Kennst du diesen unlöschbaren Durst nach Abenteuer und Aufregung? Nein, natürlich nicht, du bist doch kein Junkie?! Laut Duden ist ein Junkie eine in fortgeschrittenem Stadium drogenabhängige Person. Jedoch kann sich eine Sucht in unterschiedlichsten Bereichen aufbauen, so gibt es beispielsweise Schätzungen zufolge etwa eine halbe Million Sexsüchtige in Deutschland. Neben Sex kann auch Geschwindigkeit abhängig machen oder Adrenalin.
Einige Menschen werden so süchtig nach Adrenalin, ja fast zu Adrenalin-Junkies, dass sie sich spektakuläre Hobbys wie beispielsweise Fallschirmspringen suchen. Doch nicht nur während eines Hobbys, sondern auch in einigen Leistungssportarten wird vermehrt eine gehörige Portion Adrenalin ausgeschüttet. Eine davon ist das Skispringen. Sind nun alle Skispringer*innen, wie im Volksmund gesagt, Adrenalin-Junkies?
Luisa ist 19 Jahre alt und Sportsoldatin. Ihr Instagram-Profil krönt der Songtext „and super girls just fly“. Sie liebt die Natur und beschreibt sich eher als „einen Schisser“. Dennoch ist die junge Frau in der Deutschen Damen-Nationalmannschaft der Skispringerinnen und liebt ihr zum Beruf gewordenes Hobby – mit aller Aufregung und allem Adrenalin, die dazu gehören.
Liebe Luisa, würdest du dich als Adrenalin-Junkie beschreiben?
Nein, das würde ich tatsächlich nicht. Ehrlich gesagt bin ich eigentlich in vielen Dingen ein ziemlicher Schisser und ich lass immer erst andere Menschen neue Sachen testen oder machen und schau mir das an, bevor ich es selber ausprobiere. Das war schon immer so, auch als ich klein war. Da habe ich immer meine Schwester gehabt, die ich vorschicken konnte. Aber Skispringen ist etwas anderes, damit bin ich groß geworden. Das ist etwas, was ich fast jeden Tag mache und so gut wie im Schlaf kann.
Bist du durch den Sport glücklicher?
Ich bin auf jeden Fall ausgeglichener, denn ich habe gerne etwas zu tun und nutze den Tag. Durch den Sport habe ich jeden Tag eine Aufgabe, die mir zum einen Spaß macht und zum anderen sowohl gesundheitlich wie auch körperlich guttut. Außerdem konnte ich so viele Menschen kennenlernen und international mit Leuten in Kontakt treten. Das macht mich schon glücklich.
Wie bist du zum Skispringen gekommen?
Ich bin durch meine Zwillingsschwester Sophia zum Skispringen gekommen. Sie wollte damals im Alter von vier Jahren mit dem Springen beginnen, allerdings war sie da noch zu jung. Als wir sechs Jahre alt waren, durfte sie dann endlich mit dem Schnuppertraining anfangen, was ihr so gut gefallen hat. Also bin ich immer mit zum Training und habe ihr dabei zugeschaut. Nach knapp einem halben Jahr wollte ich das dann auch unbedingt ausprobieren. Anscheinend hat mir das dann damals so gut gefallen, dass ich dabeigeblieben bin und seitdem lebe ich für den Sport.
Wie oft trainierst du?
Ich trainiere etwa 5 bis6-mal in der Woche, also so um die 15 bis20 Stunden.
Das ist beinahe eine halbe Arbeitswoche. Ist das Skispringen noch ein Hobby oder schon dein Beruf?
Ich würde sagen, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Dank der Bundeswehr ist dies möglich gemacht worden. Ich bin also als Sportsoldatin bei der Bundeswehr angestellt und kann dadurch meinen Sport als Beruf ausführen und werde von ihnen tatkräftig unterstützt.
Wie bist du zur Bundeswehr gekommen?
Nach meinem Abitur 2018 war es für mich nur möglich, meinem Sport weiter auszuführen, wenn ich zu einer Behörde gehe, die auch den Wintersport unterstützt. Neben der Bundespolizei und dem Zoll unterstützt eben auch die Bundeswehr Sportler. Ich lebe seit 2013 in Oberstdorf und trainiere dort. Etwa 20 Minuten entfernt, in Sonthofen, ist die nächste Kaserne und so war es für mich relativ schnell klar, dorthin zu gehen. So kann ich weiterhin in Oberstdorf wohnen und trainieren und wenn nötig fahre ich nach Sonthofen zur Kaserne.
Was unterscheidet eine Sportsoldatin von einer Berufssoldatin?
