geschrieben von Sandra Priemer
„Peng, jetzt hab ich dich erschossen und du bist tot!“
So oder solch ähnliche Sätze kennen wohl viele Eltern. Das Kind kommt scheinbar plötzlich aus der Kita nach Hause oder wird beim Spiel mit anderen Kindern dabei beobachtet, wie es diese Thematik im Spiel aufgreift. Dabei können verständlicherweise viele Fragen bei den Eltern aufkommen:
„Woher kennt mein Kind solche Begrifflichkeiten, aus der Kita vielleicht? Spielt es mit den falschen Kindern?“
„Muss ich mir Sorgen machen, habe ich etwas übersehen, ist mein Kind etwa böse?“
Erst mal vorweg – ja, diese Thematik wirkt auf uns Erwachsene oft etwas befremdlich. Dennoch gehört der spielerische Umgang mit Tod und Sterben zur kindlichen Entwicklung dazu. Es handelt sich dabei sogar um eine sehr wichtige Phase in der kognitiven und emotionalen Entwicklung.
Ich schieß dich tot
Kinder, vor allem Kleinkinder, besitzen zunächst eine holistische Denkweise. Das bedeutet, sie denken ganzheitlich und betrachten Dinge, Situationen nicht in Bezug auf ihre Einzelteile, sondern in deren Zusammensetzung. Dadurch können sie noch keine Unterscheidungen zwischen Leib und Seele vornehmen. Stirbt jemand, so ist diese Person für Kinder einfach erstmal „weg“ und es gibt sie nicht mehr. Das Verständnis für Trauer und das emotional Hinterbliebene, welches uns eine verstorbene Person hinterlässt, scheint für Kinder zunächst nicht greifbar. Dabei ist das Spiel mit dem Töten und Sterben für Kinder weitestgehend ohne emotionale Bezugnahme. Ihnen geht es dabei vielmehr um Aspekte wie Machtdemonstration, Gewinnen, Kräftevergleich und das Absolute. So drückt ein Kind mit dem Satz: „Ich schieß dich tot“, sein Bedürfnis zu gewinnen aus, denn aus Kinderperspektive kann jemand, der tot ist, nichts mehr ausrichten. Das zeigt sich auch in Bezug auf den Umgang mit Tieren. Viele Kleinkinder spielen und experimentieren beispielsweise mit Insekten und dabei kann es auch mal vorkommen, dass diese getötet werden. Dabei erleben sie Tod als etwas Leichtes und Spielerisches.
Ab einem Alter von 4 bis 6 Jahren entsteht dann mehr und mehr ein spirituelles Verständnis des Tods. Dabei assoziieren Kinder diesen zunächst mit Dunkelheit, Alleinsein und der Unfähigkeit, sich zu bewegen. Ein Besuch auf dem Friedhof bedeutet für sie, dort wohnt die gestorbene Person. Ähnlich verhält es sich mit der Assoziation „Himmel“. Das jeweilige Verständnis ist auch immer von dem abhängig, was Eltern ihren Kindern erklären oder vermitteln. Kinder können in dieser Phase jedoch bereits emotional auf den Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres reagieren. Dies zeigt sich durch Verwirrung, erneutes Einnässen oder das ständige Fragen nach dem Tod. Dabei beziehen sie Sterben nicht auf sich selbst, sondern denken stets, der Tod ist immer der von anderen.
Das Interesse, diese Thematik zu verstehen, wächst nun immer mehr und sollte von den Eltern nicht unterdrückt, sondern gemeinsam mit den Kindern besprochen werden. Dabei kann das gemeinsame Philosophieren helfen. Kinder sind oftmals die größten Philosophen und stellen mit ihrer unbefangenen und authentischen Art, die interessantesten Fragen. Eltern sollten dabei keine Angst vor solchen Gesprächen haben, sondern auch diese als Chance und wichtigen Entwicklungsschritt ansehen.
Was ist der Sinn des Lebens
Im Grundschulalter entwickelt sich dieses vorangegangene Interesse und wachsende Verständnis vom Tod hin zu einer Akzeptanz. Sie verstehen nun, dass Personen, die tot sind, nicht wiederkehren und dies eine traurige Reaktion auslösen kann. Für Kinder ist der Tod in dem Alter etwas Schlechtes oder gar eine Bestrafung. Allmählich verstehen sie nun, was Trauer und Verlust für die Hinterbliebenen bedeuten.
Sie entwickeln auch für die verstorbene Person Mitgefühl. Dieser Entwicklungsschritt ist eine enorme Leistung und sollte ebenfalls mit den Eltern gemeinsam verarbeitet werden. Dabei können auch Fragen seitens der Kinder auftauchen wie: „Was ist der Sinn des Lebens?“ oder „Wieso müssen wir irgendwann alle sterben?“ Das mag auch zunächst einmal etwas herausfordernd auf Eltern wirken, zeigt aber, dass Kinder bereits eine sehr präzise Vorstellung vom Tod entwickelt haben. Eltern sollten auch an dieser Stelle wieder gemeinsam mit ihren Kindern über mögliche Fragen und philosophische Ansätze sprechen, denn ein Kind sollte mit solch ungeklärten Fragen nicht einfach allein gelassen werden.
Weiß man nun um diesen Entwicklungsverlauf bei Kindern, lässt sich das Spiel mit dem Töten und Sterben vielleicht für manche Eltern etwas entspannter aushalten. Kinder empfinden bei solchen Kampfspielen oftmals jede Menge Freude, lachen dabei und haben Spaß. Beobachtet man aber ein vor allem aggressiveres Verhalten im Spiel, sollte durchaus abgewogen werden, ob alle spielenden Kinder mit diesem Spielverlauf einverstanden sind. Sobald dies nicht der Fall ist, kann durchaus eingegriffen und den Kindern nahegelegt werden, auf die Grenzen der anderen zu achten und sich auf gemeinsame Spielregeln, mit denen alle Kinder einverstanden sind, zu einigen. Beachtet man dies, kann ein sogenanntes Kampfspiel durchaus viel Freude und jede Menge Chancen für die kindliche Entwicklung bedeuten.