Es ist schon viele Jahre her, doch ich weiß noch genau, wie schmerzhaft es war, hoffnungslos verliebt zu sein. Ich weiß noch genau, wie sehr ich gelitten, wie lange ich gehofft habe und wie oft ich enttäuscht wurde. Der Abschied von dieser Liebe war unglaublich hart. Doch irgendwann war es genug des Leids und mir wurde klar: So möchte ich in meinem Leben nicht behandelt werden. Diese Liebe hat keine Chance, das zu werden, was ich mir für meine Zukunft wünsche. 

Doch bis zu diesem Moment war es ein langer, schwerer Weg. Wenn andere mir sagten, dass ich loslassen sollte, dass daraus niemals etwas werden würde, wollte ich es nicht hören. Ich habe immer weiter gehofft und viel zu viel in Kauf genommen. In der Hoffnung, dass diese Liebe doch noch möglich werden würde. 

Ich weiß, dass viele andere Menschen Ähnliches erleben und erlebt haben und lange hoffen. Es sind oftmals qualvolle Jahre, in denen ihnen so viel mehr genommen als gegeben wird. Doch warum neigen wir dazu, an einer Liebe festzuhalten, die so viel Leid und kaum eine Chance auf eine wahrhaftig erfüllende Beziehung bringt? 

Dazu habe ich mit dem erfahrenen Beziehungscoach Dominik Borde gesprochen. Er sagt: „Der Grund dafür, dass wir so oft so lange an einer hoffnungslosen Liebe festhalten, ist der, dass wir oft schon sehr viel investiert haben, bis wir realisieren: Aus dieser Liebe kann nichts werden. Je länger du an eine Sache geglaubt hast, desto schwerer ist es, das loszulassen… Hinzu kommt: Menschen bleiben lieber in einer schlechten Beziehung, als sich der Angst vor etwas ungewohntem Neuen zu stellen.“ 

Warum wir immer wieder an die Falschen geraten 

Dominik Bordes Erfahrung nach sind es gerade Menschen, die dazu neigen, andere zu unterstützen, die in einer Beziehung schnell in einen Kreislauf aus zu viel Geben und zu wenig Bekommen geraten. „Sie haben gelernt: Ich muss etwas tun, um geliebt zu werden. Aber wenn ich es jemandem zu leicht mache, mit mir zusammen zu sein – wenn der- oder diejenige nichts geben muss, für das, was ihr gemeinsam habt – ist es ihm oder ihr auch nichts wert.“ 

Einer der wichtigsten Schlüssel, um sich aus einer hoffnungslosen Beziehung zu lösen, ist es, dir bewusst zu machen, dass du mehr verdient hast als Hinhalten und leere Versprechungen. 

„Wenn du mit jemandem zusammen bist, der oder die dich immer wieder hinhält, bist du mit jemandem zusammen, der keine Klarheit hat und sich nicht entscheiden kann. Wer sich mit so jemandem zufrieden gibt, hat Mängel im eigenen Selbstwert und fühlt sich nicht wert, um seiner selbst willen geliebt zu werden.“

Verführerisch könne auch der Gedanke sein „Ich bin ein toller Liebhaber oder eine tolle Liebhaberin, mit dem oder der anderen hat er oder sie nur die langweilige Beziehung“. Die Wahrheit ist „eine Weile wird dein Ego gepusht. Doch am Ende gehst du leer aus“. Besondere Tage werden immer noch mit den Ehepartner*innen verbracht, das Bekenntnis zu dir bleibt aus. „Vielleicht denkst du trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt, weil du schon so viel investiert hast. Doch die Praxis zeigt: Diese Hoffnung wird sterben.“ 

Wie du dich von einer einseitigen Beziehung lösen kannst

Es ist das eine, zu wissen, dass man wegen eines geringen Selbstwertgefühls in einer ungesunden Beziehung feststeckt. Doch wie schafft man es tatsächlich, sich aus dieser zu lösen, bevor man sich völlig verliert? 

„Der erste Schritt ist zu erkennen, dass es dieses Missverhältnis gibt. Dass du glaubst, du müsstest etwas tun, um geliebt zu werden und du seist es nicht um deiner Selbst wert. Dann musst du, möglicherweise mit professioneller Hilfe, herausfinden, wie du deinen Selbstwert aufbauen und dieses Mangelgefühl lösen kannst. Vielleicht stecken Traumata aus deiner Kindheit dahinter und du steckst in einem Kreislauf der Reinszenierung. Oder du hast noch zu sehr mit schwierigen Erfahrungen aus vorherigen Liebesbeziehungen zu tun. Und dann musst du entscheiden, wie es mit der hoffnungslosen Beziehung weitergehen soll.“ 

In dem Moment, in dem wir entscheiden, dass wir uns nicht länger dieser qualvollen Liebe zu einem Menschen aussetzen wollen, der nicht bereit ist, zu uns zu stehen, müssen wir uns unseren tiefsten Ängsten stellen. Davor, diesen Menschen zu verlieren, allein zu sein und für immer allein zu bleiben. 

