geschrieben von Marlon // @malow_thewho
In diesem Beitrag geht es um Geschlechtsidentität. Genau genommen geht es um meine – einem von vielen Menschen, die transgender sind. In meinem Falle jemand, der in einem weiblichen Körper zur Welt gekommen ist und mittlerweile als Trans*Mann lebt.
Man fühlt sich zu seinem zugeteilten Geschlecht nicht zugehörig und der Körper passt nicht zur inneren Identität. Manche merken es bereits in jungen Jahren und andere erst viel später. Ich merkte es erst mit 30 Jahren und lebte bis dato als Frau. Dann begann meine Trans*ition (der Prozess, den Körper zum richtigen Geschlecht anzupassen) von einer Frau zu einem Mann.
Meine Geschichte
Ich heiße Marlon, bin 31 Jahre alt und lebe seit circa sechs Jahren in Berlin. Ich bin 22 Jahre lang auf einem Dorf, mit meinen Eltern und drei Geschwistern in der Nähe von Hamburg aufgewachsen. Ich habe eine Ausbildung als Helfer*in im Gastgewerbe an der Ostsee gemacht, danach zog ich für zwei Jahre nach Sylt und von dort aus direkt nach Berlin.
Nach meinem „Outing“ fing ich endlich an, das zu tun, was ich schon immer tun wollte, mich nur nie getraut hatte, zu wagen: eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Dank meiner Trans*ition fand ich endlich zu mir selbst und bin inzwischen sehr glücklich, egal in welchem Bereich, da ich nun weiß, wer ich bin.
Wichtig: Nicht bei jedem*r läuft es so ab wie bei mir. Jeder Mensch hat eine andere Empfindung und Wahrnehmung und vor allem eine eigene Geschichte.
Ich nehme meine Maske ab, denn ich will, dass ihr mich seht…
Bis Ende 2019 dachte ich, dass ich Janina bin. Jetzt weiß ich, dass ich schon immer Marlon war und inzwischen bin ich stolz, dies jetzt so bewusst aussprechen zu können.
Zwischenzeitlich habe ich mir des Öfteren die Frage gestellt “Wer bin ich wirklich?” Ob es unbewusst oder bewusst war, kann ich nicht sagen, denn das ist heute für mich schwierig zu beantworten. Ich habe mir immer eingeredet: „Ich wurde als Mädchen geboren, also bin ich auch eins.“ So dachte ich muss ich mir keine weiteren Gedanken darüber machen.
Doch entsprach es nicht der Wahrheit, denn Ende 2019 ging es mir wirklich schlecht. Ich lag weinend im Bett und beschloss, mir psychologische Hilfe zu suchen, bei jemanden, der*die mir bei all meinen Fragen weiterhelfen konnte. Ich brauchte dieses Thema nur einmal im Gespräch laut auszusprechen und mir war klar, was ich will: Ich will endlich ich selbst sein und so leben dürfen, wie es jede*r andere auch tut. Unbewusst hatte ich mich wohl jahrelang versteckt.
In meiner Kindheit hatte ich keine Freunde und war seitdem ein Einzelgänger. Irgendwann habe ich mich mit dem Thema Homosexualität auseinandergesetzt. Ich habe dieses immer strikt verneint, da ich das Wort „lesbisch“ nicht passend für mich fand. Ich sagte zwar immer, wenn ich gefragt wurde, ob ich lesbisch sei, dass ich auf Frauen stehe, aber das hatte bei mir andere Aspekte. Für mich war es absolut nicht richtig, dass ich anderen erzählte, dass ich lesbisch sei.
Was ist eigentlich „Liebe“?
Aufgrund meiner Geschichte habe ich mich auf niemanden einlassen können, Gefühle konnte ich nicht zulassen. Ich fragte mich: Was ist eigentlich „Liebe“?, denn das durfte ich mein ganzes Leben nicht erfahren, weil ich mich selbst nicht lieben und verstehen konnte. Ich fragte mich, wieso andere dieses Gefühl erfahren durften, nur ich nicht?
Ich war dennoch immer ein fröhlicher Mensch von außen und war gut im Zuhören. Aber was war mit mir? Wer fragte mich, wie es mir geht? Niemand. Außer meine Mama, die mich ebenfalls in jungen Jahren fragte, ob ich ein Junge sein wollte. Was ich damals aber erstmal verneinte. Mir waren solche Fragen einfach unangenehm.
Heute kann ich stolz sagen, dass ich nun offiziell auf meinem Ausweis den Namen Marlon tragen darf und dem männlichen Geschlecht zugehörig bin. Ich muss mich also nicht mehr erklären, wieso ich als „Frau“ wie ein Mann aussehe. Solche Fragen waren mir äußerst unangenehm und sind auch ehrlich gesagt total unangebracht. Ich fing dadurch an, weite Klamotten zu tragen, damit man ja nicht meine Brust sah, die im Alter natürlich größer wurde, was mich auch seelisch stark belastete. Natürlich kann ich nur von mir sprechen, denn bei jedem Menschen sind diese Gefühle und Belastungen anders. Und jede*r einzelne geht auch anders damit um.
Die ersten Operationen
Im Mai 2021 war es soweit. Ich hatte meine erste entscheidende Operation, in der mir in einer Kombi-Operation die Brüste (Mastektomie) sowie die Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke (Hysterektomie und Adnektomie) entfernt wurden. Und ich kann nur sagen: Danach habe ich mich einfach freier und wohler in meiner Haut gefühlt. Aber ich war noch nicht vollkommen angekommen. Dafür fehlten noch weitere Operationen, die nächstes Jahr stattfinden werden.
Auch da geht jeder Menschen seinen eigenen Weg – ob mit allen möglichen Operationen oder nur mit zum Beispiel der Entfernung der Brust.
Im Juni 2020 fing ich auch mit einer Testosteron-Therapie an, wodurch sich auch langsam Veränderungen zeigten, die auch noch mehr werden sollen. Aber auch das ist eben ein Prozess, der über Jahre geht und nicht mit einem Schnippen die gewünschten Veränderungen zeigt.
Man muss viel Geduld mitbringen und unter anderem auch Nebenwirkungen wegstecken, wie zum Beispiel eventuellen Haarausfall, Pickel oder Akne, die man durch das Testosteron bekommen kann. Ich bin aber trotzdem sehr froh, dass ich diesen Weg gehe und immer mehr zu mir selbst finde.
Hauptsache gesund!
Nicht nur für eine*n selbst ist es schwer, wenn das Körperliche und Innere nicht zusammenpassen. Auch für die Angehörigen kann dies eine schwierige Zeit sein – vor allem nach dem „Outing“. Aber haltet euch immer vor Augen, was ihr sagt, wenn ihr ein eigenes Kind erwartet: „Ganz egal welches Geschlecht es hat, die Hauptsache ist, es ist gesund!“ Das sollte das Einzige sein, das zählt.
Mein Appell an euch: Lebt euer Leben, denn ihr habt nur dieses eine und es ist zu kurz, um es anderen recht machen zu wollen.
Infos zu den medizinischen Fachbegriffen:
Mastektomie bedeutet, dass dem Körper die weiblichen Brustdrüsen sowie das Gewebe entfernt werden.
Hysterektomie/Adnektomie bedeutet, dass dem Körper alle weiblichen innenliegenden Geschlechtsorgane wie Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke entfernt werden.
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