Warum es uns schwer fällt, nach unseren Überzeugungen zu handeln

Wir leben gern auf dieser Welt. Sehr gern. Und wir wollen, dass es auch so bleibt. Aber sich selbst für Nachhaltigkeit einzusetzen und sie im besten Fall auch zu leben, damit diese Welt lebenswert und in all ihrer Vielfalt erhalten bleibt, tun immer noch viel zu wenige von uns. Das Interessante daran ist, dass die meisten Menschen nach eigenen Aussagen sogar nachhaltig leben wollen, aber es am Ende doch nicht tun. Wie kann es sein, dass es so einen großen Unterschied zwischen unseren Einstellungen und unserem Handeln gibt? Und was brauchen wir, damit sich unser Handeln unseren Einstellungen anpasst?

Das Umdenken in unserer Gesellschaft

Mein ältester Sohn ist mittlerweile fast viereinhalb Jahre alt und als ich im Sommer 2017 bei strahlendem Sonnenschein mit meinem Baby im Bauch durch die Fußgängerzone schlenderte, um Babys Erstausstattung zu kaufen, habe ich – zugegebenermaßen – um die Öko-Läden mit Wolle-Seide-Bodys, Wollwalkanzügen und Stoffwindeln einen wortwörtlich großen Bogen gemacht.

Mir wäre damals nicht in den Sinn gekommen, die Erstausstattung danach auszuwählen, was ich der Umwelt zuliebe vielleicht kaufen, im besten Fall sogar leihen, sollte. Ich hatte mich jetzt monatelang auf dieses kleine Würmchen gefreut, das ich einfach nur niedlich und eben nach meinen Vorstellungen anziehen wollte. Wieso bitteschön sollte ich also etwas kaufen, das viel weniger stylisch, aber dreimal so teuer war?   

Das entscheidende Wort im letzten Absatz ist meiner Meinung nach das Wort ICH. Denn während das Thema Nachhaltigkeit 2017 noch nicht in allen Köpfen (bedauerlicherweise auch in meinem Kopf) angekommen war, ist das Thema aktuell, und vor allem auch durch die sehr viel stärkere Medienpräsenz, aus unseren Köpfen nicht mehr wegzudenken.

Die Antwort, warum wir meiner Meinung nach nicht oder zu wenig nachhaltig handeln, sind wird selbst. Getreu dem Motto „Jede(r) ist sich selbst die/der Nächste“ fokussieren wir uns in unserem Alltag darauf, was WIR wollen. Darauf, was uns gefällt, was für uns komfortabel ist, was nicht zu viel unserer Zeit frisst. Denn wir sind, während wir top gestylt mit unserem To-Go Becher Kaffee und unserem tropischen Obst-Müsli in unserem nagelneuen Auto mit 180 km/h auf dem Weg zur Arbeit sind, ja so unglaublich wichtig…

Von der Anstrengung, nachhaltig zu leben

Obwohl in einer Studie1 79 Prozent der Konsument*innen angaben, nachhaltiger leben zu wollen, gestaltet sich ein nachhaltige(re)s Leben oft etwas aufwendiger. So werden die guten Vorsätze bereits über den Haufen geworfen, bevor sie überhaupt zu Ende gedacht sind. Es ist ja auch sehr viel praktischer, einfach alles im großen Supermarkt zu kaufen, in dem man lediglich ein paar Regale weiter laufen muss. Nicht von Bio-Laden zu Bio-Laden zu radeln oder mit 20 leeren Gläsern in einen Unverpackt-Laden zu torkeln, sich alles selbst abzufüllen und am Ende an der Kasse zu merken, dass dieser Einkauf für den Rest des Monats reichen muss, weil das Geld für den gesamten Monat bereits aufgebraucht ist.

