Wisst ihr, keiner, der nicht vorbelastet ist, geht davon aus, dass seine Schwangerschaft so verlaufen kann. Mit „so“ meine ich übrigens, wie bei mir. Wie jetzt mit dem Zitronenbaby. Denn in meinem Kopf hing und hängt immer noch die Kugelzeit mit Alma nach. Diese besonderen Monate, die in meinem Kopf als vielleicht schönste Zeit meines Lebens nachhallen. Denn in Almas Schwangerschaft habe ich gelernt, mich richtig wohl zu fühlen, habe das erste Mal eine tiefe Verbindung zu mir und meinem Körper gespürt, war so voller Liebe, Vertrauen und Zuversicht. Es war magisch. Wirklich! Meine einzige Sorge (mit wenigen Ausnahmen) in dieser Zeit war wohl, wo ich mein Spaghettieis herbekomme. Genau deshalb konnte ich mir quasi direkt nach der Geburt vorstellen, direkt wieder schwanger zu sein oder sagen wir gleich: für immer schwanger zu sein. Auf keinen Fall konnte ich mir vorstellen, direkt ein zweites Baby zu bekommen, aber dieses wunderschöne Gefühl, diesen schönen Körper, diese kleinen Tritte in meinem Bauch, die hätte ich immer spüren können. Als wir uns dann 18 Monate später dazu entschieden haben, dass wir ein neues Abenteuer wagen wollen, hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich diese Schwangerschaft als wohl schlimmste Zeit meines bisherigen Lebens betrachte.
Ich bin nicht naiv. Ich weiß, was alles passieren kann. Gerade ich, die sich tagtäglich damit beschäftigt. Doch bin ich nicht davon ausgegangen, dass es mich wirklich so treffen kann. Eine abstrakte Angst vor dem, was in einer Schwangerschaft möglich ist, spielte mit, als ich den positiven Test in der Hand hielt. Doch die Vorstellung von dem, was auf mich zukommen kann oder sogar wird, war sehr weit weg. Und ich denke, dass es so nicht nur mir, sondern vielen Frauen geht. Gott sei Dank, denn sonst würde es bestimmt viel weniger Babys geben.
Vieles ist auszuhalten. Viel mehr, als man für möglich hält. Diese Erkenntnis habe ich schon des Öfteren in meinem Leben gewonnen und ich denke, dass das ganz normal ist. Der erste Liebeskummer tut weh, die Herbstferien, in denen man Hausarrest hatte, die Abweisung bei seinem vermutlichen Traumjob, eine Geburt, der Tod eines geliebten Menschen… vieles übersteht man, wächst daraus. Doch eins, das kann ich nach den letzten Tagen und Wochen sagen, ja eins, ist kaum zu begreifen, geschweige denn zu verkraften: Die Angst um sein Kind. Diese Momente, in denen dir immer wieder gesagt wurde, dass es bald „so weit sein wird“ und ich mich darauf vorbereiten soll, werde ich niemals vergessen. Dass Alma und Hörby aus dem Zimmer geschickt wurden, damit sie alles für die Geburt meines kräftig tretenden, aber viel zu kleinen Baby vorbereiten wollen, dass ich komplett hilflos in meinem Bett lag und tagelang mit und für mein Zitrönchen gebetet habe, werde ich nie vergessen. Der Gedanke, dass mein Baby, dem es doch so gut in meinem Bauch geht, keine Chance haben wird, wenn ich es auf die Welt bringe, lässt mich erstarren. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das alleine verkraften kann, ob ich diese Momente der absoluten Hilflosigkeit irgendwie verarbeitet bekomme, doch zuerst einmal heißt es nun, dass ich Kraft sammeln muss und mich darauf besinne, dass wirklich alles was kommt, gut sein wird. Alles andere macht für mich und das Zironenbaby nämlich keinen Sinn.
In den letzten Tagen, in denen ich im Krankenhaus lag, wurden mir wieder diverse Diagnosen gestellt. Jeder Arzt sagte etwas anderes. Etwas, was mir jegliche Kräfte zog. Von tief fallen, zu hoch fliegen, um noch tiefer zu fallen, ist wohl das kräftezehrendste, was man erfahren kann. Wenn man das Gefühl hat, dass einem keiner helfen kann und in jeder Aussage ein wenig Wahrheit und ganz viel Fehleinschätzung stecken kann. An der Stelle möchte ich betonen, dass ich nicht denke, dass irgendein Arzt vorsätzlich eine falsche oder undifferenzierte Diagnose gestellt hat. Es gab einfach viel Raum für Spekulationen, viele Meinungen und ja bestimmt auch zu wenig Zeit, um genau hinzugucken. Daher wurde mir nach einer Plazenta Praevia mitgeteilt, dass ich ein großes Hämatom habe, dass aber nicht allzu schlimm ist und dann hieß es, dass sich meine Fruchtblase abgelöst hat, in der nächsten Zeit ein Blasensprung dazu kommen wird und ich mein Baby verliere. Ihr hört… die Sprünge zwischen Gut und Böse waren klein und heftig. Am Ende gab es eine Entwarnung, ein: „Es ist gar nicht so schlimm.“ Und ein kräftiges Ausatmen von meiner Seite. Nun ist es nur noch das große Hämatom in der Gebärmutter, dass durch seine Lage zwar immer noch ein Risiko darstellt, aber keine akute Fehlgeburt einleitet. Ein Risiko, das greifbar ist, denn ich merke, wenn es gefährlich wird. Ein Risiko, gegen das ich zwar nichts tun kann, was aber in vielen Fällen überstanden wird. Ich brauche nicht ständig zu liegen, kann mich bewegen, ich darf wieder leben, zwar mit Angst, aber auch mit der Hoffnung, dass ganz bestimmt alles gut gehen wird.
In den drei Tagen zwischen den Untersuchungen habe ich leise geweint, weil ich nicht wollte, dass mein Puls in die Höhe schießt. Ich habe keinen zu mir gelassen – außer meinen Mann und Alma, die beide probiert haben, mein Herz zu reparieren. Doch mein kleines Kind so groß zu sehen, hat es fast schlimmer gemacht. Ich habe mit Atemübungen, Medikamenten und Ablenkung probiert, die Zeit zu überstehen und mir von Seiten des Krankenhauses nicht einreden lassen, dass ich bald keine Tritte meines gesunden Babys spüren werde. Ich habe meinen Körper angefleht mehr mit mir zu arbeiten. Und bis jetzt funktioniert es.
Ich musste mich von dem Gedanken einer schönen Schwangerschaft, die ich mir so sehr gewünscht habe, verabschieden. Ich musste mich damit auseinandersetzen, dass ich mein Baby verliere. Ich musste von meiner Tochter getrennt sein. Musste meinen Mann leiden sehen und versuchen, trotzdem die Fassung zu bewahren. Eine wirklich schwierige Zeit. Ich hoffe, dass es nun endlich bergauf geht. Und ich ganz bald richtig laut losweinen kann oder meine ganze Wut in den Wald hinein schreien werde.