Lasst uns puzzlen! 

Ist es nicht total krass, dass jeder Mensch einen ganz eigenen Geschmack hat? Einen eigenen Stil? Klar, es gibt Elemente oder Objekte, die über den Geschmack hinaus den Weg in die eigenen vier Wände schaffen. Oft mit einem persönlichen Bezug, den niemand sonst sieht, der- oder diejenige aber fühlt, sodass er oder sie diese in unterschiedlichster Weise in Szene setzt. Oder nur hinter dem letzten Schranktürchen verschwinden lässt –immerhin mit dem Wissen, dass sie da sind. 

So setzt sich Stück für Stück das Puzzle zusammen. Bis das Bild deiner Persönlichkeit auf sechs Oberflächen (vier Wände, plus Decke und Boden) zusammengesetzt ist. Das erste Mal wahrscheinlich in der Pubertät. Wenn man sich mit seinen vier Wänden identifiziert und sich vielleicht schon Rückschlüsse auf Geschmack oder gar Persönlichkeit ziehen lassen können.

Irgendwann wird aus dem fertigen Puzzle so ein Schiebepuzzle. Diese Bilder, die aus 9 oder 16 Feldern bestehen, wo eins freigelassen ist, damit man sie rundherum schieben kann, bis sie ein großes Ganzes ergeben. Und dann wird da wild rumgeschoben oder gar ganze Teile ausgetauscht. Vom Jugendzimmer ins Studentenwohnheim oder die erste eigene Wohnung kommen nur ein paar der Puzzleteile mit. Nur ein paar Möbel, ein paar Erinnerungen an die, teilweise doch etwas peinliche, Zeit bis zur Abschlussklasse. 

Von WG zu WG werden teilweise Puzzlestücke nur halbherzig geflickt oder ergänzt mit Möbeln der Vormieter*innen, von der Urgroßtante oder von ebay Kleinanzeigen. Bis dann irgendwann mit Mitte/Ende 20 und dem Berufseintritt oder dem Zusammenziehen das erste Mal Zeit und auch ein wenig Geld da ist, um das Puzzle zu vollenden. Vor allem aber wahrscheinlich die Lust, die eigene Persönlichkeit darin wiederzufinden bzw. widerzuspiegeln.

Von Kallax zu Makramee

Bei mir sah das ungefähr so aus: Mit 14 bekam ich mein erstes eigenes Zimmer. Bis auf Schreibtisch und Bett absoluter IKEA-Overload. Alles in schwarz, weiß und rot. Für mich war es damals irgendwie eine coole Kombi und beim schwedischen Möbelhaus gab es wahrscheinlich gerade die passenden Kissen und Teppiche dazu. Dann die erste eigene Studentenwohnung. Ein bisschen Veränderung sollte her. Also wurden aus den roten Accessoires grüne. Schrecklich (sage ich jetzt) und nicht viel Persönlichkeit, doch so zogen immerhin mein heiß geliebter Couchtisch, zwei Esszimmerstühle meiner Oma, die bis zu ihrem Erliegen treue Dienste leisteten, und nach und nach ein paar Architekturmodelle ein. Aber eben auch der Horror in Grau namens: Expedit, heute Kallax. Sogar doppelt, in groß und klein.

Nina ist im Gegensatz aus ihrem Jugendzimmer in ein Wohnklo gezogen. Dieses richtete sie komplett in weiß ein. Kein Quäntchen der farbenfrohen Frohnatur von heute zu erkennen. Doch nun sitzen wir hier heute in einer relativ bunten, sanierten, schönen Altbauwohnung und ich frage mich: Wie sind wir hier hergekommen und wo geht es wohl noch hin? Sind wir dem Boho-Einrichtungsstil durch unseren Bezug zu Bali verfallen? Ist es durch die Übersättigung des aktuellen Mainstream-Trends? Oder ist es unser Stil aus Überzeugung? Werden wir uns daran sattsehen? Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich bei einem Möbelstück: Das ist das Teil fürs Leben. Das werde ich immer schön finden. Doch das dachten wahrscheinlich auch meine Eltern, als sie damals die cognacfarbenen Küchenfronten mit schwarzer Arbeitsplatte und türkisenem Fliesenspiegel auf die Terrakottafliesen stellten. Nichts für Ungut.

Für immer?

Wenn ich ab und zu bei meiner Großtante zu Besuch war, kam mir der Gedanke: Aus all den Einrichtungsstilen und Designs, die sie miterlebt hat, ist dies das, was geblieben ist? So muss ich den Gedanken aber natürlich weiterspinnen: Wenn wir irgendwann mal etwas weitergeben oder vererben, wer wird sich dann über das eingestaubte, halb verrottete Makramee freuen oder für das siebte Rattan-Revival sorgen?