Und es ist auch so viel einfacher, Geburtstags- und Klamotteneinkäufe bequem vom Sofa aus mit ein paar Klicks zu erledigen und zur Not wieder zurückzuschicken, als durch die Stadt zu hetzen, diverse Geschäfte abzuklappern und am Ende doch nicht das zu bekommen, was auf der (eigenen) Wunschliste steht.

Ja, nachhaltig leben ist anstrengend. Und genau darin liegt ein Grund für das, was man in der Psychologie als „Attitude-Behaviour-Gap“ bezeichnet. Nämlich die Tatsache, dass viele Menschen nicht ihrer Überzeugung entsprechend kaufen, sondern sogar entgegen dieser Überzeugung handeln.

Eine deutsche Studie2 hat die „Attitude-Behaviour-Gap“ in Bezug auf das Kaufen von Kleidung erforscht. In dieser Studie war der Mehrheit der Proband*innen bewusst, dass Arbeiter*innen in Textilfabriken ausgebeutet und umweltschädliche Chemikalien verwendet werden. Außerdem behauptete fast die Hälfte von ihnen, dass es ihnen wichtig sei, dass die Kleidung nachhaltig und fair produziert sei. Obwohl ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den Proband*innen vorhanden war, sagten sie dennoch aus, dass sie das eigene Kaufverhalten künftig nicht ändern wollten.

Veränderung beginnt im Kleinen

Die Frage, die sich nun stellt ist: Wie können wir nachhaltig(er) leben, ohne unser bisheriges Leben und den damit verbundenen Komfort aufgeben zu müssen? Oder geht es vielleicht genau darum? Etwas vom Komfort aufzugeben?

Für mich persönlich geht es bei dem Thema Nachhaltigkeit darum, dass wir alle ehrlich hinterfragen, welchen Beitrag wir für diese (Um)Welt leisten können. Ob das durch den Kaufvon Bio-Produkten, das Einkaufen in Unverpackt-Läden, auf regionalen Höfen/Märkten ist oder durch das verringerte Kaufen von unter anderem neu produzierter Kleidung.

Ob man aufs Fliegen in ferne Länder oder Kreuzfahrten verzichtet, man ein E-Auto fährt oder ausschließlich das Rad benutzt. Ob man auf tierische Produkte verzichtet, seine Brötchen selber backt oder Obst und Gemüse im Garten selbst anbaut. Ob man die nächsten Geburtstagsgeschenke doch in den örtlichen Geschäften in seiner Stadt kauft oder ob es grundsätzlich ein Geschenk weniger gibt.

Jeder und jede von uns kann etwas tun, wenn wir uns und unser eigenes Leben mal ein bisschen weniger wichtig nehmen. Wenn jeder und jede von uns nur ein bisschen was tut, dann tun wir gemeinsam doch eine ganze Menge. Denn seien wir mal ganz ehrlich: Nichts tun, ist die schlechteste aller Alternativen. Wir haben nur diese eine Welt und eigentlich wünschen wir uns doch alle, dass sie lebenswert bleibt. Wir sollten aufhören so zu tun, als hätten wir eine Wahl, denn es gibt keinen Planet B.

Aller Anfang ist schwer

Ach ja, eins noch: Es tut mir auch im Jahr 2022 immer noch weh, wenn ich 100 Euro für einen Wollwalkanzug auf die Ladentheke legen muss, den mein Sohn nach einem halben Jahr nicht mehr tragen wird, weil entweder das Wetter zu gut oder er zu groß geworden ist. Aber so ist es ja irgendwie mit vielen Dingen, die man ausprobiert. Anfangs ist man skeptisch, aber dann merkt man, dass es doch ganz schön viel Spaß macht. So ist das mit der Nachhaltigkeit auch – zumindest bei mir. Ist der Anfang erst einmal gemacht und ein Bewusstsein geschaffen, möchte man weitere Schritte gehen. Schritte Richtung Nachhaltigkeit. Schritte Richtung Zukunft.

Quellen

1Studie über nachhaltig leben

2Studie zur “Attitude-Behaviour-Gap”