Eigene Kinder machen uns Menschen erst so richtig glücklich. Sie sind liebenswert, neugierig, manchmal laut, öfter laut, anstrengend, schränken ein, sind absolut nicht für das persönliche Glück notwendig.
Die Umfrage eines deutschen Onlineportals für Statistiken zeigt, dass Zufriedenheit keineswegs an eigene Nachkommen gebunden ist. Knapp die Hälfte der befragten Singles gaben an, sich ein Leben ohne Kind vorstellen zu können, und auch gut ein Drittel der liierten Umfrageteilnehmer könnten sich vorstellen, ohne Kind im Leben glücklich zu sein. Dennoch löchern Verwandte ihre kinderlosen Angehörigen immer wieder mit den gleichen Fragen: „Wann ist es bei dir soweit? Wie viele Kinder möchtest du? Im Ernst, meinst du nicht, es wäre endlich an der Zeit, immerhin tickt die Uhr?“
Von der Gesellschaft wird uns oft suggeriert, dass Eltern sein normal ist und keine Kinder zu wollen demnach nicht. Wer keine Nachkommen möchte, wird schief angeschaut. Dabei sagt doch ein altes Sprichwort: „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ Ob beim Formen des eigenen Lebens nun ein Kind eine Rolle spielt oder eben nicht, sollte jeder Mensch selbst entscheiden dürfen, ohne dafür verurteilt zu werden.
Es ist Samstagabend. Eine Frau, in diesem Fall genauer gesagt eine Mutter, fragt bei Facebook in einer öffentlichen Gruppe andere Frauen nach deren möglichen Beweggründen dafür, keine Kinder haben zu wollen. Neben einigen genervten Antworten und inhaltslosen Sprüchen, kamen auch viele ehrliche Meinungen und Einblicke in die Gedanken der kinderlos Glücklichen. Eine Online-Gruppe ist natürlich nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft, doch einige Überthemen waren in der Diskussion klar erkennbar und passen eigentlich für viel mehr Bereiche im Leben: Freiheit, Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung.
Die Welt bereisen, ferne Länder erkunden und Kulturen entdecken, all das geht auch mit Kindern, jedoch meist bei Weitem nicht so unkompliziert und flexibel wie ohne Nachwuchs. „Mir ist es wichtig, unabhängig zu sein, wegfahren zu können, spontan zu planen. Kinder passten da einfach nicht in meine Lebensplanung.“, sagt Annika* und ergänzt, dass sie zu freiheitsliebend sei und nie den Wunsch hatte, Mama zu sein. Etliche der kinderlosen Frauen sprachen davon, ihre persönliche Freiheit nicht aufgeben zu wollen und für viele gehört dazu auch das unbeschwerte Reisen. Um Unabhängigkeit geht es auch in der Antwort von Henriette: „Ich habe mein eigenes Leben in den Vordergrund gestellt, wollte Karriere, Reisen, Tauchen, nicht mein Leben mit nur einem Mann verbringen, um nur einige Gründe aufzuzählen.“ Einer erfolgreichen beruflichen Karriere können Kinder im Weg stehen, denn auch wenn auf Social Media Plattformen der Hashtag workingmum oder mumboss groß zelebriert wird und es großartig ist, wenn Frauen Karriere und Kinder unter einen Hut bekommen, ist es definitiv nicht so einfach, wie es im Jahre 2020 eigentlichtsein sollte. Nur ein Drittel der erwerbstätigen Frauen arbeiten in Vollzeit, was unter anderem auf die Kinderbetreuung zurückzuführen ist, die noch immer oft in Frauenhand liegt. Dagegen sind 94 Prozent der erwerbstätigen Männer in Vollzeit beschäftigt.
