Norwegen

geschrieben von Janine Koch @croissants_und_elche

Und dann waren wir da. Wir hatten den Atlantik erreicht. Die atemberaubende Weite, die tiefe Ruhe und eine unbeschreibliche Macht überwältigten uns. Ich setzte mich an den Strand. Den Blick aufs Meer, die Hand am Babybauch. Ich beobachtete unseren Hund im Sand, unsere Tochter beim Burgen bauen und meinen Mann in den Wellen. Dieser Ort ließ mich durchatmen, die Zeit vergessen. Er flüsterte mir zu: „Deswegen seid ihr aufgebrochen – um anzukommen.“

Das Abenteuer beginnt

Da war er – ein positiver Schwangerschaftstest. Unser zweites Wunder war auf dem Weg zu uns. Und für uns stand sofort fest: Diese Schwangerschaft sollte anders laufen. Gemütlicher, bewusster und mit mehr Familienzeit. Wir wollten die Zeit zu viert – mein Mann, unsere Tochter, Seelenhund Finn und ich – nochmal richtig genießen. Mein erteiltes Beschäftigungsverbot sahen wir als Zeichen: Wir mussten diese Chance ergreifen. Zwölf Wochen Auszeit. Nur wir, unser T5 Bus Kalle und die mittlerweile mehr als deutlich sichtbare Schwangerschaftsmurmel in der 22. Woche. Verrückt? Zugegeben, ein wenig mutig mussten wir sein, eine Reise anzutreten, bei der wir weder ein direktes Ziel, noch fließendes Wasser oder meine Frauenärztin in greifbarer Nähe hatten. Doch wir waren uns sicher. Wir wollten dieses Abenteuer wagen. 

Wir bauten unseren Bus um, optimierten hier und da ein Fach, recherchierten über Wasseraufbereitung, Solarpaneele und abbaubare Seife, kauften ein und versorgten uns mit den nötigsten Medikamenten. Unser Bus Kalle war bereit. Und wir auch. Wohin die Reisen gehen sollte? Das wussten wir nur im weitesten Sinne. Wir wollten uns treiben lassen. In Richtung Süden fürs Erste. Dem Duft der Croissants nach und der Atlantikluft entgegen. Danach in den kühlen, rauen Norden.

Wir aßen Aprikosen direkt vom Baum

Unser Weg führte uns über Österreich bis in die Schweiz. Unser erstes Ziel: Bern. Die Stadt fesselte uns von einem Moment auf den anderen. Aus einem Ort, den wir nie gezielt bereisen wollten, wurde schnell ein Fleck, den wir unbedingt noch einmal besuchen müssen. Ein Bauernhof wurde unser Zuhause für die erste Nacht. Während unserer gesamten Reise half uns die Park4Night-App dabei, kleine, besondere Plätze zum Übernachten zu finden. Von Bauernhof zu Bauernhof erreichten wir schließlich Frankreich. Wir genossen die liebevollen Höfe und die Gegend rund um den Vercors Nationalpark und strandeten auf einem Aprikosenhof inmitten der Provence. Der Duft von Aprikosen befriedigte all meine Schwangerschaftsgelüste. Wir blieben, aßen Aprikosen direkt vom Baum und badeten im Pool des französischen Hausherren.

Et voilà – la mer

1600 Kilometer später, vorbei an blühenden Lavendelfeldern und der Stadt Avignon, erreichten wir unseren ersten Meilenstein der Reise: das Mittelmeer. Und wir waren müde. Müde vom Reisen, vom Planen, vom Ein- und Auspacken und vom Fahren. Zum ersten Mal während unseres Trips brauchten wir eine Pause vom Reisen. Ich gönnte meinem Babybauch eine Pause und baumelte in der Hängematte. Während mein Mann mit unserer Tochter Burgen im Sand baute, atmete ich durch. 

Bevor wir uns auf den Weg machten, um zu unserem zweiten großen Reiseziel, dem Atlantik, zu gelangen, besuchten wir Collioure. Die kleine Stadt, unweit der Grenze zu Spanien, ließ unser Reiseherz höher schlagen. Kleine Gassen und Läden, farbige Häuser, dazu die Pyrenäen und das Meer. Ein Marmeladenglas-Moment. Einspeichern und hinträumen.

