geschrieben von Pia Michelle

Ich glaube, ich war 17 Jahre alt, als ich das erste Mal einen Brief von meiner Gynäkologin bekam, in dem stand, dass der entnommene Abstrich behandlungsbedürftig sei und ich mich mit der Praxis in Verbindung setzen soll. Natürlich denkt man sich mit 17, dass ja wohl nichts Dramatisches ist. Als ich anrief, wurde mir mitgeteilt, dass Zellveränderungen ersichtlich wurden und ich deshalb medikamentös behandelt werden sollte. Okay – dann machen wir das eben.

Blöd nur, dass sich diese Prozedur nun halbjährlich wiederholt hat. Immer wieder kam ein Brief angeflattert und immer wieder war der Abstrich schlecht. Bei jedem Arztbesuch war da diese innere Unruhe und diese Angst, dass wieder etwas nicht stimmt. Das ging dann 4 Jahre so weiter. 

Im Mai 2014 sagte die Gynäkologin zu mir, dass Sie keine andere Möglichkeit sehe, außer eine Konisation bei mir durchführen zu lassen, sofern der aktuelle Befund auch wieder behandlungsbedürftig sei. 

Ich habe mich dann also über den Ablauf sowie die Folgen einer Konisation belesen. Das Ganze ist für Ärzte sicher Alltagsroutine und wird meist als ungefährlich eingestuft, doch dadurch, dass ein Kegel aus dem Muttermund geschnippelt wird, verliert dieser eben auch ein bisschen seine Funktion. Der Gebärmutterhals wird dadurch schwächer. Dann liest man in den Foren darüber, dass bei einer Schwangerschaft vorzeitig Wehen einsetzen könnten, das Risiko einer Frühgeburt erhöht sei oder der allgemeine Geburtsprozess verzögert werden könne. 

Danach war Sie noch zweimal schwanger

Ich muss dazu sagen, dass meiner Mama Ähnliches widerfahren ist und Sie eben nach diesen immer wiederkehrenden Befunden beschlossen hatte, ein Kind zu bekommen, ohne vorher eine OP durchführen zu lassen. Nachdem meine Mama mich bekommen hatte, hat Sie diese Konisation durchführen lassen. Danach war Sie noch zweimal schwanger und hatte zwei ungewollte Schwangerschaftsabbrüche.

Und ich wollte das auf keinen Fall riskieren, kein Baby zu bekommen oder eine Schwangerschaft mit erheblichen Risiken und Beschwerden mit zu machen – von der psychischen Belastung ganz abgesehen. Ob das nun tatsächlich medizinisch mit einer Konisation zusammenhängt oder nicht, diese Erfahrungen habe ich auf mich projiziert und vermutete, dass es bei mir ähnlich sein könnte. Ich hatte damals auch gelesen, dass eine Konisation im Fall einer Schwangerschaft nur im äußersten Notfall durchgeführt wird und der äußerste Notfall lag bei mir noch nicht vor. Ich hatte mich natürlich im Vorfeld mit meiner Gynäkologin darüber unterhalten. 

Ich fuhr nach diesem Termin zu meinem Freund. Ich habe ihm meine Sorgen und Ängste geschildert und wir haben lange darüber gesprochen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt ein knappes Jahr zusammen, gerade frisch in eine gemeinsame Wohnung gezogen und unsere Liebe zueinander war übergroß. Wir hatten beide eine abgeschlossene Berufsausbildung und jeder hatte einen festen Arbeitsvertrag. Und wir waren eben auch verdammt jung. Und trotzdem lautete seine Antwort: „Okay, dann geht’s jetzt eben los!“ Ich war völlig baff. Ich hatte mich auf endlose Diskussionen mit Für und Wider eingestellt, doch wir waren beide bereit, eine Familie zu gründen. Wir beide waren uns sicher, dass wir junge Eltern sein wollten und das Abenteuer gemeinsam zu beginnen – mit allem was dazu gehört. 

Ich nahm also meine Pille, bis der Blister aufgebraucht war und verfrachtete diese dann in die letzte Ecke des Spiegelschrankes. 

Ich bin schrecklich neugierig

Es war Freitag, der 18. Juli 2014, ich war 21 Jahre alt und ich war nach der Arbeit meine Eltern besuchen gefahren. Meine Mama steht mir sehr nahe und Sie wusste über unseren Plan Bescheid. Ich sollte am Donnerstag, also einen Tag vorher, meine Regel bekommen. Die war nicht da. Ich dachte ehrlich gesagt nicht daran, dass es schon geklappt haben sollte. Ich vermutete einfach, dass mein Körper sich gerade neu einstellt und der Zyklus sich eben erst einpegeln muss.

Meine Mama jedoch nicht. Die redete so lange auf mich ein, bis ich noch am gleichen Nachmittag in die Apotheke fuhr und zwei Frühschwangerschaftstests holte. Okay. Da saß ich nun wieder bei meinen Eltern auf der Terrasse und überlegte, ob ich den Test ohne meinen Freund mache oder ob ich lieber nach Hause fahre. Ich bin schrecklich neugierig und furchtbar ungeduldig. Ich denke, das erklärt den nächsten Schritt von selbst. Mein Freund war zu der Zeit eh damit beschäftigt, sein Auto zu bauen. Ich dachte ja nach wie vor, dass ich nicht schwanger bin und eben nur die Hormone gerade durchgeschüttelt sind und sich neu sortieren müssen. 