Das Argument der Kinderbetreuung fällt ebenso in die Kategorie Freiheit, wie auch Gleichberechtigung. „Ein Grund, warum ich keine Kinder habe, war der fehlende Partner“, sagt Paula*. Es sei jedoch nicht so, dass sie keine Beziehung hatte, sondern nicht die richtige. „Für mich wäre nur ein wirklich moderner Mann als Vater meiner Kinder infrage gekommen und in meiner Generation sind die unfassbar selten.“ Kinder großzuziehen solle kein Ein-Personen-Job sein, sondern in allen Lebensbereichen gerecht aufgeteilt werden. Einige andere Kommentierende waren empört darüber, dass diese Frage überhaupt gestellt und dann nur die Meinungen der kinderlosen Frauen erfragt wurden. „Es ist schon sehr realitätsfern und altbacken, dass du im Jahr 2020 eine Begründung dafür suchen musst, wieso jemand keine Kinder bekommen will. Hast du mal aus dem Fenster geschaut? Wir haben als Frau zum Glück nicht mehr ganz so stark unter dem gesellschaftlichen Zwang des Mutterwerdens zu leiden. […] Wieso interessiert es dich so brennend, wieso Frauen keine Kinder bekommen? Wieso müssen sich FRAUEN dafür erklären? Was ist mit den Männern?“
In einem Ted Talk zu dem Thema kinderlos glücklich, sprach Christen Reighter davon, wie ihr als Kind vermittelt wurde, dass Muttersein unvermeidlich wäre. Jedoch klärte sie niemand über die Faktoren auf, die gegen einen Kinderwunsch sprechen würden, wie z. B. das Risiko, eine Erbkrankheit weiterzugeben, die Gefahr, lebenswichtige Medikamente für die Dauer der Schwangerschaft absetzen zu müssen oder über die Sorge vor einer Überbevölkerung und dem Zugang zu Ressourcen. Auch unter dem Facebook Post war häufig das Argument der Überbevölkerung zu lesen: „Alleine die Anzahl der Menschen, die auf der Erde sind, ist explodiert. Dadurch kann auch jedes Kind, das Du obendrauf gebärst, irgendwann eventuell nicht mehr genug sauberes Wasser, Essen etc. haben. Es ist einfach nicht mehr sustainable.“ Nachhaltigkeit ist für immer mehr Menschen in ihrem Alltag ein wichtiger Punkt, aber dafür auch auf eigene Kinder verzichten? Das ist scheinbar für etliche Menschen Realität. Einerseits aus Angst vor noch mehr Folgen für unsere Umwelt, aber auch für die Zukunft der ungeborenen Nachfahren. „Der Regenwald brennt (immer noch), das Klima kippt unrettbar – ich werde ganz gewiss niemanden zur Teilnahme am Weltuntergang verurteilen, indem ich ihn gebäre. Das erscheint mir maximal verantwortungslos.“
Neben diesen drei großen Argumenten gibt es viele weitere persönliche Gründe für ein Leben ohne Kinder. Es gab Frauen, die von schlechten Erfahrungen in ihrer eigenen Kindheit sprachen, psychischer Labilität oder einige antworteten ganz ehrlich, dass sie schlicht und ergreifend keine Kinder mögen würden. „Ich kann mit Kindern einfach nichts anfangen. Ich finde sie nicht süß, nicht niedlich oder sonst wie wunderbar, daher möchte ich selbst keine „, sagt beispielsweise Tina*.
Eines hatten viele Antworten gemeinsam: Beinah alle Frauen erzählten, dass ihnen versichert werde, dass sie ihre Meinung noch ändern würden oder es später bereuen werden. Auch Christen Reighter berichtete von ihren Erlebnissen diesbezüglich in dem Ted Talk, der den passenden Titel „I dont want children – stop telling me I’ll change my mind.“ trägt. Niemand hat das Recht, diese persönliche Entscheidung anderer Menschen abzuwerten oder zu verurteilen. Wer nun einmal keine Kinder haben möchte, dem sollte nichts als das Beste gewünscht werden und das Gleiche gilt für Menschen mit Kinderwunsch. Auch explizit Frauen sollten sich nicht in eine Rolle drängen lassen, in der sie nicht sein wollen.
„Ich war immer davon überzeugt, dass das Mutter-Sein eine Erweiterung des Frau-Seins ist, und nicht dessen Definition. Ich bin davon überzeugt, dass der Wert einer Frau nie von der Entscheidung für oder gegen Kinder definiert werden sollte, denn dies raubt ihr ihre gesamte Identität als erwachsener Mensch. Frauen haben die wunderbare Fähigkeit, Leben zu erschaffen, doch wenn man dies als ihre Bestimmung sieht, dann ist ihre gesamte Existenz ein Mittel zum Zweck.“ Christen Reighter
*Namen geändert