Und dann waren wir da. Wir hatten den Atlantik erreicht. Die atemberaubende Weite, die tiefe Ruhe und eine unbeschreibliche Macht überwältigten uns. Ich setzte mich an den Strand. Den Blick aufs Meer, die Hand am Babybauch. Ich beobachtete unseren Hund im Sand, unsere Tochter beim Burgen bauen und meinen Mann in den Wellen. Auf den Ohren mein Hypnobirth-Kurs. Dieser Ort ließ mich durchatmen, die Zeit vergessen. Er flüsterte mir zu: „Deswegen seid ihr aufgebrochen – um anzukommen.“

Einer unserer letzten Stopps in Frankreich brachte uns auf ein Weingut. Unser Bus Kalle bekam einen Platz inmitten der Weinberge. Wir probierten Wein und Traubensaft direkt vom Hofbesitzer und lauschten der Stille. Noch so ein Marmeladenglas-Moment.

Norden, wir kommen!

Nach 35 Tagen, 4850 Kilometern und fünf Ländern machten wir einen kurzen Boxenstopp in Deutschland. Wir tauschten kurze Kleidung gegen warme Pullover und dicke Socken. Ein kurzer Besuch bei der Hebamme: Dem Baby ging es bestens, die Reise konnte weitergehen. Bevor wir unser Reiseziel Norwegen erreichten, stand Dänemark auf dem Plan. Das Wetter konnte kontrastreicher nicht sein. Von brütender Hitze in Frankreich zum nordisch kühlen Wind. Und statt geöffneter Tür zum Schlafen warfen wir die Wärmedecke an.

Zwischen Seen und Fjorden

Auf dem Weg zur Fähre nach Norwegen hielten wir in Aarhus. Eine wunderbare Stadt, die uns mit ihrem fabelhaften Charme fesselte. Als wir die Fähre in Kristiansand erreichten, lächelten wir uns an. Norwegen war schon immer unser Traum. Ankunft. Unser erster Stellplatz lag direkt am See. Der Morgen begann mit einer Dusche im See. Zum Frühstück aßen wir die gerade eben im Wald gepflückten Heidelbeeren. Auf unserer ganzen Reise haben wir kaum eine schönere Landschaft gesehen: die unendliche Ruhe und die umwerfende Natur. Die Weite und Stille ließen uns durchatmen – zur Ruhe kommen. Unsere Tochter und unser Hund mittendrin. Zwischen Seen und Fjorden, Regen und Sonnenschein, Wanderungen und Baden. 

Die Regenjacke passte mittlerweile nicht mehr, ein dicker Wollpullover hüllte den Babybauch ein. Wollkugel wurde mein neuer Spitzname. Ob ich während der Reise Angst hatte? Schwanger – in einem fremden Land? Nein, nie. Denn ich fühlte mich geerdet. 

Unsere Reise führte uns entlang der Küste bis in die Stadt Bergen, die wir im Sonnenschein genossen. Mein letztes Schwangerschafts-Reiseabenteuer: eine Nacht mitten im Jotunheimen-Nationalpark, schneebedeckte Felder, steinige Hügel, eiskalte Seen – Stille. Kein Handyempfang. In dieser Nacht bat ich das Baby inständig, im Bauch zu bleiben. 

11 Wochen voller Glück

Nach elf Wochen traten wir über Schweden den Heimweg an. Meine 34. Schwangerschaftswoche war angebrochen. Der Babybauch machte uns den Abschied leichter. Wir wollten nach Hause, um unser neues Familienmitglied willkommen zu heißen.

Hinter uns lagen elf Wochen Glück. Elf Wochen, in denen wir Pläne schmiedeten und sie wieder verwarfen. Elf Wochen Entschleunigung und Familienzeit. Elf Wochen voller Marmeladenglas-Momenten. Und eins steht jetzt schon fest: Das war unsere letzte Reise zu viert – die erste Reise zu fünft wird schon geplant.