Also Sportsoldatin ist ein wenig was Anderes, als Berufssoldatin zu sein. Sportsoldaten haben eine Sonderstellung in der Bundeswehr. So merkt man abseits der Schanze definitiv nicht, dass ich bei der Bundeswehr arbeite. Die unterstützen mich bei meinem Sport, vor allem finanziell. Im Gegenzug absolviere ich einmal im Jahr, für 4 Wochen, einen Bundeswehrlehrgang. Den Rest des Jahres trainiere ich, um im Winter sowohl Deutschland als auch die Bundeswehr international zu repräsentieren.
Ist es schwer, neben dem Profisport ein Privatleben zu führen?
Ich würde sagen, Organisation ist alles. Schwer ist es nicht. Klar, ohne Sport wäre es sicher auch einfacher, aber einfach kann ja jeder.
Wichtig ist vor allem, dass man Menschen an seiner Seite hat, die für den Sport und das, was ich tue, volles Verständnis haben und auch immer hinter einem stehen – egal was passiert und wie es gerade im Sport läuft. Da kann ich mich glücklich schätzen, dass mein Freund sich etwas in dem Sport und dem Drumherum auskennt. Er unterstützt mich immer und da ist es ihm auch egal, ob ich in einem Wettkampf erste oder letzte bin, er nimmt mich trotzdem so, wie ich bin. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Bitte beschreibe uns das Gefühl, wenn du beim Skispringen losgleitest.
Das ist ein bisschen schwer zu erklären. Im ersten Moment fühlt man noch gar nicht so viel, aber wenn man dann den Flug erst einmal realisiert, fühlt es sich toll an und ich genieße es einfach.
Wie fühlt sich das Fliegen an?
Wenn der Sprung von der Kante her passt, dann fühlt dich das Fliegen einfach nur leicht an. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen. Es ist ein schönes Gefühl und je größer die Schanze desto länger der Flug.
Was macht dich abseits der Schanze glücklich?
Glücklich macht mich vor allem, wenn ich Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen kann. Dadurch, dass ich sportlich bedingt viel unterwegs und daher eher selten daheim bin, genieße ich die Zeit umso mehr, wenn ich zu Hause bei meiner Familie bin.
Was machst du in deiner Freizeit?
Also wenn ich unter der Woche nicht trainiere, dann sitze ich meistens an meinem Unizeug. Neben dem Sport studiere ich noch Psychologie und nutze die freie Zeit dann meist dafür. Aber auch sonst treffe ich mich gerne mit Freunden auf einen Kaffee, genieße die Zeit in der Natur oder an einem See zum Entspannen und Runterkommen.
Aber am allerliebsten bin ich, wenn die Zeit es zulässt, zu Hause in Thüringen bei meiner Familie und meinen besten Freunden und verbringe die Zeit mit ihnen.Wie verbringst du die Sommermonate?
Überwiegend mit Training. Es gibt da ein Sprichwort: „Wintersportler werden im Sommer gemacht“ und genauso ist es. Wir trainieren relativ viel im Sommer, um im Winter dann fit zu sein und international immer unser Bestes geben können.
Wie empfindest du die unterschiedliche Aufmerksamkeit, die auf den Männerbereich und dem Frauenbereich des Sports gelegt wird?
Ich finde es schade. Klar die Sportart bei den Frauen ist noch um einiges jünger als bei den Herren und wir sind noch dabei, uns zu entwickeln. Dennoch ist es schwieriger, sich weiterzuentwickeln und vor allem auch in den Medien und der Gesellschaft präsenter zu werden, wenn wir nicht die Möglichkeit bekommen, uns in Wettkämpfen und deren medialen Formaten zu zeigen.
Von dem her werden wir Damen weiter dafür kämpfen und beweisen, dass wir genauso gut Skispringen können wie die Herren. Vielleicht bekommen wir dann auch irgendwann mal die gleiche Aufmerksamkeit wie sie.
Wie wäre es für dich, wenn du plötzlich ab morgen kein Sport mehr machen könntest?
Ich glaube, gar keinen Sport mehr machen zu können, wäre schon ziemlich schwer. Ich brauche die Bewegung und vor allen die Natur, in der ich Sport machen kann.
Klar ist mir bewusst, dass ich nicht mein Leben lang springen kann. Das ist auch okay, da ich genau weiß, was ich im Leben nach dem Sport machen möchte. Ich glaube, ich könnte es akzeptieren, wenn der Punkt einmal kommen sollte. Ich habe mein Hobby dann eine sehr lange und schöne Zeit ausführen können. Aber komplett auf Sport jeder Art zu verzichten, stelle ich mir sehr schwierig vor.
Hand aufs Herz – wärst du ohne das Skispringen unglücklich?
Nein, unglücklich wäre ich nicht. Ich würde lernen damit umzugehen und nach neuen Wegen und Herausforderungen suchen, wie ich mein Leben gestalte.
Außerdem kann Sport allein nicht glücklich machen! Da gibt es andere Faktoren, die viel wichtiger sind, um glücklich zu sein, wie Familie und Freunde, die einen im Leben und all dem, was man tut, unterstützen und hinter einem stehen. Das macht viel glücklicher.