geschrieben von Anonym

Ich bin 28 Jahre alt, als ich meinen jetzigen Partner kennenlerne. Wir haben die ersten Dates, es geht alles ziemlich schnell. Gefunden haben wir uns über Tinder – klar, wo sonst. Beim dritten Treffen küssen wir uns bei mir zu Hause auf dem Sofa. Wir machen miteinander rum. Aber von seiner Seite kommen keinerlei Anstalten, mit mir schlafen zu wollen. Er ist wahnsinnig zärtlich und alles, aber der Blick zum Schlafzimmer kommt nicht und das klassische „Wollen wir rübergehen?“ fehlt. Stattdessen küssen wir uns, kuscheln, er streichelt mir den Kopf.

Ich habe schon Lust auf mehr… Also frage ich ihn: „Wollen wir rübergehen?“ „Nein“, ist seine Antwort. Er möchte es langsam angehen. Schmetterlinge in meinem Bauch, wie herrlich! Endlich mal ein Mann, der nicht sofort mit mir in die Kiste will oder nur auf „das Eine“ aus ist.

Beim nächsten Treffen küssen wir uns wieder, machen miteinander rum. Es ergibt sich ein Gespräch über Sex, ob wir Lust haben. „Lust schon, aber…“ sagt er, alles in mir zieht sich zusammen. „Ich habe ein Problem. Mit ihm.“ Sein Blick wandert zu seiner Körpermitte. Ich frage, was er damit meint. Er käme schnell. Zu schnell. Er kann nicht steuern, wann es passiert, und es ist für ihn auch nicht schön. Er erklärt mir, dass der Samenerguss, den er hat, nicht befriedigend für ihn ist. „Manchmal“, sagt er, „tut es weh“. Dabei bleibt unklar, ob er meint, dass es ihm tatsächlich körperlich wehtut oder eher emotional.

Er erzählt mir, dass er noch nie eine längere Beziehung hatte. Keine ging länger als ein halbes Jahr wegen ihm, wegen seines Problems. Eine Frau hatte ihn sogar rausgeworfen, weil er es nicht „bringen“ würde. Ich erkenne seinen Schmerz, seine Verletzlichkeit, mir in so einem frühen Stadium unserer Beziehung davon zu erzählen, und nehme ihn in den Arm. Wir streichen das Miteinander-Schlafen vorerst. Und kuscheln dafür viel.

Langsam möchte ich ihm das Vertrauen geben, dass er okay ist, so wie er ist. Dass ich ihn gernhabe. Wir starten mit Oralverkehr. Anfänglich befriedigt er häufiger mich, als ich ihn. Er konnte sich dabei nicht kontrollieren, es war ihm unangenehm und er weinte deswegen sogar. „Ich war so aufgeregt“, sagte er, nachdem er nach einer halben Minute kam. „War es denn wenigstens schön für dich?“, fragte ich ihn. „Der Orgasmus?“ „Nein, alles davor“, antwortete ich. „Ja, sehr“, entgegnete er.

Zum Ursprungsproblem kommt ein Potenzproblem

Nach einigen Wochen beschließen wir, miteinander zu schlafen. Es zu probieren. Aber er will einfach nicht stehen. „Das Problem ist neu“, sagt mein Partner. Die Stimmung ist im Keller. Zu seinem Ursprungsproblem kommt jetzt also noch ein Potenzproblem. Ich versuche, ihn so gut es geht aufzufangen, aber nicht immer lässt er mich an sich ran. Ich stelle mir die Frage, ob ich das wohl aushalte? Wie lange? Ich suche nach Lösungen und versuche, so fair wie möglich sowohl zu mir als auch zu ihm zu sein. Und dabei sein Vertrauen zu erlangen, dass er mit ihm okay
ist. Dass es okay ist, wenn es nicht jedes Mal klappt.

Wir sprechen viel darüber. Ich höre ihm zu, was er denkt, welche Sorgen er hat. „Vielleicht musst du dir auch jemand anderes suchen, mit dem du Sex haben kannst“, schlägt er als möglichen Lösungsansatz vor. Aber das kommt für mich nicht in Frage. „Würde es dich glücklich machen zu wissen, dass ich zu jemandem anderen fahre, um Sex zu haben?“, frage ich ihn. „Nein. Nicht wirklich“, sagt er.

Männer reden über sowas nicht

Das Thema ist verzwickt. Schwierig auch. Männer reden über sowas nicht. Er erzählt mir, dass es niemand in seinem engen Umfeld weiß. Niemand, außer mir. Er denkt, dass er damit alleine ist. Möchte aus Scham nicht zum Arzt gehen. Will da aber auch nicht ständig mit mir drüber sprechen. Irgendwie müssen wir etwas für uns entwickeln. Eine Strategie.

Doch bevor das passieren kann, muss ich mir selbst im Klaren darüber sein, ob ich das so kann. Ich wäge alles ab und bin mir sicher, dass dieser Mann es absolut wert ist. Dass es großartig ist, mit jemandem zusammen zu sein, der einen wirklich mag. Ohne diese rosarote Hormonbrille, welche man trägt, wenn man sich kennenlernt und man meistens ohne Probleme miteinander schlafen kann. Man sieht klar.

Ich drösel mit ihm das Wort „Sex“ auf und sage ihm, dass Sex neben der reinen Penetration auch alles andere ist. Ich versuche, mein Wording zu ändern, und mir fällt auf, für wie selbstverständlich man ein funktionierendes Sexleben zwischen Paaren hält. Sätze wie „Ich weiß schon, was ihr noch getrieben habt…“, triggern plötzlich.

Unser Sex ist alles – außer Penetration durch seinen Penis. Ich hoffe darauf, dass wir irgendwann mal miteinander schlafen können. Und so lange ist alles ein riesen Vorspiel. Es gibt aber auch Erfolge zu verzeichnen: Mittlerweile fragt er proaktiv nach Oralbefriedigung durch mich. Er hält wesentlich länger als am Anfang. Wir versuchen, seinen Orgasmus mit Training hinauszuzögern, und mittlerweile ist nur noch jede dritte orale Befriedigung „unschön“ für ihn.

Ich möchte gerne Mut machen

Meine eigene Befriedigung ist jedes Mal erfolgreich. Egal, ob oral, mit den Fingern, durch Spielzeug oder der Kombination aus allem. Wir haben vielleicht kein typisches Sexleben, aber ich möchte gerne Mut machen, drüber zu sprechen. Über Männergesundheit, die Sexualisierung von Paaren und dem Thema Kommunikation innerhalb einer Partnerschaft. Denn ich glaube, von diesem Problem sind mehr Männer betroffen, als sie gerne zugeben würden…