Dominik Borde ermutigt trotzdem, diesen Weg zu gehen. „Wenn wir klar sagen, dass wir so eine Beziehung nicht (länger) akzeptieren, sagen wir auch ‚Ich bin mir etwas wert‘“. Hier besteht die größte Chance für diese Beziehung. „Reagiert er oder sie nicht und du erkennst, es bringt nichts, musst du zwar mit dieser traurigen Wahrheit leben. Das ist aber auch die beste Chance, um mit dem Prozess des Loslassens zu beginnen. Dieser wird dich letztendlich von dieser hoffnungslosen Liebe befreien.“ 

Wie du es schaffst, die hoffnungslose Liebe loszulassen 

Zu verstehen, dass eine Liebe am Ende ist und sich endgültig von dieser zu lösen ist eine ganz andere Geschichte. Es kann unfassbar schmerzhaft sein und sehr, sehr lange dauern. 

Dominik Borde weiß das: „Grob erklärt, geht es beim Loslassen darum, dass du die negativen Emotionen, die dich noch mit dieser Beziehung verbinden, auflöst und in positive Emotionen und Gedanken transformierst. Wurdest du betrogen oder hat sich jemand nicht für dich entschieden, bist du vielleicht sehr wütend. Diese Wut ist eine natürliche Reaktion auf den Schmerz, der dir zugefügt wurde. Danach kommt wahrscheinlich die Trauer, darüber, dass du scheinbar nicht gut genug warst. Dann die Furcht, dass es so bleibt, dass du es nie wieder schaffen wirst, jemanden zu finden, der dich liebt.

Und dann ein Gefühl von Schuld, die du dir selbst oder anderen gibst. Du fragst dich: ,Warum habe ich es nicht besser hinbekommen?‘ Oder du beschuldigst deine*n Partner*in: ,Warum hat er oder sie nicht verstanden, wie wertvoll ich bin‘? Oder deine Eltern: ,Warum haben sie es mir nicht besser beigebracht, gesunde Beziehungen zu führen?‘ Und weil aus dieser Ohnmacht eine gewisse Schuld und Scham entsteht, beginnen wir wieder, uns zu ärgern. Das ist ein Negativ-Kreislauf. So bleiben wir gefangen in einem Hamsterrad aus negativen Ereignissen der Vergangenheit und sind versklavt, diese immer wieder zu wiederholen.“ 

Eine Möglichkeit, diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist es laut Borde, der Person gefühlt immer wieder zu sagen: „Ich liebe dich und ich vergebe dir.“ 

Dominik Borde erklärt: „,Ich liebe dich‘ heißt, dass wir es annehmen, dass diese Verbindung entstanden ist und dass es ist, wie es eben ist, mit allem Drum und Dran. ,Ich vergebe dir‘ bedeutet Loslassen, Entschuldigen und auch Danken. Danken bedeutet, du nimmst die Lernerfahrung aus dieser Zeit an und sagst: ,Es ist geschehen, was lerne ich daraus?‘ Vielleicht lernst du, dass du künftig von Anfang an deine Bedürfnisse ansprichst, vielleicht lernst du, dass du künftig deine Partner*innen nach neuen Kriterien wählen musst.“ Für diese Erkenntnisse kannst du dem Ereignis dankbar sein. „Und wenn du Danke sagen kannst, kannst du es loslassen, denn du hast keinen Ärger, keine Traurigkeit, keine Furcht, keine Schuld mehr, sondern du hast das Ereignis verarbeitet.“ 

Wie du dein Selbstwertgefühl aus den Scherben retten kannst 

Soweit die Theorie des Loslassens. Doch was können wir tun, wenn wir völlig verzweifelt in unserer Wohnung sitzen, vor uns eine Flasche Wein, endlose traurige Gedanken an den oder die Ex im Kopf und die brennende Frage, wie wir das Leben ohne ihn oder sie überstehen sollen?

Dominik Borde rät: „Fang in ganz kleinen Schritten mit Selbstliebe an. Essen, Trinken, Schlafen. Das ist der Punkt, wo du umdrehst. Denn warum hören wir damit auf, uns gut zu behandeln? Weil wir uns selbst nicht mehr lieben, weil er oder sie uns nicht mehr liebt.“ Doch Alkohol, Zigaretten oder Shopping bringen uns nicht weiter, sondern machen uns kaputt. „Der Akt, dir etwas wert zu sein, wieder für dich da zu sein, dir selbst ein guter Partner oder eine gute Partnerin zu sein, ist der erste Schritt raus aus dem Liebeskummer.“

Denk darüber nach, welche Bedürfnisse die Beziehung erfüllt hat und wie du diese anders erfüllen kannst. „Die Liebe, die du gibst, ist die einzige, die du kontrollieren kannst, nicht die, die du bekommst. Darum gib deine Liebe zunächst einmal dir selbst! Finde heraus, was dir gut tut und was dich glücklich macht. Gib dir genau das, bis du dich und dein Leben wieder liebst. Wenn du verliebt in dich und dein Leben bist, kommt Liebe automatisch auf dich zu – und bestenfalls auch der- oder diejenige, der oder die dich wahrhaftig verdient hat.“

Das heißt nicht, dass wir nicht weinen, traurig oder verärgert sein dürfen: Gefühle gehören gefühlt, das gehört zum Verarbeiten dazu.“ Aber nach einiger Zeit ist es wichtig zu erkennen: „Solange ich mich dem Fluss des Lebens nicht wieder zuwende, sondern dem hinterherschaue, was weggeflossen ist, wird nichts Neues auf mich zukommen. Leg das alles weg und öffne deine Arme für die neuen Dinge, die niemals von hinten auf dich zukommen, sondern immer von vorne.“

Mehr über Dominik und seine Arbeit, findest du hier.