders beliebt ist hier die Frage „Naaaaaa, was macht die Liebe?“ – Wer kennt sie nicht?!
Keine Crazy Cat Lady
Manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere Gesellschaft nicht für 30-jährige Single-Frauen, die mit diesem Beziehungsstatus vollkommen im Reinen sind, bereit ist. Allein die Tatsache, dass man immer wieder danach gefragt wird, als würde dieser Punkt eine Aussage darüber geben können, ob ich nun ein guter oder ein schlechter Mensch bin.
Ich bin nicht immer gerne Single gewesen, aber tatsächlich die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens. Ich denke auch, dass es nicht einfacher wird, den Menschen zu finden, der einen auf die Art ergänzt, wie es sein sollte. Je älter wir werden und vor allem je länger wir Single sind, desto mehr Zeit haben wir, uns in unseren Ansichten und Verhaltensweisen zu festigen. Damit meine ich nicht, dass man irgendwie komisch wird und ich sehe mich definitiv nicht als Crazy Old Cat Lady. Aber es fängt doch schon mit Kleinigkeiten im Alltag an und geht über Moralvorstellungen bis zu festen Normen und Werten, die wir für uns im Laufe des Lebens entwickelt haben.
“Nicht genug”
Es gab Momente, in denen ich das Singledasein regelrecht gehasst habe. Manchmal war ich einfach so viel alleine, dass ich einsam wurde, sodass ich einen fast schon sportlichen Ehrgeiz beim Dating entwickelte. Tatsächlich hatte ich eine Zeitlang so viele (erste) Dates, dass ich es müde wurde, immer und immer wieder die gleichen Gespräche zu führen, generell mich mit Fremden zu unterhalten.
Auch gab es eine relativ lange Phase, in der ich mich nicht vollständig fühlte, weil es ja dazu gehört, dass man in einer Beziehung ist. Man hat in einer Beziehung zu sein, weil man nur so glücklich wird – in meiner Wahrnehmung wurde das lange durch Medien und Gesprächspartner*innen suggeriert. Ich habe mich teils durchaus als „weniger wert“ empfunden, weil ich keinen Partner hatte. Als sei ich es nicht wert, geliebt zu werden. Als wolle man mich nicht, als sei ich nicht hübsch oder schlank genug, nicht humorvoll genug – schlichtweg „nicht genug“.
Es war wirklich ein Kraftakt, aus diesen Gedankenmustern auszubrechen und einerseits würde ich meinem jüngeren Ich gern einen saftigen Klaps auf den Hinterkopf geben und es schütteln, andererseits bin ich aber auch dankbar, dass ich den Ausbruch geschafft habe und gestärkt aus dieser sehr toxischen Beziehung mit und zu mir selbst herausgewachsen bin.
Single und glücklich – ja, das gibt es!
Heute kann ich sagen: Ich liebe mein Leben! Ich liebe es, Single zu sein. Ich liebe es, mich nicht rechtfertigen zu müssen oder zu wollen, alleine zu sein, wenn ich es möchte, ohne zu befürchten, jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ich liebe die Möglichkeit, spontan zu sein, wenn mir danach ist.
Vor allem aber liebe ich den Punkt, dass ich mein persönliches Glück nicht von der Existenz eines Partners abhängig mache, weil ich selbst in der Lage bin, für meine Zufriedenheit zu sorgen. Ich definiere weder mich (als Individuum) noch meinen Gemütszustand über meinen Beziehungsstatus.
In vielen Gesprächen mit Freund*innen und Bekannten wurde immer wieder deutlich, dass es auch 2021 noch als „normal“ gilt, in einer Beziehung zu sein, dass man jemanden an seiner Seite benötigt, um wirklich glücklich sein zu können. Ist es nicht total egoistisch und irgendwie auch feige, jemandem diese Verantwortung aufzubürden und sich dieser Aufgabe nicht selbst zu stellen?
Vor zehn Jahren hatte ich einen Plan, wie mein Leben auszusehen hat. Heute stehen für mich zwei Dinge fest: Ich möchte – unabhängig von meinem Beziehungsstatus – ein glückliches und zufriedenes Leben führen. Und irgendwann, wenn mein Leben es zulässt, habe ich einen Hund und einen Garten mit Obstbäumen und Hängematte.