Ich habe auch dieses Mal keine Angst vor der Geburt, also keine Angst um mich. Irgendwie ist es mir fast egal, wie die Geburt verläuft. Ich denke mir, dass ich mit allem auskommen würde. Mit großen Schmerzen, mit einer falsch gesetzten PDA, ja sogar mit dieser doofen Einleitung. Ich würde das schon irgendwie überstehen und dann mein Baby im Arm halten. Vergessen, wie die letzten Stunden verlaufen sind und nur meinen kleinen Jungen anhimmeln. Doch ich habe Angst. Angst vor Komplikationen. Angst, dass etwas schief laufen könnte. Angst, dass es unserem Baby nicht gut gehen könnte. Die letzten Monate haben meine Angst hochkochen lassen, sodass ich mir nicht mehr sicher bin, ob ich überhaupt in eine natürliche Geburt möchte.
Für mich war ein geplanter Kaiserschnitt immer ein wenig abstrakt. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich jemals mit dem Gedanken spielen würde, mich lieber aufschneiden (aufreißen) zu lassen, anstatt mein Kind natürlich zu gebären. Und damit meine ich nicht, dass ich geplante Kaiserschnitte an sich doof oder unbegründet finde. Ich konnte es mir eben nur nicht für mich vorstellen. Einerseits, weil ich OPs, Blut, Nadeln und alles was dazu gehört wirklich scheußlich und andererseits den Gedanken an eine natürliche Geburt total schön finde. Auch wenn meine Geburt mit Alma wohl alles andere als perfekt war – wie ich in den letzten zwei Jahren immer wieder aufarbeitete. Auch, wenn meine erste Geburt – die zwar eingeleitet wurde, aber ohne OP auskam – einige unschöne Momente hatte, blieben die schönen mir dann doch im Kopf. Ganz besonders der Moment, an dem die Ärztin sagte: „Da ist sie! Sie Löwenmama, ihr Baby ist da!“ Ein Moment, in dem ich voller Erschöpfung und Überrumpelung gar nicht realisiert habe, was da gerade passiert. Doch dieser Moment brennt sich ein – ganz, ganz tief im Herzen.
Also hätte ich auch nach Almas Geburt niemals daran gezweifelt ein weiteres Kind auch natürlich zu gebären, denn (rückblickend betrachtet) war das ja alles halb so wild.
Doch nun ist alles anders… Nun ist die Idee eines geplanten Kaiserschnitts ziemlich tief in meinen Kopf gebrannt, auch wenn ich mich damit gar nicht wohl fühle. Doch was bedeutet schon wohlfühlen? Seit dieser Schwangerschaft weiß ich, dass es wirklich wichtigeres gibt als eine wunderschöne Schwangerschaft (so wie es bei Alma der Fall war). Seit dieser Schwangerschaft weiß ich, dass nur eine Sache zählt: Hauptsache gesund! Und genau deswegen kam in mir erst der Gedanke auf, dieses Mal den geplanten, risikoärmeren Weg zu nehmen. Denn eins ist klar: Durch einen geplanten Kaiserschnitt würde ich mit einem fixen Termin ins Krankenhaus fahren, hätte die Sorge Alma untergebracht zu bekommen umgangen und würde zu einer gewissen Uhrzeit mein hoffentlich gesundes Baby im Arm halten. Wenig Platz für Spekulationen, wenig Platz für Romantik. Die sichere Bank – so sicher, wie sie bei einer Geburt sein kann. Denn wir wissen ja alle, dass auch bei einem Kaiserschnitt – einer großen Bauch-OP – einiges schieflaufen kann. Doch es ist alles transparenter und im Ernstfall kann dem Baby schneller geholfen werden. Nach akutem Ernstfall sieht es aber gerade gar nicht mehr aus. Meine Ärztin sagte mir sogar, dass sie keine Notwendigkeit sieht einen Kaiserschnitt einer normalen Geburt vorzuziehen – außer natürlich, ich möchte diesen lieber. Doch in mir ist diese tiefe Angst, dass doch alles anders kommen kann. Dass man bei der Geburt doch merkt, dass etwas nicht stimmt. Dass mein Hämatom Ärger macht, dass die Plazenta nicht abgeht. Dass das Baby stecken bleibt. Dass es ihm doch nicht gut geht. Ich habe so viel Risiko erfahren, musste so viel Leiden, dass ich es nun bei der Geburt für uns gerne so einfach wie möglich hätte. Ich möchte mich gerne darauf verlassen, dass uns geholfen wird, dass alles gut geht und ich nicht schuld bin. Schuld, falls etwas schief läuft. Ich möchte auf keinen Fall die Möglichkeit verpassen, meinem Baby einen einfachen Start ins Leben zu geben. Die Frage ist nur, ob der Start durch einen Kaiserschnitt einfacher werden würde…
Nach der OP wäre ich erstmal unfit, auch wenn ich weiß, dass es Wunderfrauen gibt, die nach wenigen Stunden wieder aufstehen – und das obwohl der Bauch durch sechs Schichten durchtrennt wurde. Nach einem Kaiserschnitt hätte ich vielleicht nicht die Möglichkeit, mein Baby direkt in Empfang zu nehmen. Bei einem Kaiserschnitt würde ich merken, wie man an mir zieht, es ruckelt und würde den Blutsauger hören. Eine wirklich schlimme Vorstellung für mich, bei der mir jetzt schon ganz anders wird.
Bei einer normalen Geburt ist alles unvorhersehbar. Ich weiß nicht was passiert und muss ganz alleine in mich und mein Baby vertrauen. Ich muss vertrauen, dass alles gut wird und den Meinungen der Ärzte glauben, die sagen, dass wir eine natürliche Geburt ohne Komplikationen schaffen werden. Ich muss die Komplikationen vergessen, die ich bei Alma hatte und versuchen, aus dem Erlebten zu lernen. Ich muss warten, hoffen, bangen. Werde dann aber vielleicht wieder mit vielen tollen bleibenden Momente beschenkt, die für immer in meinem Herzen verankert sein werden.
Ich weiß, dass es auch schöne Geburten gibt, die einem geplanten Kaiserschnitt vorausgehen. Doch es ist nicht mein Wunsch – nicht der Wunsch meines Herzens. Eher die Antwort meines Verstands. Und die große Frage, die ich mir stelle ist: Höre ich auf mein Herz oder auf meinen Kopf?