Also, ab ins Bad, Packungsbeilage mehrfach studieren und los. Ich musste 5 Minuten warten, also ging ich in der Zeit wieder zu meiner Mama, die mich schon fragend anschaute. Ich wurde mit dem Satz „Geh doch jetzt mal gucken, die 5 Minuten sind fast rum!“ aus meinen Gedanken gerissen. Gut- geh ich also zurück in Bad. Und da stand ich. Starrte auf den 2. Strich. Holla, die Waldfee! Der Strich ist da. Bedeutet der das, was ich denke? Ich zog die Packungsbeilage wieder hervor. 1 Strich = nicht schwanger, 2 Striche = schwanger. SCHWANGER! Ich lief grinsend wie ein Honigkuchenpferd zu meiner Mama zurück. Jetzt saß auch mein Papa da. Ich musste gar nichts sagen, Sie kannten die Antwort ja vorher schon. Völlig überwältigt ließ ich mich im Gartenstuhl nieder. Wir unterhielten uns eine Weile, errechneten schon den voraussichtlichen Geburtstermin, kramten dann schlussendlich ein Paar Babyschuhe aus dem hauseigenen Sammelsurium und ich fuhr nach Hause.  Diese 20minütige Heimfahrt werde ich nie vergessen. Ich war aufgeregt und in meinem Kopf war Konfetti. Ich fuhr auch ganz anders – viel verantwortlicher, vorsichtiger – ich war ja schließlich nicht alleine unterwegs. 

Zu Hause angekommen raffte ich schnell die Schuhe meines Freundes, meine Schuhe und Babys Schuhe zusammen und stellte Sie in den Flur. Den Schwangerschaftstest steckte ich in den Babyschuh. Als mein Freund nach Hause kam, sagte ich ihm, er solle ins Wohnzimmer gehen, ich hätte eine Überraschung für ihn. Er stieg er über die Schuhe, die ich im Türrahmen platziert hatte und sah sich im Wohnzimmer um. Erst als ich lachte und nach unten zeigte, fiel er aus allen Wolken. Wir hatten damit nicht so schnell gerechnet. Überhaupt nicht. Wir hatten das unglaubliche Glück, dass wir nicht Monat für Monat dasitzen und vergeblich auf den zweiten Strich auf dem Schwangerschaftstest warten mussten. 

Als ich nach dem Wochenende einen Termin bei meiner Frauenärztin vereinbarte, war diese auch ein bisschen überrascht. Auf dem Ultraschall war eindeutig eine kleine Blase zu erkennen, die eindeutig mal ein Baby werden sollte. Alles sah normal aus. Ich kam mit dem ersten Ultraschallbild aus dem Untersuchungszimmer, sah meinen Freund, der mich begleitet hatte und völlig aufgelöst dasaß und gab ihm das Bild. Auch wenn man so ein Bild vorher nie in der Hand hatte, wenn der Partner einem das Bild kommentarlos und grinsend übergibt, weiß man, dass es real ist, auch wenn darauf nur eine winzige Blase ersichtlich ist. Er weinte. Ich weinte. Und so fuhren wir mit dem Gedanken nach Hause, dass wir bald Eltern werden. Gewünscht. Geplant. Glücklich.

Als wir die magische 12. Woche überstanden hatten und es dem Rest der Familie und unseren Freunden erzählen durften, stieß das nicht immer auf freudige Reaktionen. Viele waren verblüfft, einige sogar etwas schockiert. Oft kam die Frage, ob ES denn überhaupt geplant war. Mit einem JA, hatten die wenigsten gerechnet. Ist es denn so unvorstellbar, dass es junge Frauen gibt, die ein Baby möchten und auch eins bekommen? So viele Menschen wünschen sich Kinder. Ob dieser Wunsch mit 20 oder mit 30 oder auch erst mit 40 präsent ist, das ist doch vollkommen irrelevant und die individuelle Entscheidung eines jedem. Manche Entscheidungen sind langwierig, manche etwas übereilt, manche sind lang durchdacht und trotzdem kommen sie für Außenstehende vorschnell und jeder hat das Gefühl es besser zu wissen. Für uns war diese Entscheidung, früh ein Kind zu bekommen und damit eine Familie zu gründen, auch früh, aber es war und ist die richtige Entscheidung. Und das wird sie immer bleiben. Wir haben uns bewusst für dieses Kind entschieden und das nicht ausschließlich aus einem medizinischen Grund, sondern auch aus Liebe. Bedingungsloser Liebe. 

Die große Liebe zu finden

Am 24. März 2015 wurde unser wunderbarer Sohn nach 39+5 Wochen gesund und munter geboren. An diesem Tag wurde ich mit 21 Jahren Mama und mein heutiger Ehemann mit 23 Jahren Papa. Seitdem wachsen wir täglich ein Stück näher zusammen und sind glücklich mit der Entscheidung sehr jung Eltern geworden zu sein. Letztendlich waren diese schlechten Abstriche vielleicht nur ein Anstoß, eine Richtung einzuschlagen, die wir beide immer herbeigesehnt hatten. Ein Wunschdenken, welches man sich in seiner Kindheit oder seiner frühen Jugend ausgemalt hatte, wenn man heimlich Zukunftspläne schmiedete. Die große Liebe zu finden, gemeinsam ein Kind zu bekommen und zu heiraten. Wir haben uns unsere kleine heile Welt gebaut und sind bereit, dafür zu kämpfen, daran zu arbeiten und an unserem Traum ewig festzuhalten – dem einer glücklichen Familie. 

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass unser Weg vielleicht nicht medizinisch korrekt war, vielleicht auch ein bisschen besorgniserregend für alle Ärzte oder Krankenschwestern, die hier mitlesen, aber es ist unser Weg gewesen und ich möchte diese Erfahrung gern teilen. Es ist alles gut gegangen, ich habe auf mein Bauchgefühl gehört.

Um die Konisation bin ich im Übrigen nicht herumgekommen. Diese wurde dann im Januar 2016 durchgeführt.