Dass Wand-Tattoos mal „in“ waren, zeigt ganz gut auf, dass wir angefangen haben, unser Glück selber in die Hand zu nehmen: „Carpe diem“ hieß es zwar schon lange, aber es sich an die Wand zu hängen und nach außen zu tragen, dass es darum geht, sein Leben zu genießen … nein, das war lange nicht gut angesehen. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass es erst in unserer Generation angenommen wird – häufiger angenommen wird. Zum Beispiel, wenn der Vater sich entscheidet, Elternzeit zu nehmen. Oder wenn das Leben im Camper nicht mehr gleichgestellt wird mit „sein Leben nicht im Griff haben“. Sich Zeit genommen wird – trotz Karriere und/oder Familie – zum Yoga zu gehen. Ein Therapeut Lifecoach wird und wir anfangen, öffentlich über sensible Dinge wie Sex oder Geld zu sprechen. 

Wir sind ready. Für Veränderungen, für Reflexion. Auch, wenn das ganz schön oft anstrengend sein kann. Denn sein Leben genießen, geht einher mit Entscheidungen treffen. Wie will ich leben? Wo will ich leben? Mit wem will ich leben? Ist es noch gut, so wie es ist? Passt mein Leben noch zu mir? Passe ich noch zu meinem Leben? Gehen wir gemeinsame Wege? 

Selbst? Bestimmt!

Ich bin so aufgewachsen, dass alles, was ich tue, Konsequenzen hat und damit meine ich nicht unbedingt eine strenge Erziehung – die hatte ich nämlich gar nicht unbedingt. Ich meine, dass ich selber dafür verantwortlich bin, ob ich Geld verdiene, was ich für ein Leben führen will, welchen Job ich ausübe. Meine Eltern sind extrem unterschiedlich und haben mir beide unterschiedlichste Dinge mitgegeben, aber eines, das ist gleich. Sie machen ihr eigenes Ding. Trennten sich, als sie zwei kleine Kinder hatten, weil es eben nicht die Beziehung war, die sie glücklich machte, heirateten wieder, weil es sie glücklich machte, und leben seitdem ein (ich würde von außen sagen) selbstbestimmtes Leben. Und das meine ich wortwörtlich SELBST-BESTIMMT. 

Etwas, was ich in mir habe, aber auch lernen musste: das Hamsterrad nicht zu betreten – und das nicht, weil es schlecht ist, sondern, weil es nicht mein Weg ist. Ich wollte leben. Wollte nie „Alltag“ haben, auch wenn ich ihn jetzt habe und ihn sogar schön finde, aber der große Unterschied: Alltag kann auch selbstbestimmt sein. Ich wollte mein eigenes Geld verdienen, nicht angestellt arbeiten. Ich wollte eine glückliche Beziehung führen und habe nach einigen Ausrutschern reflektiert, was mir ganz klar keine glückliche Beziehung verspricht. Ich wollte glückliche Kinder haben und versuche, mich immer wieder zu hinterfragen, wie ich das schaffe. Teneriffa ist übrigens auch eine dieser Entscheidungen. 

Ich habe Lebenserfahrung, aber noch nicht viel. Ich hoffe auf mehr, viel mehr, denn ich bin hier, um zu lernen. Über das Leben, mein Leben und das dazwischen. Übrigens oft nicht leicht, denn es tut weh dazuzulernen, Kritik zuzulassen und sich einzugestehen, dass man vielleicht einen Umweg gegangen ist. Aber ich sag euch was: So beschissen das auch ist, es gehört dazu. Als ich letztens gefragt wurde, ob ich alles wieder so machen würde in meinem Leben, habe ich geantwortet: Ja, aber ich wäre gerne um die Hundehaufen gelaufen statt draufzutreten. Klar hätte ich gerne weniger Scheiße unter meinen Schuhen kleben, doch durch jeden Haufen habe ich gelernt, wie ich es beim nächsten Mal anders machen würde und habe am Ende die Kurve gekriegt. 

“War das gut – unser Leben”

Im letzten Jahr standen wir mal wieder vor einer Entscheidung, mehreren wichtigen Entscheidungen – einige habe ich geteilt, einige nicht. Und diese Entscheidungen sind zustandegekommen, weil wir uns nicht fallen lassen, sondern immer weiterbewegen wollen. Wir arbeiten gerne. An uns, unseren Bedürfnissen und unserem Lebensmodell. Unser großes Ziel: Wenn wir mal richtig alt sind, wollen wir sagen: „War das gut – unser Leben.“ Und wenn wir nicht alt werden, wollen wir trotzdem sagen können: „War das gut – unser Leben.“ Denn heute ist das Gestern von morgen. Heute ist der Tag, an den wir irgendwann zurückdenken. Und sich zu überlegen, wie man heute leben möchte, kann vielleicht die wichtigste Entscheidung in einem Leben sein.  

Wir trauen uns, jeden Tag aufs Neue. Ganz bestimmt folgen da noch einige Hundehaufen, bestimmt auch ziemlich große, die noch nicht einmal mit einer Entscheidung zu tun haben, die eben nicht selbstbestimmt sind, aber so ist das Leben nun einmal. Ich nehme es an. Habe ich mir irgendwann versprochen und bis jetzt gehalten. 

Traut euch auch!