geschrieben von Simone Wagner // auf Instagram @kraftfreundin

„A-mam-mam-mam-mam-mam“, höre ich meinen Einjährigen vor der Tür nach mir rufen. Es kratzt leise – er ist verzweifelt.

Irgendwo im Hintergrund höre ich seine Schwester schreien: „Und mir reicht es jetzt. Ich habe es dir so oft erklärt, ich gehe jetzt in mein Zimmer.“ Mit einem Wums fliegt die Tür ins Schloss. 

Wow, denke ich mir noch. Wow und das mit 5 Jahren, wie wird das wohl später.

Und dann rinnt mir die erste Träne über das Gesicht und ich beginne leise vor mich hinzuschluchzen.

Ich möchte doch nur, dass alle glücklich sind.

10 Minuten

Ich wollte nur 10 Minuten Ruhe. 10 Minuten, um mal durchzuatmen, um Wasser zu trinken, die Füße hochzulegen, nicht zu denken. Durch Instagram scrollen oder die Augen schließen.

10 Minuten für mich alleine. Selfcare.

10 Minuten, die ich zum letzten Mal vor acht Wochen im Urlaub hatte.

Der Urlaub, den ich mir irgendwie auch entspannter vorgestellt hatte. Der erste lange Urlaub mit zwei Kindern. Der, der zu schnell vergangen ist und der mich mit Corona für die ganze Familie, einem zahnenden Kleinkind und einem permanent kranken Vorschulkind in einem nasskalten Österreich zurückgelassen hat als er vorüber war.

Seit wir zu Hause sind, habe ich nicht eine einzige Nacht mehr als 2 Stunden am Stück geschlafen.

Ich wollte wirklich nur 10 Minuten für mich. Und jetzt sitze ich hier und schluchze. Vor meiner Tür sitzt Kind 1 und weint. Dahinter sitzt Kind 2 und tut dasselbe. Und irgendwo dazwischen oder in der Küche steht ihr Papa – er weint erstaunlicherweise nicht. Aber er hätte allen Grund dazu.

„Warum? Warum verdammt nochmal könnt ihr nicht einfach eine gute Zeit ohne mich haben? Nur 10! Minuten!“, schreit es in meinem Kopf. Ich fühle mich so verdammt fremdgesteuert und nicht nur das. Ich fühle mich eingesperrt. Eingesperrt und verantwortlich. Schrecklich verantwortlich für euer Glück und das eures Vaters.

Solange Mama funktioniert, ist alles gut

Jeden Tag erfülle ich eure Bedürfnisse. 24/7. Und solange Mama funktioniert, ist alles gut. Dann läuft der Laden. Alle frühstücken gesund, wir kommen nicht zu spät. Wir lachen und lernen, wir genießen. Wir vergessen weder den Büchertausch im Kindergarten noch das Zähneputzen, die Bude ist aufgeräumt und zwischendrin streuen wir noch ein paar psychologisch wertvolle Aktivitäten, ein Treffen mit Freunden und abendliches Lesen von Affirmationskarten ein.

Aber wehe, wehe, ich habe Migräne oder Schmerzen von meiner Endometriose, die mich ins Bett zwingen. Wehe, wenn ich mal 10 Minuten Pause brauche. Dann ist der Rest der Familie „on hold“. Im schlimmsten Fall weinend vor der Schlafzimmer- oder Toilettentür. Dann wird nichts unternommen und meistens nicht mal ordentlich gegessen. Dann begegnen mir die Kids mittags im Schlafanzug. Keine Aktivitäten, keine Affirmationskarten. Unglücklich. Abwartend. Weinend.

Nicht mal nach der letzten schweren Geburt konnte ich pausieren, danach ging es direkt nach Hause, statt mich noch im Krankenhaus zu erholen. Ambulante Geburt. 3 Stunden später nach Hause. The Show Must Go On. Irgendwie war ich sogar ein bisschen stolz darauf…

Und während ich noch überlege, weshalb das Glück der Familie denn immer auf meinen Schultern lastet, wie man Mental Load und Care Arbeit besser aufteilen kann und warum meine Familie um mich kreist, wie die Planeten um die Sonne, da regt sich im hintersten Stübchen meines Kopfes ein Gedanke. Einer, den ich nicht hören will…

Geht es der Mama gut, geht es den Kindern gut

Als ich klein war, hat mir niemand beigebracht, dass ich auch etwas wert bin, wenn ich nichts leiste. In meiner Jugend, gab es die meiste Anerkennung für Erfolge beim Sport, für die ich mich extrem quälen musste. Und im Erwachsenenalter gab es das meiste Gehalt für die meisten Stunden im Außendienst weit weg von meinen Lieben. Aufregend, aber oft auch eine Qual.

Kann es am Ende sein, dass gar nicht meine Kinder unglücklich sind, sondern ich? Kann es sein, dass ich nicht damit umgehen kann, hier drinnen zu sitzen und eine Pause zu brauchen? Und wenn das so wäre, spüren sie mich dann vielleicht einfach. Mich mit all meinen Zweifeln, meiner Überforderung und meiner Unsicherheit und möchten bei mir sein?

Bei mir sein, weil sie zwei so emphatische, kleine Mäuse sind, die merken, dass in der Bindung zu einer ihrer Hauptbezugspersonen gerade irgendetwas ganz und gar nicht mehr passt? 

Wollen sie bei mir sein, weil sie mein Verhalten verunsichert?

Des Rätsels Lösung? Kenne ich nicht.

Aber ich habe etwas gelernt: Ich habe gelernt, früher und besser auf mich zu achten und nicht erst zu „pausieren“, wenn es gar nicht mehr geht. Denn das verunsichert alle. Und verunsicherte Kinder, so besagt es die Bindungstheorie, haben keine Möglichkeit mehr, ihren Entdeckerdrang auszuleben.

Geht es der Mama gut, geht es den Kindern gut. Ist vielleicht doch nicht so abwegig, wie ich dachte.

Vielleicht hängt das Glück meiner Kinder weniger direkt an mir, als daran, dass ich besser auf mich achte. Und das will ich in Zukunft versuchen.