geschrieben von Claudia @_ella.marley_
Als wir im November 2019 den Entschluss fassten, Zeit mit den Kindern und „Auszeit“ für uns gegen materiellen Luxus und eine überteuerte Wohnung einzutauschen, waren wir voller Zuversicht. Wir waren sicher, genau die richtige Entscheidung zu treffen und zum ersten Mal seit langer Zeit völlig ohne Zweifel. Wir lebten seit nunmehr 11 Jahren in unserer Wahlheimat Hamburg. Im Grunde waren wir damit auch mehr als zufrieden. Wäre da nicht immer wieder der piekende kleine „und, kommt da noch was?“- Mann, der sich kontinuierlich in unseren Alltag schlich. Solange die Kinder noch klein sind und man keine bindenden Verpflichtungen auf dem Zettel hat, ist man frei und ungebunden. Also warum nicht? Und als sich darauf keine plausible und träumevernichtende Antwort fand, war der Entschluss gefasst.
„Wir hau’n in Sack und gehen auf Reisen.“
Gott, klang das romantisch. Die erste Hälfte des Jahres würden wir durch Europa tingeln, gefolgt von ein paar Monaten Backpacking in Südostasien. Irgendwie ein ausgeleierter Hut, betrachtet man doch die unzähligen Insta-Accounts, berichtend vom romantischen Vanilfe und den immer gleichen Strandbildern fotografierter Kinder in sommerlichen Outfits.
EGAL, das wollten wir!
Erinnerungen schaffen und den Kindern ein kleines Stück große Welt zeigen.
Es folgte eine kurze Bestandsaufnahme. Niedlicher kleiner Wohnanhänger, windschnittig und ideal, um Strecke zu machen. Ganz anders als die kraftstoffvernichtenden Schrankwände, die man im Sommer hinter vielen Autos sieht. Okay, es ginge platztechnisch sicher auch etwas komfortabler, aber 4 Reisende – 4 Kojen, das reicht uns.
Unser Vorhaben stieß auf wenig Verständnis bei Freunden und Familie. Mit wild entschlossenem Freiheitsgedanken interessierte uns das jedoch herzlich wenig und wir packten Kartons. Das Bewirtschaften diverser Secondhand-Portale wurde unser neues Hobby, was uns hervorragend auf einen minimalistischeren Lebensstil einstellte.
Drei Monate Vorlauf, Wohnwagen aufmöbeln, Papiere beantragen, Wohnung kündigen, sich trennen von allerhand Sicherheiten und Annehmlichkeiten. Elternzeit nehmen, mit der Möglichkeit, auf geringfügiger Stundenbasis weiter remote zu arbeiten. JACKPOTT. Das sollte das Reisebudget um einiges entlasten. Nicht wissend, dass der Zustand des Homeoffice nun bald jeden ereilt, der nicht zwangsläufig ortsgebunden arbeiten muss.
Als sich Ende März die Lage in Europa zuspitzte, kamen wir kaum mehr weg von Rundfunkmedien jeglicher Art, die uns unmissverständlich klar machen wollten, dass wir wohl eindeutig den falschen Zeitpunkt gewählt hatten.
„Ach Schnickschnack, wir machen das Beste draus.“
UND DANN KAM DER LOCKDOWN. Mit den wichtigsten Habseligkeiten unterm Arm und dem übrig gebliebenen Ballast sicher verstaut, strandeten wir bei meiner Familie an der Ostsee.
Da saßen wir nun fest. Manch einer könnte behaupten, es wäre Meckern auf hohem Niveau, aber geriet doch unsere Enttäuschung auf ein schwer zu ertragendes Level. Wir machten das Beste daraus, schenkten dem Ausbau des nicht genutzten Equipments die volle Aufmerksamkeit und manifestierten hoffnungsvolle Gedanken.
Im Juni kam dann die erlösende Nachricht.
Die Medien verkündeten sinkende Zahlen und die Grenzöffnung – wir unseren Abreisetermin. ENDLICH! Die Route musste neu geplant werden, Asien wurde ad acta gelegt. Wir streiften an Hamburg vorbei, besuchten Freunde und Familie querbeet und entschieden, dass es Zeit wurde, unsere Vorurteile gegenüber dem südöstlichen Teil Europas abzulegen. Österreich und Slowenien im Juni, Kroatien im Juli, Italien im August. Das war der neue Plan. Ein Querschnitt dessen, was wir in ein ganzes Jahr packen wollten, wurde nun hastig in die ungewiss verbleibende Zeit gepackt.
Von überteuerten Glampingplätzen, unberührter Natur, den schönsten Seeigeln und vielen wunderbaren zwischenmenschlichen Begegnungen war alles dabei. Nicht nennbare Wartezeiten an den Hauptattraktionen und die Möglichkeit „La dolce Vita“ zu erleben, wie man es wahrscheinlich nie wieder kann. Bei sagenhaften 5% Auslastung in den touristischen Hotspots Italiens war es rückblickend wohl der beste Reisezeitraum, den wir unfreiwillig hätten wählen können.
Doch schon Anfang August war zu merken, dass die Situation sich zuspitzte und der Süden Italiens wurde wieder in farbliche Zonen eingeteilt. Die Einschränkungen und Maßnahmen, die die ganze Situation mit sich brachte, zog auch an den Kindern nicht spurlos vorbei. Die Anspannung stieg. Wir wollten keinesfalls riskieren, unnötig in Quarantäne zu müssen.
Auch hatten wir keinerlei Interesse an Katastrophentourismus, weshalb klar war, dass sich das Ende der Reise anbahnte. Und so landeten wir wieder da, wo drei Monate zuvor alles begann. Notdürftig aufgenommen und auf der Suche nach neuen Plänen, einer neuen Wohnung und dem Weg zurück in unser altes Leben.